Studie: Vitamin D verlangsamt Krankheitsaktivität der Multiplen Sklerose im Frühstadium

von | März 18, 2025 | Forschung, Gesundheit, Nicht kategorisiert

Cholecalciferol in einer Dosierung von 100.000 IU (internationale Einheiten) alle zwei Wochen zeigte beim klinisch isolierten Syndrom, der Erstmanifestation einer Multiplen Sklerose, einen Effekt, der mit dem einer krankheitsmodifizierenden Immuntherapie vergleichbar ist. Die Studie unterstreicht die Empfehlung, einen Vitamin-D-Mangel bei Menschen mit MS auszugleichen. Experten der DGN warnen jedoch davor, Vitamin D in hohen Dosierungen ohne ärztliche Überwachung einzunehmen.

Eine aktuelle randomisierte, Placebo-kontrollierte, multizentrische Studie aus Frankreich [1] überraschte mit einem positiven Ergebnis. Sie untersuchte die Wirkung von oralem Vitamin D3 (Cholecalciferol) in einer Dosierung von 100.000 IU alle zwei Wochen auf die Krankheitsaktivität bei Patientinnen und Patienten mit sogenanntem klinisch isoliertem Syndrom, dem mutmaßlich ersten Symptom einer Multiplen Sklerose (MS). Personen, deren Vitamin-D-Spiegel über 100 nmol/l lag, wurden aus Sicherheitsgründen nicht in die Studie aufgenommen.

Vitamin D steigerte im Tierversuch auch die Immunresistenz gegen Krebs. Credits: AI prompt by LabNews Media LLC/ ChatGPT-4
Vitamin D steigerte im Tierversuch auch die Immunresistenz gegen Krebs. Credits: AI prompt by LabNews Media LLC/ ChatGPT-4

Insgesamt 316 Personen mit klinisch isoliertem Syndrom (mittleres Alter, 34 [28-42] Jahre; 70 % weiblich) wurden randomisiert, 288 schlossen die Studie ab. Wie sich zeigte, führte die Vitamin-D-Gabe über zwei Jahre zu einer geringeren Krankheitsaktivität, definiert durch das Auftreten von MS-Schüben und/oder neuen oder Kontrastmittel-aufnehmenden Läsionen im MRT. Krankheitsaktivität wurde bei 94 Betroffenen (60,3 %) in der Vitamin-D-Gruppe und bei 109 (74,1 %) in der Placebogruppe beobachtet (HR: 0,66 [95%CI, 0,50-0,87]; p = 0,004). Die mediane Dauer bis zum Auftreten von Krankheitsaktivität war in der Vitamin-D-Gruppe signifikant länger (432 vs. 224 Tage; p = 0,003). Ebenso wiesen die Ergebnisse der Bildgebung auf einen positiven Effekt der Vitamin-D-Gabe hin: Bei nur 89 der behandelten Patientinnen und Patienten [57,1 %] gegenüber 96 der nicht-behandelten [65,3 %] zeigte sich MRT-Aktivität, neue Läsionen traten bei 72 vs. 87 Patientinnen und Patienten auf, Kontrastmittel-aufnehmende Läsionen bei 29 vs. 50.

In einer Subgruppenanalyse wurden aus der Studienpopulation gesondert 247 Personen ausgewertet, welche die McDonald-Diagnosekriterien für eine schubförmig remittierende Multiple Sklerose erfüllten, aber noch keine krankheitsmodifizierende Immuntherapien erhalten hatten. Bei ihnen konnten vergleichbare positive Effekte der Vitamin-D-Gabe beobachtet werden.

„Dieser Befund könnte bedeuten, dass Vitamin D die Krankheitsprogression nicht nur beim klinisch isolierten Syndrom, sondern auch in der Frühphase der MS signifikant verlangsamen kann“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Immerhin wurde in dieser Studie durch die Vitamingabe eine Schubratenreduktion erzielt wie unter einem Immuntherapeutikum. Daher muss dieser Therapieansatz weiter untersucht werden, möglicherweise auch in Kombination mit den etablierten krankheitsmodifizierenden Immuntherapien.“

Die vor wenigen Tagen publizierte S3-Leitinie zur Diagnose und Therapie der MS, NMOSD und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen [2] empfiehlt derzeit die Vitamin-D-Supplementierung nur, wenn ein Mangel besteht. Bei Normalwerten könne aber die Gabe bis in den hochnormalen Bereich von 50-125 nmol/l erwogen werden, die tägliche Dosis sollte dabei aber nicht 4.000 IU überschreiten.

Welche praktische Konsequenz sollten MS-Patientinnen und -Patienten seiner Meinung nach aus der neuen Studie ziehen? „Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich niemandem, der auf eine krankheitsmodifizierende Immuntherapie eingestellt ist, dazu raten, diese wirksame Therapie abzubrechen und auf Vitamin D umzustellen. Eine Vitamin D-Substitution darf auch nicht den Beginn einer Immuntherapie mit dafür zugelassenen Medikamenten verzögern. Die Studie unterstreicht aber klar die Bedeutung einer Vitamin D-Bestimmung zum Krankheitsbeginn, denn Personen mit erniedrigten Vitamin D-Spiegeln profitierten am deutlichsten. Ein Vitamin D-Mangel sollte also ganz unabhängig von anderen therapeutischen Entscheidungen immer ausgeglichen werden.“

Originalpublikation:
doi: 10.1001/jama.2025.1604

Weitere Quellen:

[1] Thouvenot E, Laplaud D, Lebrun-Frenay C et al.; D-Lay MS Investigators. High-Dose Vitamin D in Clinically Isolated Syndrome Typical of Multiple Sclerosis: The D-Lay MS Randomized Clinical Trial. JAMA. 2025 Mar 10. doi: 10.1001/jama.2025.1604. Epub ahead of print. PMID: 40063041.

[2] Hemmer B., Gehring K. et al. Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2024, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 13.03.2025)

[3] Butzkueven H, Ponsonby AL, Stein MS et al.; PREVANZ Investigators. Vitamin D did not reduce multiple sclerosis disease activity after a clinically isolated syndrome. Brain. 2024 Apr 4;147(4):1206-1215. doi: 10.1093/brain/awad409. PMID: 38085047; PMCID: PMC10994527.

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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