Ungenügende Überwachung: Chemikalien gefährden Leib und Leben von Kindern weltweit

von | Jan. 9, 2025 | Allgemein, Forschung, Gesundheit, Politik

Staaten müssen damit beginnen, Chemikalien und chemische Produkte so genau zu prüfen und zu regulieren wie verschreibungspflichtige Medikamente. Ansonsten droht ein Anstieg von Krebs und anderen Krankheiten bei Kindern. Zu diesem Ergebnis gelangt der Bericht des Consortium for Children’s Environmental Health, der jetzt im New England Journal of Medicine erschien.

In den weltweiten Chemikalieninventaren sind schätzungsweise 350.000 Produkte enthalten – wie zum Beispiel hergestellte Chemikalien, chemische Gemische und Kunststoffe. Trotz der Risiken der Umweltverschmutzung und der Exposition des Menschen unterliege die Herstellung von synthetischen Chemikalien und Kunststoffen „nur unzureichenden rechtlichen und politischen Beschränkungen“, so die Autoren der Studie.

Dieses Regelungsvakuum müsse durch neue Gesetze ersetzt werden, die dem Gesundheitsschutz Vorrang vor der ausufernden Produktion von Chemikalien und Kunststoffen einräumen, so die Koautoren, zu denen der Epidemiologe Philip Landrigan, MD vom Boston College, der Umweltrechtswissenschaftler David Wirth, der Biologe Thomas Chiles und der Epidemiologe Kurt Straif gehören.

„Nach den neuen Gesetzen sollten Chemikalien nicht mehr als harmlos gelten, bis nachgewiesen ist, dass sie die Gesundheit schädigen“, so die Autoren. „Stattdessen sollten Chemikalien und Produkte auf chemischer Basis nur dann auf den Markt kommen und dort verbleiben dürfen, wenn ihre Hersteller durch strenge, unabhängige Tests vor der Markteinführung nachweisen können, dass sie bei der zu erwartenden Exposition nicht toxisch sind.“

Darüber hinaus fordern die Autoren, dass Hersteller von Chemikalien und Marken, die chemische Produkte vermarkten, verpflichtet werden sollten, ihre Produkte nach der Markteinführung auf die gleiche Weise zu überwachen, wie dies bei verschreibungspflichtigen Medikamenten der Fall ist.

Symbolbild. Credits: Stakalo/pixabay
Symbolbild. Credits: Stakalo/pixabay

Der Aufruf zum Handeln ist das Ergebnis eines zweijährigen Projekts der Gruppe. Diese besteht aus weltweit angesehenen, unabhängigen Wissenschaftlern aus 17 renommierten wissenschaftlichen Einrichtungen in den USA und Europa. Der Bericht wurde erstellt, um ein koordiniertes Vorgehen zur Verringerung der ständig zunehmenden chronischen Krankheiten bei Kindern in aller Welt zu ermöglichen.

Nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) sind heute die Hauptursache für Morbidität und Mortalität bei Kindern, stellen die Autoren fest. Ihre Inzidenz und Prävalenz nehmen zu. Neue Forschungsergebnisse bringen mehrere NCDs bei Kindern mit synthetischen Chemikalien in Verbindung.

Im letzten halben Jahrhundert haben die NCDs bei Kindern stark zugenommen:

●  Die Häufigkeit von Krebs bei Kindern ist um 35 Prozent gestiegen

●  Die Häufigkeit reproduktiver Defekte bei Männern hat sich verdoppelt.

●  Neuroentwicklungsstörungen betreffen heute eines von 6 Kindern, und bei einem von 36 Kindern wird eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert

●  Die Prävalenz von Asthma bei Kindern hat sich verdreifacht

●  Die Prävalenz von Fettleibigkeit bei Kindern hat sich fast vervierfacht und zu einem starken Anstieg von Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen geführt

●  Bestimmte Chemikalien haben zu einem Rückgang des IQ und damit zu massiven wirtschaftlichen Schäden geführt

Die meisten synthetischen Chemikalien und verwandten Produkte werden aus fossilen Brennstoffen – Gas, Öl und Kohle – hergestellt. Die Produktion ist seit 1950 um das 50-fache gestiegen und wird sich bis 2050 voraussichtlich noch einmal verdreifachen. Die Umweltverschmutzung und die Exposition des Menschen sind weit verbreitet.

Die Herstellung von synthetischen Chemikalien und Kunststoffen unterliegt jedoch nur wenigen rechtlichen oder politischen Beschränkungen. Im Gegensatz zu Arzneimitteln werden synthetische Chemikalien auf den Markt gebracht, ohne dass ihre Auswirkungen auf die Gesundheit zuvor bewertet wurden und ohne dass es eine Überwachung nach dem Inverkehrbringen im Hinblick auf längerfristige schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit gäbe.

Weniger als 20 Prozent dieser Chemikalien wurden auf ihre Toxizität getestet, und noch weniger auf ihre toxische Wirkung bei Säuglingen und Kindern. Mit erschreckender Häufigkeit werden weiterhin Zusammenhänge zwischen weit verbreiteten Chemikalien und Krankheiten bei Kindern entdeckt, und es ist wahrscheinlich, dass es weitere, noch unbekannte Zusammenhänge gibt.

Original Paper:

Manufactured Chemicals and Children’s Health — The Need for New Law | New England Journal of Medicine

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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