Evonik: Modell des Hautmikrobioms ermöglicht wirklichkeitsnahe Labortests
Evonik hat ein neues Hautmikrobiom-Modell entwickelt. Der Clou: Das Modell erlaubt erstmals, den Einfluss von kosmetischen Inhaltsstoffen und Produkten auf die Hautmikroben wissenschaftlich fundiert im Laborversuch zu bewerten. Derzeit testet das Unternehmen kosmetische Inhaltsstoffe im eigenen Produkt-Portfolio, um evidenzbasierte Aussagen zur Mikrobiom-Freundlichkeit treffen zu können. Kosmetikhersteller und Verbraucher sind zunehmend an wissenschaftlichen Belegen zur Wirkung von Kosmetika interessiert. Zudem schafft Evonik mit den Daten auch die Grundlage für die Entwicklung noch besserer kosmetischer Inhaltsstoffe.
Das Hautmikrobiom – also die Gesamtheit aller dort vertretenen Bakterien, Pilze und Viren – variiert von Mensch zu Mensch. Es unterliegt vielen internen und externen Einflussfaktoren: von der Ernährung bis zur Sonneneinstrahlung. Das Auftreten bestimmter Bakterienklassen ist für bestimmte Hautzonen charakteristisch, die sich als ölig, feucht oder trocken beschreiben lassen.
„Viele moderne Kosmetika werben mit dem Versprechen, ‚mikrobiom-freundlich‘ zu sein“, sagt Stefan Pelzer, bei Evonik verantwortlich für die Mikrobiomforschung. „Die aktuell dafür verwendeten Tests können die volle Komplexität des Hautmikrobioms jedoch gar nicht vollständig abbilden.“ In der Regel werde derzeit geschaut, wie sich die Inhaltsstoffe eines Kosmetikproduktes auf einzelne Bakterienarten auswirken. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen den Mikroorganismen bleiben dabei außer Acht.
Mit dem neuen Hautmikrobiom-Modell nimmt Evonik hingegen im Labor genau diese Wechselwirkungen und gegenseitigen Abhängigkeiten in den Blick. Dazu werden acht bis zehn typische Hautbewohner co-kultiviert. Das bedeutet, die Bedingungen sind so gewählt, dass alle Bakterienarten wachsen und interagieren können – eine besondere Stärke der neuen Herangehensweise.
Als Messgrößen dienen die Zu- oder Abnahme der Biomasse sowie die Veränderung der Diversität in den Kulturen jeweils im Vergleich mit und ohne Testsubstanz. Anschließend folgt anhand einer Bewertungsmatrix als ‚mikrobiom-fördernd‘, ‚mikrobiom-freundlich‘, ‚mikrobiom-verändernd‘ oder ‚mikrobiom-störend‘ die Einstufung. Dabei gilt jede gravierende Veränderung der Bakterienvielfalt grundsätzlich als negativ, weil die Schutzfunktion des Hautmikrobioms auf dem natürlichen Gleichgewicht der Mikroorganismen beruht.
Der Mikrobenmix wächst in Mikrotiterplatten. In diesen standardisierten Gefäßen können bis zu 48 individuelle Proben zugleich untersucht werden – und das quantifizierbar und günstiger als mit bisherigen Methoden. Pelzer sagt: „Mit dem neuen Modell schließen wir die Lücke zwischen den simplen, jedoch weniger aussagekräftigen klassischen In-vitro-Tests und den aufwändigen In-vivo-Studien an Probanden.“
Neben dem Co-Kultur-Modell für eine balancierte Haut hat das Team um Stefan Pelzer auch schon eines für Akne-anfällige Haut entwickelt. Weitere Modelle sollen gemeinsam mit Kunden aus der Kosmetikindustrie aufgebaut werden. Auch an einer weiteren Steigerung der Komplexität wird bereits gearbeitet. Möglich wäre etwa, die bakteriellen Co-Kulturen mit Gewebe- und Zellkulturmodellen zu kombinieren. Denn Mikroorganismen interagieren nicht nur miteinander, sondern auch mit den Hautzellen, wie Pelzer erklärt.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind laut Evonik für einen großen Markt von Relevanz. Den weltweiten Einzelhandelsumsatz mit Kosmetik- und Pflegeprodukten schätzen Experten in diesem Jahr auf rund 460 Milliarden Dollar. 2027 sollen es bereits etwa 580 Milliarden Dollar sein. Dafür sind wissenschaftlich belegte Wirkversprechen entscheidend. Jeder zweite jüngere Verbraucher informiert sich vorab ausführlich über Inhaltsstoffe und Vorteile der Produkte, zeigt eine aktuelle Studie.
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