VORGESTELLT: Warum Sören Becker Diagnostiklabore in Afrika und Indonesien aufbaut
Ansteckende Krankheiten fordern in armen Ländern nicht selten viele Opfer. An fehlenden Medikamenten allein liege das aber nicht dies nicht. „Ursache sind oft vielmehr die fehlenden Diagnosemöglichkeiten. Es gibt keine Labore, die vor Ort schnell und zuverlässig testen, um welchen Erreger es sich handelt“, sagt Sören Becker, Sören Becker, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität des Saarlandes. So komme es, dass viele Kranke falsch behandelt würden.
„Die Ärzte verordnen notgedrungen auf Verdacht hin in großem Umfang Breitbandantibiotika. Solche Medikamente sind meist leicht verfügbar“, erklärt der Mediziner.
Die Infektionsmedizinerinnen und -mediziner setzen daher an den Ursachen an: Bereits seit einigen Jahren bauen die Forschenden in betroffenen Ländern mithilfe von Klinikpartnerschaften und Kooperationen Diagnostiklabore auf. Sie schulen die dortigen Ärztinnen und Ärzte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin, Erregern wie Bakterien, Viren oder auch Würmern schnell auf die Spur zu kommen. Ein erfolgreiches Vorhaben, das jetzt größere Kreise zieht und stetig wächst.
„Es geht hierbei nicht um teure Maschinen und aufwändige PCR-Tests, sondern um das richtige Know-how und die passende, schnell verfügbare Ausrüstung für die Routine-Infektionsdiagnostik: Das sind zumeist Agarplatten, also Petrischalen mit einem Nährmedium, auf dem Bakterienkolonien kultiviert werden, und Mikroskope, mit denen die Proben mikrobiologisch ausgewertet werden“, erläutert Becker.
Im westafrikanischen Guinea-Bissau, in Lesotho, in Indonesien und auch auf Madagaskar arbeiten inzwischen so entstandene mikrobiologische Diagnostiklabore. „Das Entscheidende ist, die Kolleginnen und Kollegen mit dem erforderlichen Wissen zu schulen, das sie dann im Labor vor Ort sofort selbst anwenden und auch selbst weitergeben können“, sagt der Experte für Tropenmedizin. Regelmäßig reisen hierfür inzwischen Teams von Ärztinnen, Ärzten sowie Labortechnikerinnen und -technikern auf den Medizin-Campus im saarländischen Homburg und auch umgekehrt reisen Homburger Medizinerinnen und Mediziner zu ihren Klinik-Partnern.
„Von diesem Wissensaustausch profitieren alle Seiten“, betont Sören Becker und fügt hinzu: „Für uns sind die Kenntnisse und die Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen sehr wertvoll: Sie haben aufgrund der weitaus höheren Fallzahl etwa bei Infektionskrankheiten wie Malaria oder auch Darmparasiten, die bei uns selten vorkommen, eine sehr hohe Expertise und Spezialwissen, das uns weiterbringt.“
So sei im Februar etwa im Saarland das Projekt „MOSKITO“ gestartet, an dem sich die Bevölkerung beteiligen könne. Hier werded die aktuelle Verbreitung von krankheitsübertragenden Stechmücken untersucht.
„Mithilfe vergleichender Studien aus Guinea-Bissau an der afrikanischen Westküste wollen wir Präventionsmaßnahmen ableiten“, sagt Becker.
Das Diagnostiklabor an der einzigen Universitätsklinik von Guinea-Bissau hat vor inzwischen zwei Jahren seine Arbeit aufgenommen. Becker wandte sich damals direkt an den Gesundheitsminister des Landes, der bei mehr als zwei Millionen Einwohnern zugleich der einzige Kinderchirurg ist. Gemeinsam entwickelten beide die Idee einer Klinikpartnerschaft zum Aufbau des Labors für Routine-Infektionsdiagnostik. Seither hat sich viel getan. Homburger Delegationen reisten nach Guinea-Bissau, das an den Senegal und Guinea grenzt. Afrikanische Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter kamen für mehrere Wochen zur Weiterbildung nach Homburg. Die Teams verständigen sich auf Englisch und Portugiesisch – in Guinea-Bissau ist Portugiesisch die Amtssprache. „Wir schulen die Kolleginnen und Kollegen in Theorie und Praxis der Infektionsdiagnostik“, sagt Becker, der selbst Portugiesisch spricht. Dabei geht es hier vor allem um bakterielle Infektionen, aber auch sogenannte vernachlässigte Tropenkrankheiten wie Dengue-Fieber, Darm-Würmer oder die durch Süßwasserkontakt übertragene Wurminfektion Bilharziose.
In Indonesien engagiert sich das Team des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene seit 2019 für eine verbesserte Diagnostik speziell auch gegen Parasiten-, insbesondere Wurminfektionen, die auf den dortigen Inseln weit verbreitet sind. Mit der Universität Gadjah Mada in Yogyakarta arbeiten die Homburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, in den Partnerlaboratorien auf fünf indonesischen Inseln neue Diagnostiktechniken einzuführen. „Wurminfektionen sind in Indonesien sehr verbreitet. Unbehandelt können manche davon innerhalb weniger Tage sogar lebensbedrohlich verlaufen. Die Diagnostik geht dabei über die Standard-Labormethoden hinaus und bedarf spezieller Techniken, zu denen wir gemeinsam Schulungen durchführen“, erklärt Sören Becker. „Wir haben aktuell die Genehmigung des Folgeprojektes im Rahmen des Förderprogramms Klinikpartnerschaften der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit erhalten. Es ist vor wenigen Wochen gestartet“, freut sich der Infektionsmediziner.
In Madagaskar wiederum geht es neben sonstigen Erregern vor allem um die Verbesserung der Diagnostik und Vorbeugung von Tuberkulose und auch um Wurminfektionen in ländlichen Regionen. Auch regelmäßige Diagnostik-Onlinetrainings finden statt, wie mit Teams im afrikanischen Lesotho, das eine der höchsten HIV-Raten der Welt verzeichnet. Mitglieder aus Beckers Arbeitsgruppe waren im März vor Ort in Lesotho, um ein Labor einzurichten.
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