Potenzieller Durchbruch in der Behandlung von Eierstockkrebs
Ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und Prof. Ernst Lengyel von der University of Chicago hat einen bedeutenden Fortschritt im Verständnis und in der potenziellen Behandlung des niedriggradigen serösen Ovarialkarzinoms (LGSC) erzielt. Diese seltene Form von Eierstockkrebs, die etwa fünf bis zehn Prozent der epithelialen Ovarialkarzinome ausmacht, betrifft vor allem jüngere Frauen und ist weitgehend resistent gegen herkömmliche Chemotherapien. Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Cancer Cell“, liefert neue Einblicke in die Tumorentwicklung und schlägt eine vielversprechende Therapiestrategie vor, die die Tumorlast in präklinischen Modellen signifikant reduzierte.
Die Wissenschaftler kombinierten dazu die innovative Deep Visual Proteomics-Technologie mit räumlicher Transkriptomik, um die molekularen Mechanismen zu entschlüsseln, die gutartige seröse Borderline-Tumoren in invasive, metastasierende Karzinome umwandeln. Diese Borderline-Tumoren, die häufig operativ erfolgreich behandelt werden, können in einigen Fällen als LGSC wiederkehren und dann lebensbedrohlich werden. Bisher waren die Prozesse, die diesen Übergang steuern, weitgehend ungeklärt. Durch die Analyse von Gewebeproben aus verschiedenen Krankheitsstadien – von gutartigen Tumoren über mikropapilläre Zwischenstadien bis hin zu invasiven LGSC und deren Metastasen – konnte das Team detaillierte molekulare Karten erstellen.

Mittels hochpräziser Lasermikrodissektion wurden Tumorzellen und Zellen der Tumorumgebung isoliert. Durch maschinelles Lernen und ultrahochsensitive Massenspektrometrie wurden Proteinsignaturen für jeden Zelltyp erstellt, die Aufschluss über die zugrunde liegenden biologischen Prozesse geben. Die Deep Visual Proteomics-Technologie ermöglichte die Kartierung tausender Proteine mit Einzelzellauflösung, während die Integration räumlicher Protein- und RNA-Analysen veränderte Signalwege im Tumorgewebe lokalisierte. Diese Analysen enthüllten, wie Tumorzellen mit ihrer Umgebung interagieren und wiesen auf frühe Anzeichen eines bösartigen Verlaufs in mikropapillären Tumoren hin.
Ein zentrales Ergebnis der Studie war die Identifikation neuer molekularer Akteure, die die Tumorprogression antreiben. Besonders auffällig war das Protein NOVA2, das ausschließlich in invasiven Tumoren und Metastasen nachweisbar war, während es in gutartigen Tumoren fehlte. Dieses Protein könnte einen molekularen Schalter darstellen, der die Invasion der Tumorzellen fördert. Weitere Proteine wurden als Marker für die Tumorentwicklung identifiziert. In Experimenten mit menschlichen Zellkulturen und künstlichen Wachstumsumgebungen zeigte sich, dass die Entfernung dieser Proteine die Vermehrung und das Eindringen der Tumorzellen in gesundes Gewebe erheblich einschränkte.
Auf Basis der molekularen Daten wurden 16 potenzielle Wirkstoffziele identifiziert und in Zellmodellen getestet. Eine neuartige Kombinationstherapie aus Milciclib, das die Zellvermehrung hemmt, und Mirvetuximab, das gezielt toxische Substanzen an Tumorzellen mit FOLR1-Protein auf der Oberfläche liefert, zeigte in Mausmodellen bemerkenswerte Ergebnisse. Die Behandlung reduzierte die Tumorlast signifikant und bietet Hoffnung für Patienten mit dieser chemoresistenten Krebsform, für die derzeit nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten existieren. Anders als hochgradige Ovarialkarzinome wächst LGSC langsam, dringt jedoch tief in gesundes Gewebe ein, was zu späten Rückfällen führt.
Die Ergebnisse markieren einen wichtigen Schritt im Verständnis der komplexen Biologie von LGSC und unterstreichen das Potenzial räumlicher Omics-Technologien für die Krebsforschung. Obwohl weitere klinische Studien notwendig sind, um die Sicherheit und Wirksamkeit der vorgeschlagenen Therapie zu bestätigen, könnte dieser Ansatz die Behandlungsperspektiven für betroffene Patienten erheblich verbessern. Die Studie zeigt, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit und innovative Technologien neue Wege in der Bekämpfung schwer behandelbarer Krebserkrankungen eröffnen können.
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