Mit besserem Geschmack durch die Tumortherapie
Krebspatienten, die sich einer Tumortherapie unterziehen, leiden häufig an Geschmacksstörungen, die den Ernährungszustand beeinträchtigen und im schlimmsten Fall zum Abbruch lebensverlängernder Therapien führen. Unter der Leitung von Professor Dr. Alexander Hann und Dr. Anna Fleischer vom UKW wollen die sechs Universitätskliniken in Bayern mit maßgeschneiderten Ernährungsinterventionen die Geschmackswahrnehmung in der Onkologie optimieren. Das auf KI basierende Projekt Gustabor wird vom BZKF im Rahmen der Ausschreibung zur tertiären Prävention mit 467.480 € über zwei Jahre ab Januar 2025 gefördert.
Erst kürzlich zeigte eine französische Studie, dass 98 Prozent aller Krebspatientinnen und Krebspatienten durch ihre Chemotherapie unter Geschmacksveränderungen leiden. Obwohl Geschmacksveränderungen bei Chemo- und Immuntherapien mit einer Vielzahl negativer Folgen wie Mangelernährung und verminderter Therapietreue verbunden sind, werden sie immer noch unterschätzt.
Dr. Anna Fleischer von der Abteilung für Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) hat deshalb zunächst gemeinsam mit Oberarzt Professor Dr. Leo Rasche und der Doktorandin Magdalena Roll die Geschmacksstörungen unter der Antikörpertherapie mit Talquetamab systematisch untersucht. Das Ergebnis: Die Patienten nehmen den Geschmack unterschiedlich wahr. Bei manchen schmeckt alles bitter oder metallisch, andere können Süßes oder Salziges nicht mehr unterscheiden. So entstand die Idee für Gustabor – eine Plattform, die Geschmacksprofile erstellt und personalisierte Ernährungsempfehlungen gibt. Sie soll helfen, spezifische Geschmacksstörungen, die während der Tumortherapie auftreten, zu lindern.
Für das Projekt holte Anna Fleischer zunächst den Würzburger Gastroenterologen und KI-Experten Prof. Dr. Alexander Hann mit ins Boot sowie die Ernährungsberaterin Constanze Wolz vom UKW, die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Nicole Erickson vom LMU Klinikum und weitere Expertinnen und Experten aus dem Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Universitätsklinikum Regensburg. Gemeinsam mit Patientenvertretungen wollen die drei Unikliniken im ersten Projektjahr sämtliche bereits bekannte Maßnahmen und Tipps bei Geschmacksstörungen aus rund 200 nicht-pharmakologischen Studien herausfiltern und die Internetplattform Gustabor mit 500.000 Rezepten und lebensmittelspezifischen Informationen sowie entsprechenden Such- und Filterfunktionen aufbauen.
Im zweiten Projektjahr werden die anderen drei bayerischen Unikliniken in Augsburg und Erlangen sowie das TUM Universitätsklinikum rechts der Isar involviert. Schließlich sollen an allen sechs bayerischen Uniklinik-Standorten in einer randomisierten Studie die Maßnahmen bei Patienten entsprechend ihres zuvor erstellen Geschmacks- und Ernährungsprofils angewendet und evaluiert werden.
Das Projekt wird ab Januar 2025 zwei Jahre lang vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) im Rahmen der Ausschreibung zur sogenannten tertiären Prävention mit 467.480 Euro gefördert. Tertiäre Prävention bezeichnet Maßnahmen, die darauf abzielen, die Folgen einer bereits bestehenden Krankheit zu minimieren, Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
„Unser Ziel ist es, dass Gustabor mittels verschiedener Algorithmen auf Basis des Geschmacksprofils einen Katalog mit maßgeschneiderten Ernährungsvorschlägen generiert, die der Patientin oder dem Patienten wirklich schmecken und helfen“, erklärt Alexander Hann. Die KI baut der Mediziner gemeinsam mit Informatikern auf. Neben dem objektiv erstellten Geschmacksproblem werden im anonymisierten Profil Punkte wie Alter, Geschlecht, Gewicht, Tumorart, Behandlung, Ernährungsvorlieben, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -abneigungen berücksichtigt. Ergänzend zu den 500.000 Rezepten, die eine KI mit Wort und Bild überarbeitet hat, fließen Tabellen und Skalen ein, die Auskunft darüber geben, welche Stoffe in welchen Lebensmitteln enthalten sind, und wie sie in verschiedenen Zuständen schmecken. Eine frische Aprikose schmeckt zum Beispiel anders als gepresst oder gekocht.
Manche Maßnahmen seien auch gar nicht rezeptspezifisch, so Anna Fleischer. Der Geschmack hänge oft auch vom Ambiente ab. So hat es sich bei Krebspatienten bewährt, während des Essens Ablenkung zu suchen und mit der Familie oder mit Freunden zu essen statt allein. Erhebungen ergaben, dass Menschen bei Jazzmusik tendenziell mehr und bei Rapmusik weniger essen. Schwarze und violette Farbtöne werden beim Essen mit Schimmel assoziiert und lösen Ekel aus, während orange Farbtöne an frisches Obst erinnern und den Appetit anregen.
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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