Restblutproben: Kontroverse um Neugeborenen-Screening in den USA
Das Neugeborenen-Screening ist eines der erfolgreichsten öffentlichen Gesundheitsprogramme in den USA und rettet jährlich tausenden Kindern mit seltenen Erkrankungen das Leben. Doch die Praxis der Aufbewahrung und sekundären Nutzung von Restblutproben, sogenannten Residual Dried Blood Spots (DBS), sorgt zunehmend für Kontroversen. Ein aktueller Bericht der National Organization for Rare Disorders (NORD) beleuchtet die Herausforderungen, denen sich dieses System gegenüber sieht, und gibt Handlungsempfehlungen, um das öffentliche Vertrauen zu stärken.

Die Bedeutung des Neugeborenen-Screenings
Seit seiner Einführung in den 1960er Jahren hat das Screening Millionen von Kindern den Zugang zu lebensrettenden Behandlungen ermöglicht. Jährlich werden fast vier Millionen Neugeborene auf seltene, aber schwerwiegende Erkrankungen getestet. Die Restblutproben, die nach den Tests übrig bleiben, spielen eine entscheidende Rolle für die Qualitätssicherung, die Entwicklung neuer Tests und die Forschung zu seltenen Krankheiten sowie Umwelt- und genetischen Faktoren.
Rechtsstreitigkeiten und Datenschutzbedenken
In den letzten Jahren haben rechtliche Auseinandersetzungen in mehreren Bundesstaaten wie Michigan, Texas und New Jersey die Praxis der DBS-Aufbewahrung infrage gestellt. Eltern klagen unter Berufung auf Datenschutzgesetze sowie die vierte und vierzehnte Verfassungsänderung gegen die Nutzung der Blutproben ohne ihre ausdrückliche Zustimmung. Diese Klagen werfen Fragen zur informierten Einwilligung, staatlichen Eingriffen in elterliche Rechte und dem Schutz vor unrechtmäßigen Durchsuchungen auf.Ein besonders brisanter Fall ereignete sich in New Jersey, wo Restblutproben eines Kindes ohne elterliche Zustimmung von Strafverfolgungsbehörden genutzt wurden. Dies führte zu einer umfassenden Überarbeitung der Richtlinien des Bundesstaates zur Nutzung von DBS durch die Polizei.
Herausforderungen für das öffentliche Vertrauen
Die Kontroversen um DBS haben das Vertrauen in das Neugeborenen-Screening-System erschüttert. Laut NORD könnten Fehlinformationen und mangelnde Transparenz dazu führen, dass Eltern sich gegen das Screening entscheiden – ein potenziell lebensbedrohlicher Rückschritt für betroffene Kinder.Ein weiterer Streitpunkt ist die sekundäre Nutzung von DBS für Forschungszwecke. Während viele Staaten strenge Datenschutzrichtlinien haben, fehlt es an einheitlichen Standards. Einige Staaten erlauben beispielsweise die Nutzung anonymisierter Proben ohne Zustimmung, während andere explizite Einwilligungen verlangen.
Empfehlungen zur Stärkung des Systems
Um das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen und das System zu stärken, schlägt NORD mehrere Maßnahmen vor:
- Verbesserung der Transparenz: Staaten sollten klar kommunizieren, wie DBS genutzt werden und welche Datenschutzmaßnahmen gelten. Öffentliche Informationskampagnen könnten helfen, Missverständnisse auszuräumen.
- Stärkung des Datenschutzes: Der Zugang von Strafverfolgungsbehörden zu DBS sollte verboten werden, da dies weder dem öffentlichen Gesundheitsinteresse dient noch das Vertrauen fördert.
- Förderung der Einwilligung: Eltern sollten besser über die Aufbewahrung und Nutzung von DBS informiert werden und aktiv entscheiden können, ob sie einer sekundären Nutzung zustimmen.
- Bundesunterstützung: Der US-Kongress sollte das „Newborn Screening Saves Lives Act“ reaktivieren, um finanzielle Mittel für Forschung und Aufklärung bereitzustellen.
Fazit
Das Neugeborenen-Screening bleibt ein unverzichtbares Instrument zur Rettung von Kinderleben. Doch ohne klare Richtlinien und transparente Kommunikation droht ein Vertrauensverlust, der die Zukunft dieses Programms gefährden könnte. Es liegt nun an den Gesetzgebern auf Bundes- und Staatsebene sowie an den Gesundheitsbehörden, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses lebensrettende System zu schützen und weiterzuentwickeln.
Quelle: „Preserving Public Trust in the U.S. Newborn Screening System“, National Organization for Rare Disorders (NORD), Februar 2025.
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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