Studie: Auch Stammzellen besitzen Oberflächenproteine zur Hemmung von Entzündungsreaktionen

von | März 24, 2025 | Forschung, Gesundheit

Ein internationales Forschungsteam, geleitet von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Frankfurt und der Goethe-Universität, hat bahnbrechende Erkenntnisse über die Entwicklungswege menschlicher Blutzellen gewonnen. Die Studie offenbarte eine unerwartete Eigenschaft von Stammzellen: Auch sie besitzen spezielle Oberflächenproteine, die in der Lage sind, körpereigene Entzündungs- und Abwehrreaktionen zu hemmen. Diese Entdeckung könnte weitreichende Auswirkungen auf die Stammzelltherapie haben, insbesondere bei der Behandlung von Leukämien durch Stammzelltransplantationen.

 Stammzellen sind für eine Vielzahl medizinischer Anwendungen relevant. Z.B. werden sie seit über 55 Jahren bei Krebserkrankungen eingesetzt, insbesondere bei Leukämien, Lymphomen und dem Multiplen Myelom. (Credits: pixabay)

Pro Sekunde bildet ein erwachsener Mensch rund fünf Millionen neue Blutzellen, die alternde, absterbende Zellen ersetzen. Damit ist das Blutsystem ein hochregeneratives Organ. Die neuen Blutzellen werden im Knochenmark aus unspezialisierten Zellen gebildet, den Blutstammzellen. Aus diesen Stammzellen entwickeln sich über Zwischenstufen die Sauerstoff transportierenden Erythrozyten, die für die Blutgerinnung wichtigen Thrombozyten und die große Gruppe der weißen Blutzellen, die die Immunabwehr orchestrieren. Dieser Prozess wird Differenzierung genannt und muss so ablaufen, dass neue Blutzellen in einem ausgewogenen Verhältnis zu reifen Zellen aller Blutzelltypen entstehen.

Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen der Universitätsmedizin Frankfurt/Goethe-Universität, der Universität Göteborg und der Universitätsklinik Pamplona konnte jetzt unter der Leitung von Prof. Michael Rieger von der Medizinischen Klinik 2 der Universitätsmedizin Frankfurt Differenzierungswege menschlicher Blutstammzellen in alle spezialisierte Blutzelltypen molekular entschlüsseln. Dabei bestimmte das Forschungsteam das Gen- und Proteinmuster von mehr als 62.000 einzelnen Zellen mittels modernster Sequenziermethoden und analysierte die dadurch gewonnenen Daten mit Hilfe von Hochleistungsrechnern.

„So haben wir einen Überblick der molekularen Vorgänge in Stammzellen erhalten und neue Oberflächenproteine entdeckt, die für die komplexe Interaktion von Stammzellen mit ihrer Knochenmarkumgebung wichtig sind,“ erklärt Rieger. „Das gibt uns einen detaillierten Einblick, was genau eine Zelle zur Stammzelle macht und welche Gene die Stammzelldifferenzierung organisieren. Diese neu etablierte Zukunftstechnologie in meinem Labor wird bisher ungelöste Fragen in vielen Bereichen der Gesundheitsforschung mit enormer Präzision beantworten können.“

Dabei förderten die Wissenschaftler Überraschendes zutage: „Wir haben ein Protein namens PD-L2 an der Zelloberfläche von Blutstammzellen gefunden, von dem wir wissen, dass es die Immunantwort von Abwehrzellen – T Zellen – unterdrückt, indem es deren Aktivierung und Vermehrung stoppt und die Ausschüttung von Entzündungsstoffen – Zytokinen – verhindert,“ fasst die Erstautorin der Studie, die Doktorandin Tessa Schmachtel, die wichtigsten Ergebnisse der Publikation zusammen.

Wahrscheinlich diene PD-L2 dazu, immunvermittelte Schäden zu verhindern, so die Biologin. „Dies ist besonders wichtig für die Abwehr von reaktiven T Zellen gegen körpereigene Stammzellen und wird auch bei Transplantationen von Stammzellen von Fremdspendern eine wichtige Rolle spielen. Denn über PD-L2 könnten Abwehrreaktionen des Körpers gegen die transplantierten Stammzellen verringert werden.“

Rieger ist überzeugt: „Nur durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzte, Naturwissenschaftler und Bioinformatiker, wie sie an der Universitätsmedizin Frankfurt gelebt wird, und durch die Etablierung internationaler Verbünde können neue, bahnbrechende Entdeckungen verwirklicht werden.“

Originalpublikation

Hana Komic, Tessa Schmachtel, Catia Simoes, Marius Külp, Weijia Yu, Adrien Jolly, Malin S. Nilsson, Carmen Gonzalez, Felipe Prosper, Halvard Bonig, Bruno Paiva, Fredrik B. Thorén, Michael A. Rieger: Continuous map of early hematopoietic stem cell differentiation across human lifetime. Nature Communications 16, Article number: 2287 (2025)

Lesen Sie auch

Bluttest nach der Behandlung könnte künftige Entscheidungen zur Krebstherapie beeinflussen – MedLabPortal

Fraunhofer-Durchbruch: Automatisierte Langzeitkultivierung von Stammzellen gelungen – MedLabPortal


Redaktion: X-Press Journalistenbürö GbR

Gender-Hinweis. Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Doppel/Dreifachnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.