MenstruAI: Binde ermöglicht Gesundheitsüberwachung über Menstruationsblut

von | Juni 4, 2025 | Forschung, Gesundheit, Nicht kategorisiert

Forschende der ETH Zürich haben eine bahnbrechende Technologie entwickelt, die es ermöglicht, Gesundheitsdaten direkt aus Menstruationsblut zu gewinnen – und zwar mithilfe einer handelsüblichen Binde. Das System namens MenstruAI nutzt einen integrierten, nicht-elektronischen Sensor, um Biomarker zu erkennen, die Hinweise auf Erkrankungen wie Endometriose oder Eierstockkrebs geben können. Diese nicht-invasive Methode verspricht, die Gesundheitsüberwachung von Frauen im Alltag zu revolutionieren, indem sie einfach, kostengünstig und zugänglich ist. Die Entwicklung markiert einen wichtigen Schritt in der frauenspezifischen Medizin, die laut den Forschenden lange vernachlässigt wurde.

Menstruationsblut wurde in der Medizin bisher kaum beachtet und meist als Abfall betrachtet. Dabei enthält es Hunderte von Proteinen, deren Konzentrationen oft mit denen im venösen Blut vergleichbar sind. Bestimmte Krankheiten, darunter Tumore oder chronische Erkrankungen, verändern die Konzentration dieser Proteine, sogenannter Biomarker, die frühzeitig auf gesundheitliche Probleme hinweisen können. Die ETH-Forschenden konzentrieren sich zunächst auf drei Biomarker: das C-reaktive Protein (CRP) als Indikator für Entzündungen, den Tumormarker CEA, der bei Krebsarten erhöht sein kann, und CA-125, ein Protein, das mit Endometriose und Eierstockkrebs in Verbindung steht. Weitere Biomarker werden derzeit untersucht, um das Spektrum der erkennbaren Gesundheitsaspekte zu erweitern.

Die Funktionsweise von MenstruAI ist verblüffend einfach und orientiert sich an bekannten Schnelltests, wie sie etwa bei Covid-Tests verwendet werden. Ein papierbasierter Teststreifen, eingebettet in eine flexible Silikonkammer innerhalb der Binde, reagiert mit spezifischen Antikörpern auf die Biomarker im Menstruationsblut. Bei Kontakt entsteht ein Farbstreifen, dessen Intensität von der Konzentration des jeweiligen Proteins abhängt. Eine kontrollierte Blutmenge gelangt dabei präzise zum Sensor, wodurch Verfälschungen vermieden werden. Die Ergebnisse können entweder visuell abgelesen oder mit einer speziellen Smartphone-App analysiert werden, die mithilfe maschinellen Lernens die Farbintensität genau auswertet und objektive Messwerte liefert.

Die Technologie, die in der Binde integriert wurde, funktioniert ohne Laborgeräte. Symbolbild. Credits: Pexels Foto von Photo By: Kaboompics.com
Die Technologie, die in der Binde integriert wurde, funktioniert ohne Laborgeräte. Symbolbild. Credits: Pexels Foto von Photo By: Kaboompics.com

Die Handhabung ist unkompliziert: Die Binde wird wie gewohnt getragen, nach Gebrauch wird ein Foto mit dem Smartphone aufgenommen, und die App liefert die Auswertung. Diese einfache Methode soll es Frauen ermöglichen, ihren Gesundheitszustand regelmäßig und ohne großen Aufwand zu überwachen. MenstruAI ist so konzipiert, dass es auch in Regionen mit eingeschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung eingesetzt werden kann, da es ohne teure Laborgeräte auskommt und kostengünstig produziert werden soll.

Eine erste Machbarkeitsstudie mit Freiwilligen hat die Funktionalität der Technologie bestätigt. Nun planen die Forschenden eine größere Feldstudie mit über hundert Teilnehmerinnen, um die Alltagstauglichkeit unter realen Bedingungen zu testen und die Ergebnisse mit etablierten Labormethoden zu vergleichen. Ein zentraler Aspekt der weiteren Entwicklung ist die Berücksichtigung der biologischen Vielfalt des Menstruationsbluts, das je nach Zyklustag und Person variiert. Diese Unterschiede müssen genau analysiert werden, um die Technologie klinisch validieren zu können. Zudem werden regulatorische Anforderungen wie die Biokompatibilität der Materialien geprüft, wobei die verwendeten Stoffe als sicher gelten.

Die Forschenden arbeiten zudem mit Designexperten der Zürcher Hochschule der Künste zusammen, um die Nutzerfreundlichkeit zu optimieren und mögliche Hemmschwellen abzubauen. Ziel ist es, die Technologie nicht nur technisch, sondern auch sozial akzeptabel zu gestalten, um eine breite Anwendung zu fördern. Die Entwicklung von MenstruAI ist nicht nur ein technologischer Fortschritt, sondern auch ein gesellschaftliches Statement. Die Forschenden kritisieren, dass die Gesundheit von Frauen in der Medizin systematisch unterbeleuchtet wurde und Menstruation oft als Tabuthema gilt. Selbst im akademischen Umfeld stießen sie auf Vorbehalte, die ihre Idee als unpraktisch oder unangenehm abtaten.

MenstruAI soll kein Ersatz für ärztliche Diagnosen sein, sondern als Frühwarnsystem dienen, das Frauen dazu ermutigt, bei auffälligen Werten medizinischen Rat einzuholen. Langfristig könnte die Technologie helfen, Gesundheitsverläufe zu dokumentieren und Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Die Forschenden sehen in MenstruAI einen Beitrag zu einem gerechteren Gesundheitswesen, das die Bedürfnisse von Frauen stärker berücksichtigt. Mit der geplanten Feldstudie und der weiteren Erforschung zusätzlicher Biomarker steht MenstruAI vor dem nächsten Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Marktzulassung.

Original Paper:

Dosnon L, Rduch T, Meyer Ch, Herrmann IK: A wearable in-pad diagnostic for the detection of disease biomarkers in menstruation blood, Advanced Science (2025), doi: 10.1002/advs.202505170

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Redaktion: X-Press Journalistenbürö GbR

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