Prostatakrebs: Neue S3-Leitlinie setzt auf Labormedizin, MRT-Diagnostik und aktive Überwachung
Die überarbeitete S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom, herausgegeben vom Leitlinienprogramm Onkologie und finanziert von der Deutschen Krebshilfe, bringt wegweisende Änderungen für Früherkennung, Diagnostik und Therapie. Mit etwa 74.900 Neuerkrankungen im Jahr 2022 ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Deutschland, die vor allem im höheren Alter auftritt. Die neuen Empfehlungen setzen auf eine risikoadaptierte Früherkennung, eine stärkere Rolle der MRT und die Vermeidung von Überbehandlungen bei Niedrigrisiko-Tumoren. Besonders auffällig: Die Tastuntersuchung (digitale-rektale Untersuchung, DRU) wird für die Früherkennung nicht mehr empfohlen.
Die Früherkennung erfährt eine grundlegende Neuausrichtung. Statt der bisher von Krankenkassen ab 45 Jahren übernommenen jährlichen DRU empfiehlt die Leitlinie ein PSA-basiertes Screening, bei dem der Prostata-spezifische Antigen (PSA)-Wert im Blut bestimmt wird. „Studien zeigen, dass die Tastuntersuchung dem PSA-Test deutlich unterlegen ist. Sie führt sowohl zu zu vielen falsch-negativen als auch zu vielen falsch positiven Befunden, deren weitere Abklärung mit Risiken verbunden ist“, erklärt Professor Marc-Oliver Grimm, Koordinator der Leitliniengruppe vom Universitätsklinikum Jena. Nach ärztlicher Beratung sollen Männer ab 45 Jahren ein PSA-Screening angeboten bekommen. Liegt der PSA-Wert sehr niedrig, ist die nächste Kontrolle erst nach fünf Jahren nötig, ansonsten alle zwei Jahre. Ab einem bestätigten Wert über 3 ng/ml folgt eine weitere Abklärung, bei der die DRU ergänzend zur individuellen Risikoabschätzung eingesetzt werden kann. „Die neue PSA-basierte Strategie ist ein Beispiel für evidenzbasierte, risikoadaptierte Früherkennung“, betont Grimm, der hofft, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die gesetzliche Krebsfrüherkennung entsprechend anpasst.

In der Diagnostik gewinnt die Magnetresonanztomographie (MRT) der Prostata an Bedeutung. Sie wird nun klar nach Risiko und diagnostischer Konsequenz eingesetzt. Eine zentrale Neuerung: Bei unauffälligen MRT-Befunden (PI-RADS 1 und 2), die ein sehr geringes Krebsrisiko anzeigen, soll auf eine Biopsie verzichtet werden, um unnötige Eingriffe zu vermeiden. Die Leitlinie enthält zudem aktualisierte Empfehlungen zu bildgestützten Biopsien, humangenetischer Beratung bei familiärer Belastung und moderner Bildgebung wie PSMA-PET/CT für die Stadieneinteilung.
Therapeutisch setzt die Leitlinie neue Maßstäbe, insbesondere bei Niedrigrisiko-Tumoren. Hier wird ausschließlich die aktive Überwachung empfohlen, statt wie früher Operation oder Bestrahlung. Auch bei günstigen intermediären Tumoren gewinnt diese Strategie an Relevanz. „Therapien des Prostatakarzinoms sind oft mit Nebenwirkungen und Einschränkungen der Lebensqualität verbunden“, erläutert Grimm. „Mit der aktiven Überwachung vermeiden wir Überbehandlungen und behalten gleichzeitig den Patienten im Blick, um Handeln zu können, sobald es nötig ist.“ Für metastasierte Tumoren wurden neue Therapieoptionen in die Leitlinie aufgenommen.
Die überarbeitete Leitlinie markiert einen Paradigmenwechsel hin zu einer präziseren, patientenorientierten Versorgung. Sie verspricht, die Diagnostik zu verbessern, unnötige Eingriffe zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu schützen, während sie gleichzeitig die Grundlage für zukünftige Anpassungen der gesetzlichen Früherkennung legt.
Original Paper:
Leitlinienprogramm Onkologie: Prostatakarzinom
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