US11 soll Abstoßung transplantierter Spenderhaut unterdrücken
Bisher ist es Forschenden weltweit nicht gelungen einen vollwertigen Hautersatz herzustellen, der überall einsetzbar ist und keine Abstoßungsreaktionen hervorruft. Das wollen Professor Dr. Peter M. Vogt, Direktor der Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), und sein wissenschaftliches Team ändern. Bereits seit 2019 arbeiten die Forschenden daran, ein Transplantat aus menschlicher Spenderhaut so zu verändern, dass die unerwünschte Immunreaktion der Brandverletzten nach der Operation optimal in Schach gehalten wird.
Das Projekt „Entwicklung eines US11-Biopharmazeutikums zur lokalen Unterdrückung der Immunantwort nach Transplantation“ wird von der VHV-Stiftung gefördert und erhält nun für weitere drei Jahre eine Anschlussförderung in Höhe von rund 770.000 Euro.
„Wir haben Gewebeproben aus unserer abteilungseigenen Hautbank so verändert, dass die Hautzellen eine bestimmte Gruppe von MHC-Proteinen namens MHC-I nur noch in geringen Mengen auf ihrer Oberfläche aufweisen“, erklärt Dr. Vesna Bucan, wissenschaftliche Leiterin des Projekts. Das Gewebe stammt von gespendeter „überschüssiger Haut“, die nach Hautstraffungsoperationen in der Klinik anfällt. „Die lebende Spenderhaut wird bei uns aufgearbeitet, mikrobiologisch und virologisch getestet und in einem speziellen Gefrierschutzmedium bei minus 180°C für eine spätere Transplantation aufbewahrt“, sagt die Humanbiologin. In einem ersten Schritt haben die Forschenden mit viralen Vektoren gearbeitet, die als Gentaxis den Bauplan für ein Protein namens US11 in die Zellen des Hauttransplantats transportieren. Das im Zellinneren hergestellte Protein US11 sorgt dafür, dass MHC-I in mehrere Teile geschnitten und entsorgt wird. „Da die meisten MHC-I-Proteine nicht mehr zur Zelloberfläche gelangen, erkennt das Immunsystem die Zelle nicht sofort als fremd und die Immunreaktion ist deutlich schwächer“, stellt Dr. Bucan fest.
Im nächsten Schritt will die Arbeitsgruppe US11 nicht mehr per Gentaxi in die Zelle bringen, sondern das Protein direkt verabreichen, um es noch wirkungsvoller zu machen. Damit es auf dem Weg in die Zelle nicht vorzeitig abgebaut wird, soll es in sogenannte Niosomen eingekapselt werden. Das sind mikroskopisch kleine Kügelchen, die den Wirkstoff schützend umhüllen und seinen Transport in die Zielzelle verbessern können. „Diese neuartige und effektive Darreichungsform ist bereits erprobt und zum Beispiel für den Corona-Impfstoff der Firma Biontech zugelassen“, erklärt Professor Vogt. Unterstützung erhält die Arbeitsgruppe dabei vom Institut für Partikeltechnik der Technischen Universität Braunschweig.
Im Mausmodell soll nun untersucht werden, in welcher Dosierung das Medikament am besten wirkt und verträglich ist. US11 wird derzeit noch von Bakterien produziert. Langfristig soll das Protein synthetisch hergestellt werden, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten und bakterielle Verunreinigungen auszuschließen. Wenn alles klappt, könnte das Medikament in Zukunft die Abstoßung von Transplantaten aus Spenderhaut unterdrücken, ohne das gesamte Immunsystem zu beeinflussen. „Das würde nicht nur die Arbeit des medizinischen Personals erleichtern, sondern auch die Belastung für die Patientinnen und Patienten deutlich reduzieren“, betont der Klinikdirektor.
Lesen Sie auch:
Virtuelle Biopsie ermöglicht Klinikern die nicht-invasive Analyse der Haut – MedLabPortal
Die Beiträge im News-Bereich werden erstellt vom X-Press Journalistenbüro
Gender-Hinweis. Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Doppel/Dreifachnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.