Weltweit erste CAR-T-Zelltherapie bei Autoimmunneuropathie erfolgreich in Bochum angewendet

von | Juni 18, 2025 | Forschung, Gesundheit

Ein Ärzteteam der Universitätsmedizin der Ruhr-Universität Bochum hat einen bahnbrechenden Erfolg in der Behandlung schwerer Autoimmunerkrankungen erzielt. Erstmals weltweit wurde die CAR-T-Zelltherapie in einer klinischen Studie eingesetzt, um zwei Patienten mit Chronisch inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie (CIDP) zu behandeln, einer seltenen Erkrankung des peripheren Nervensystems. Die Ergebnisse, veröffentlicht am 17. Juni 2025 in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Neurology, markieren einen Meilenstein in der Neuroimmunologie und eröffnen neue Perspektiven für Patienten mit therapieresistenten Verläufen.

Die CIDP ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch eine fehlgesteuerte Immunreaktion gegen die Myelinschicht der peripheren Nerven gekennzeichnet ist. Sie führt zu Lähmungen, Gefühlsstörungen und in schweren Fällen zur völligen Gehunfähigkeit oder sogar lebensbedrohlichen Zuständen. Mit einer Prävalenz von zwei bis fünf Erkrankten pro 100.000 Menschen stellt die CIDP eine Herausforderung für die Medizin dar, insbesondere wenn herkömmliche Therapien wie Immunglobuline oder Kortikosteroide versagen. Die CAR-T-Zelltherapie, ursprünglich in der Krebsmedizin etabliert, wurde bislang nicht systematisch bei neurologischen Autoimmunerkrankungen untersucht. Die Bochumer Studie schließt diese Lücke und zeigt erstmals, dass die Methode auch bei schweren Formen der CIDP wirksam ist.

Bochumer Medizinerteam: Roland Schroers, Ralf Gold und Jeremias Motte | Copyright: KKB gGmbH
Bochumer Medizinerteam: Roland Schroers, Ralf Gold und Jeremias Motte | Copyright: KKB gGmbH 

Für die Studie entnahmen die Mediziner den beiden Patienten Blut mittels Leukapherese, um T-Immunzellen zu isolieren. Diese wurden in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Unternehmen gentechnisch verändert, indem virale Vektoren spezifische Rezeptoren in die Zellen einschleusten. Diese sogenannten chimären Antigenrezeptoren (CAR) befähigen die T-Zellen, krankheitsverursachende B-Zellen, die das Nervensystem angreifen, gezielt zu erkennen und zu eliminieren. Jeder Patient erhielt eine individuell angepasste Infusion seiner modifizierten CAR-T-Zellen, die anschließend unter strenger Überwachung auf einer Intensivstation verabreicht wurde.

Die Therapie zeigte beeindruckende Ergebnisse: Bereits wenige Tage nach der Infusion verschwanden die krankheitsverursachenden B-Zellen vollständig aus dem Blutkreislauf. Gleichzeitig verbesserten sich die klinischen Symptome der Patienten signifikant. Einige konnten sich erstmals seit Jahren wieder sicher fortbewegen. Objektive Messungen, darunter klinische Scores und neurophysiologische Untersuchungen, zeigten Verbesserungen von teilweise über 200 Prozent. Bemerkenswert ist, dass nach der einmaligen Behandlung keine weiteren Immuntherapien erforderlich waren, was die Nachhaltigkeit der Methode unterstreicht.

Die Behandlung war nicht frei von Nebenwirkungen. Zwischen dem vierten und zehnten Tag nach der Infusion traten mäßige Entzündungsreaktionen auf, die durch den Zelltod der B-Zellen und die Freisetzung von Zytokinen verursacht wurden. Diese Reaktionen, darunter Fieber oder grippeähnliche Symptome, wurden jedoch durch etablierte Immunmedikamente schnell und effektiv kontrolliert. Die Bochumer Mediziner überwachten täglich die Vermehrung der CAR-T-Zellen sowie die Abnahme der B-Zellen im Blut, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Die Behandlung fand in einem hochstrukturierten Setting statt, wie es für individuelle Heilversuche üblich ist.

Original Paper:

CD19-targeted CAR T-cell therapy for treatment-refractory autoimmune neuropathies – The Lancet Neurology

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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