Immunoassay
Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt, weil Sie sich seit Wochen müde fühlen. Der Verdacht: Vielleicht stimmt etwas mit der Schilddrüse nicht. Eine Blutprobe wird genommen, und wenig später weiß der Arzt, ob Ihre Hormonwerte im Normalbereich liegen. Möglich macht das ein Verfahren namens Immunoassay – ein unscheinbarer Begriff, der in der Labormedizin eine riesige Rolle spielt.
Was ist ein Immunoassay?
Ein Immunoassay ist eine Methode, mit der Ärzte und Wissenschaftler bestimmte Stoffe im Körper nachweisen können – zum Beispiel Hormone, Vitamine, Krankheitserreger oder Medikamente. Das Wort „Immuno“ deutet schon darauf hin: Der Test nutzt das Prinzip des Immunsystems, genauer gesagt die Fähigkeit von Antikörpern, ganz gezielt an bestimmte Substanzen zu binden. Antikörper sind wie winzige Detektive, die nur das suchen, was sie kennen – sei es ein Schilddrüsenhormon oder ein Virusprotein.
Die Idee ist simpel: Man mischt eine Probe – meist Blut, manchmal Urin oder Speichel – mit speziellen Antikörpern, die auf den gesuchten Stoff reagieren. Wenn dieser Stoff da ist, dockt der Antikörper an ihn an, und diese Verbindung wird sichtbar gemacht, etwa durch Farbänderungen, Lichtsignale oder elektrische Impulse. Das Ergebnis zeigt: Ist der Stoff vorhanden, und wenn ja, wie viel davon? Es gibt verschiedene Arten von Immunoassays, wie den ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay) oder den Chemilumineszenz-Immunoassay, aber das Grundprinzip bleibt gleich.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Nehmen wir das Beispiel der Schilddrüse. Der Arzt will wissen, ob Sie zu wenig oder zu viel des Hormons TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) im Blut haben. Im Labor wird Ihre Blutprobe mit Antikörpern vermischt, die nur an TSH binden. Diese Antikörper sind oft mit einem Marker versehen – etwa einem Enzym oder einem leuchtenden Molekül. Sobald sie TSH finden, lösen sie eine Reaktion aus: Beim ELISA färbt sich die Probe, beim Chemilumineszenz-Test leuchtet sie. Ein Gerät misst diese Signale und sagt: „Ja, TSH ist da, und die Konzentration liegt bei X.“ Das alles dauert oft nur Stunden – manchmal sogar weniger.
Warum ist der Immunoassay so wichtig?
In Deutschland ist der Immunoassay aus der Labormedizin nicht mehr wegzudenken, weil er schnell, genau und vielseitig ist. Er wird überall eingesetzt: in Krankenhäusern, Arztpraxen und großen Laboren. Besonders häufig kommt er bei der Diagnose von Hormonstörungen (wie Schilddrüse oder Diabetes), Infektionen (wie Hepatitis oder HIV) und sogar Krebs zum Einsatz, indem er Tumormarker wie PSA (Prostata-spezifisches Antigen) misst. Auch in der Notfallmedizin ist er Gold wert: Ein Immunoassay kann innerhalb von Minuten zeigen, ob jemand einen Herzinfarkt hat, indem er Troponin im Blut nachweist.
Ein großer Pluspunkt ist seine Empfindlichkeit. Immunoassays können winzigste Mengen eines Stoffes finden – oft im Bereich von Pikogramm (das ist ein Billionstel Gramm!). Das macht sie perfekt, um Krankheiten früh zu erkennen, bevor Symptome schlimmer werden. In einem Land wie Deutschland, wo Prävention und Früherkennung einen hohen Stellenwert haben, ist das ein unschätzbarer Vorteil.
Bedeutung für die Labormedizin
Die Labormedizin in Deutschland ist hochentwickelt, und Immunoassays sind ein zentraler Baustein dieses Systems. Sie ergänzen andere Techniken wie die Massenspektrometrie, die zwar noch präziser ist, aber oft teurer und zeitaufwändiger. Immunoassays hingegen sind relativ kostengünstig und können in großen Stückzahlen durchgeführt werden – ideal für die flächendeckende Versorgung in einem Land mit über 83 Millionen Menschen.
In Krankenhäusern und Laboren sind automatisierte Immunoassay-Systeme längst Standard. Diese Maschinen können Hunderte Proben pro Stunde analysieren, was die Diagnostik effizient macht. Das ist besonders wichtig, wenn es um Routineuntersuchungen geht, wie sie in der gesetzlichen Krankenversicherung oft abgerechnet werden. Auch in der Forschung spielen Immunoassays eine Rolle: Sie helfen, neue Krankheitsmarker zu finden oder Therapien zu überwachen, etwa indem sie prüfen, ob ein Medikament im Blut die richtige Konzentration hat.
Chancen und Grenzen
Die Vorteile liegen auf der Hand: Immunoassays sind schnell, genau und flexibel. In der Pandemie haben sie gezeigt, was sie können – Antikörpertests auf Corona waren oft Immunoassays. Sie ermöglichen es, viele Menschen in kurzer Zeit zu untersuchen, was bei Infektionswellen entscheidend ist. Auch für die personalisierte Medizin, die in Deutschland immer wichtiger wird, sind sie ein Schlüsselwerkzeug, weil sie individuelle Werte genau messen können.
Aber es gibt auch Grenzen. Nicht jeder Immunoassay ist perfekt – manchmal reagieren Antikörper mit ähnlichen Stoffen und liefern falsche Ergebnisse. Das nennt man Kreuzreaktivität. Außerdem sind sie auf bekannte Stoffe angewiesen: Wenn ein neuer Virus auftaucht, muss erst ein passender Antikörper entwickelt werden. Und bei sehr komplexen Analysen stoßen sie an ihre Grenzen – hier übernimmt oft das Labor mit anderen Methoden.
Blick nach vorn
Die Zukunft der Immunoassays in Deutschland sieht vielversprechend aus. Neue Technologien machen sie noch empfindlicher und schneller. Manche Geräte könnten bald mehrere Stoffe gleichzeitig testen – etwa Hormone und Entzündungswerte in einem Durchgang. Auch die Digitalisierung hilft: Ergebnisse werden direkt ins Krankenhausnetz übertragen, was die Behandlung beschleunigt.
In einem Gesundheitssystem, das auf Qualität und Effizienz setzt, bleibt der Immunoassay ein unverzichtbares Werkzeug. Er bringt die Labormedizin näher an den Patienten, macht Diagnosen präziser und schneller – und sorgt dafür, dass Ärzte fundierte Entscheidungen treffen können. Ob in der Notaufnahme oder beim Hausarzt: Der Immunoassay ist ein stiller Held, der jeden Tag Leben verbessert.
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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