GKV-Arzneimittelkosten: Anstieg um 74 Prozent in den letzten zehn Jahren
Die Nettoausgaben für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung sind im Jahr 2023 auf einen neuen Höchststand von 54,0 Milliarden Euro gestiegen. Damit liegen die Arzneimittelkosten um 74,0 Prozent höher als vor zehn Jahren. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands hat im selben Zeitraum lediglich um 40,2 Prozent zugenommen.
Die deutlichen Ausgabensteigerungen bei Arzneimitteln liegen laut der aktuellen Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) vor allem in der Preisentwicklung patentgeschützter Arzneimittel begründet. Auf diese entfallen demnach mehr als die Hälfte der Ausgaben, gleichzeitig decken sie aber einen immer geringeren Versorgungsanteil ab: Nach verordneten Tagesdosen lag dieser im Jahr 2023 bei 6,7 Prozent. Im Jahr 2014 waren es noch 11,4 Prozent. Das entspricht einem Rückgang von über 40 Prozent in den letzten zehn Jahren.
Während die Nettokosten der Arzneimittel im Gesamtmarkt in den letzten zehn Jahren um 74,0 Prozent von 31,0 auf 54,0 Milliarden Euro gestiegen sind, hat die Anzahl der Verordnungen lediglich um 13,2 Prozent von 651,5 auf 737,3 Millionen zugenommen. „Dieser Trend ist ungebrochen und kann weder durch den knapp 6-prozentigen Anstieg der GKV-Versichertenzahl noch durch die Zunahme der Verordnungsmenge um 13 Prozent erklärt werden“, so WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Die Ursache liegt laut Einschätzung des WIdO vor allem in den gestiegenen Arzneimittelpackungs-Preisen. So betrug im Jahr 2023 der durchschnittliche Preis je verordneter Arzneimittelpackung 73,18 Euro. Im Jahr 2014 waren es 47,60 Euro. Dies entspricht einer Steigerungsrate von 54 Prozent in den letzten zehn Jahren.
Kostentreiber patentgeschützte Arzneimittel
Kostentreiber seien weiterhin vor allem die patentgeschützten Arzneimittel, für die im Jahr 2023 mehr als jeder zweite Euro der Arzneimittelkosten (53 Prozent) ausgegeben wurde – bei einer nur geringen Verordnungsabdeckung von 6,7 Prozent, gemessen an den verordneten Tagesdosen. So kostete 2014 eine Packung eines patentgeschützten Arzneimittels im Durchschnitt 190,06 Euro; 2023 lagen die Kosten mit 587,72 Euro mehr als dreimal so hoch. Die Steigerung bei den durchschnittlichen Packungspreisen für Arzneimittel, deren Patentschutz abgelaufen ist und die damit auch als Generika verfügbar sind, lag in den letzten zehn Jahren bei 31,0 Prozent. Im generikafähigen Marktsegment kostete eine Arzneimittelpackung 2023 durchschnittlich 34,85 Euro (2014: 26,60 Euro). Patentgeschützte Arzneimittel haben damit 2023 im Schnitt knapp 17-mal so viel gekostet wie Arzneimittel im generikafähigen Markt – 2014 betrug der durchschnittliche Preis „nur“ das Siebenfache.
Hochpreisige Arzneimittel
Die Kosten- und Marktdynamik bei den hochpreisigen Arzneimitteln zeige sich noch an anderen Kennzahlen: Unter den mehr als 63.000 verschiedenen Arzneimitteln, die im Jahr 2023 für die Versorgung von GKV-Versicherten eingesetzt wurden, befinden sich Medikamente, die einen Apothekenverkaufspreis von mindestens 1.000 Euro haben. Diese „Hochpreiser“ nehmen laut WIdO-Analyse immer größere Umsatzanteile ein. Die Folge sei, dass zunehmend mehr Geld für die Versorgung von wenigen Patientinnen und Patienten aufgewendet werde. Während 2014 nur etwas mehr als jeder vierte Euro (27,6 Prozent) des Gesamtumsatzes auf Arzneimittel mit Preisen von 1.000 Euro oder mehr entfiel, war es 2023 knapp jeder zweite Euro (47,6 Prozent), so die Studie.
Damit haben sich dem Papier zufolge die Umsätze der „Hochpreiser“ in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Zugleich erreichten diese Arzneimittel aber nur einen Anteil von 1,5 Prozent an den 692 Millionen Verordnungen verschreibungspflichtiger Medikamente im Jahr 2023. Ein ähnliches Bild zeige sich auch bei den noch teureren Medikamenten mit Packungspreisen jenseits von 5.000 Euro und mehr.
„Im laufenden Jahr 2024 nimmt der Ausgabenanstieg noch an Fahrt auf: Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sollte den Kostendruck lindern, doch der erwartete Effekt blieb aus. Die Ausgaben stiegen im ersten Halbjahr 2024, auch bedingt durch die Rückführung eines verringerten Herstellerabschlags, um über 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht“, betont Helmut Schröder.
„Es ist höchste Zeit, dass die Politik entschiedene Maßnahmen ergreift, um die Preisgestaltung bei Markteinführungen stärker zu regulieren statt wie im Falle der Geheimpreise den Wünschen der pharmazeutischen Industrie zu folgen. Ohne konsequentere Regulierungen riskieren wir, dass lebenswichtige Innovationen zwar entwickelt, aber unerschwinglich werden. Die Bezahlbarkeit neuer Arzneimittel stößt an Grenzen – das Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung darf nicht überfordert werden.“
Original Paper:
Der GKV-Arzneimittelmarkt: Klassifikation, Methodik und Ergebnisse 2024
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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