VORGESTELLT: Maike Frye und die drei R

von | Jul 4, 2024 | Allgemein, Forschung, Nachhaltigkeit

Mit der neuen Professur sollen Impulse für die Weiterentwicklung von Ersatzmethoden zu Tierversuchen, beispielsweise von Zellkultur-Verfahren (In-Vitro-Verfahren), Computersimulationen, Bildgebungsverfahren und Organoiden, gesetzt werden. Tatsächlich begeistert die neu geschaffene Professur nicht nur die Forschende selbst, sondern auch die Politik. Denn das Thema verspricht neben handfesten Forschungsergebnissen auch die eine oder andere Stimme an der Wahlurne – vor allem junge Menschen, die Wissenschaft kritisch hinterfragen, dürften mit dem Hamburger Vorstoß zufrieden sein.

„Fortschritt in der Medizin und verstärkter Tierschutz müssen zusammen gedacht werden. Deshalb gilt es, alternative Forschungsmethoden zu fördern und weiterzuentwickeln. Denn in Zukunft wollen wir schwere und tödliche Erkrankungen mit Methoden heilen, die – wo immer möglich – mit Ersatz-Testverfahren entwickelt wurden. In Hamburg haben wir mit der Einrichtung der 3R-Professur zur Erforschung von Ersatzmethoden für Tierversuche am UKE ein wichtiges Zeichen gesetzt”, verkündete daher Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin sowie Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke in Hamburg,

Tatsächliche verkörpert Frye eine neue Generation in der Biomedizin. Sie ist mit 38 Jahren einerseits jung, und somit offen für neue Umgangsformen in der Wissenschaftskommunikation. Wer sie kontaktiert, erhält bei ernstgemeinten und seriösen Fragen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Antwort.

Das macht die Forschende sympathisch – und Wissenschaft nahbar. 

Andererseits weist sie mit ihren 38 Jahren eine Expertise auf, die sich anhand der Karrierestufen nur erahnen lässt:

Sie studierte molekulare Biomedizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und am Victor-Chang Cardiac Research Institute Sydney (Australien). 2013 provierte sie am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster, wechselte 2014 als Postdoktorandin ins Lymphatic Development Laboratory der Universität Uppsala (Schweden). Seit 2018 ist sie im UKE als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Arbeitsgruppenleiterin im Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin tätig.

Und seit Januar Deutschlands erste und einzige 3R-Professorin. Soweit die Kurzversion.

Zellkulturverfahren anstatt Tierversuche

Die Frage aber, um die es eigentlich geht, lautet: Was verbirgt sich hinter den drei R?  Die 3R fungieren irgendwie als die drei Fragezeichen – oder aber als Frage für Günther Jauchs Redaktionsteam bei “Wer wird Millionär?”. 

Die Uniklinik selbst erklärt Fryes Wirken in einfachen Sätzen: “Frye entwickelt mit ihrer Arbeitsgruppe Vascular Biology neuartige Hydrogeltechniken für Kultursysteme von menschlichen Zellen. Damit sollen Gewebeumgebungen von Endothelzellen (die innerste Schicht von Blut- und Lymphgefäßen) nachgebildet werden – ähnlich wie im menschlichen Körper. So sollen künftig Krankheitsprozessen der Gefäße in Kulturschalen (In-Vitro-Analysen) ermöglich werden. Dieses Verfahren ermöglicht es, Tierversuche zu reduzieren und zu ersetzen”.

Und Frye selbst? 

„Dieser alternative Forschungsansatz bietet eine vielversprechende Möglichkeit, um für viele weitere Zelltypen im menschlichen Körper adaptiert werden zu können. Obwohl mein Forschungsschwerpunkt in der vaskulären Biomedizin liegt, möchte ich durch die Erforschung von interdisziplinären 3R-Ansätzen die verschiedenen Forschungsfelder am UKE im Bereich Tierschutz näher zusammenbringen und transparenter machen“, sagt sie

3R-Verfahren als Grundlage für alle Tierversuche

Stark vereinfacht ausgedrück jedenfalls lässt sich laut UKE zusammenfassen: “Für die Identifizierung von Krankheitsursachen und die Entwicklung neuer Therapieansätze sind die Wissenschaftler:innen im UKE nach wie vor auf Tierversuche angewiesen. Viele wissenschaftliche Fragestellungen können nur an einem lebenden Organismus genauer erforscht werden, insbesondere komplexe Prozesse, an denen verschiedene Organe des Körpers beteiligt sind. Tierversuche helfen dabei, weit verbreitete Volkskrankheiten wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, neurologische- oder Stoffwechselerkrankungen besser zu verstehen und behandeln zu können. Maßgabe des UKE ist jedoch, für jeden Tierversuch die konsequente Umsetzung des sogenannten 3R-Prinzips anzuwenden. Dahinter steht eine sorgfältige Abwägung, ob ein Tierversuch notwendig ist, sowie die Planung und bewusste Entscheidung für oder gegen den Tierversuch. 3R steht für Reduce, Refine, Replace. Durch das 3R-Prinzip sollen Tierversuche reduziert, verbessert und ersetzt werden können”.

Klingt gut, doch wie sieht es mit den Finanzmitteln aus? 

Geld sei vorhanden, erklärt Frye. Und fügt im gleichen Atemzug hinzu:

“Wenn wir mehr Geld hätten, wäre die Forschung schneller”. An solchen Antworten können sich Diplomatinnen orientieren: Substanz, ohne viel Worte zu verlieren.

Die Chancen auf mehr Mittel jedenfalls stehen so schlecht nicht. Denn das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat bereits im Jahr 2022 das Thema 3R für sich – und die Republik – entdeckt. Und so prangt auf der eigens dazu errichteten Webseite des Ministeriums die Info:

“Mit dem „Bundesnetzwerk 3R“ hat das BMBF 2022 deshalb eine Vernetzungsinitiative der 3R-Forschung und Anwendung in Deutschland initiiert. Im Zentrum steht der inter- und transdisziplinäre Dialog zwischen Wissenschaft, Industrie, Politik, Verwaltung und Interessensverbänden”.

Man möchte hinzufügen: Jene mit flüssigen MItteln wissen spätestens jetzt, wen sie 2024 konkret unterstützen können.

Autor: Vlad Georgescu


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