Multiple Sklerose: Weitere molekulare Mechanismen entdeckt

von | Nov 6, 2024 | Allgemein, Forschung, Gesundheit

Ein internationales Forscherteam hat die Zellzusammensetzung in subkortikalen Läsionen unterschiedlicher Stadien der Multiplen Sklerose (MS) untersucht und deren Kommunikation erforscht. Dabei haben die Forschenden tiefe Einblicke in die molekularen Mechanismen gewonnen, die das Fortschreiten dieser chronischen Erkrankung beeinflussen.

Ein wichtiges Ergebnis der Studie war die Charakterisierung eines zilientragenden Astrozyten-Subtyps (SPAG17 als Zilienmarker in rot, GFAP als Astroztenmarker in grün, DAPI als Zellkernmarker in blau) innerhalb von MS-Läsionen. (Copyright: Translationale Neurobiologie, Med. Fakultät Mannheim)
Ein wichtiges Ergebnis der Studie war die Charakterisierung eines zilientragenden Astrozyten-Subtyps (SPAG17 als Zilienmarker in rot, GFAP als Astroztenmarker in grün, DAPI als Zellkernmarker in blau) innerhalb von MS-Läsionen. (Copyright: Translationale Neurobiologie, Med. Fakultät Mannheim)

„Unsere Ergebnisse liefern wertvolle Daten über die zelluläre Zusammensetzung und die Wechselwirkungen zwischen diesen Zellen in bestimmten Gewebenischen, die einen Einfluss auf das Fortschreiten der Läsion bei der MS haben“, erläutert Professor Dr. Lucas Schirmer und ergänzt: „Mit diesem Wissen eröffnen sich neue therapeutische Ansätze, mit denen wir den Krankheitsverlauf verlangsamen können“. Schirmer und sein Kollege Professor Dr. Julio Saez-Rodriguez leiten das Projekt.

Die Multiple Sklerose ist eine entzündliche, fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der das Immunsystem das Nervengewebe angreift und bleibende Schäden verursacht. Dabei bilden sich multiple Läsionen in unterschiedlichen Regionen des Nervensystems, die zunächst entzündlich sind und im Laufe der Zeit in chronische, nicht mehr entzündliche Formen übergehen. Charakteristisch ist ein sogenanntes chronisch-aktives Zwischenstadium, in dem die Läsionen von einem entzündeten Rand umgeben sind, in dem sich oft Eisenablagerungen finden, die auf ein Fehlen von Reparaturmechanismen hindeuten.

Um die Zellen und Signalwege in diesen Bereichen der Gewebeschädigung genauer zu kartieren, setzte das Forscherteam modernste räumliche und Einzelzellkern-Transkriptom-Techniken ein, begleitet von komplexen bioinformatischen Analysen. Dies ermöglichte ihnen, Zelltypen und deren Signalwege in subkortikalen MS-Geweben und Kontrollgeweben zu lokalisieren und zu analysieren.

Die Forschenden konnten beispielsweise Gewebebereiche wie die Umgebung von Blutgefäßen, die mit der Einwanderung von Immunzellen in Verbindung stehen, hochauflösend untersuchen. Im Fokus standen zudem der entzündete Rand und das Zentrum von Läsionen, in dem die Wissenschaftler einen speziellen zilientragenden, aber bisher nicht näher charakterisierten Astrozyten-Typ identifizieren konnten.

Ein besonderer Fokus lag auf dem entzündeten Rand chronisch-aktiver Läsionen, wo das Team Wechselwirkungen zwischen myeloiden, endothelialen und glialen Zelltypen untersuchte. Diese Interaktionen tragen zur Entstehung und zum Fortschreiten der Läsionen bei und bieten Ansätze, wie Kommunikationsprozesse zwischen den Zellen gezielt beeinflusst werden könnten.

„Die Forschung zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Zellumgebungen in verschiedenen Stadien der MS-Läsionen sind“, erläutern die Erstautoren der Studie Celia Lerma Martin und Pau Badia i Mompel.

„Das tiefere Verständnis dieser Interaktionen wird uns helfen, gezielte Therapien zu entwickeln, die auf spezifische Zelltypen und ihre Kommunikation in bestimmten Gewebenischen abgestimmt sind“, ergänzt Schirmer. Für die Analyse der großen Datensätze waren rechenintensive Methoden erforderlich. „Die Entwicklung und Anwendung komplexer bioinformatischer Skripte war entscheidend, um die großen Transkriptom-Datensätze integrieren und analysieren zu können“, betont Professor Saez-Rodriguez.

Die Arbeit wurde in der Sektion Neuroimmunologie der Neurologischen Klinik der UMM unter der Leitung von Prof. Schirmer an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg durchgeführt, in enger Zusammenarbeit mit dem Institute for Computational Biomedicine unter der Leitung von Prof. Saez-Rodriguez an der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Es bestanden außerdem Kooperationen mit weiteren Arbeitsgruppen in Wien, Heidelberg und Mannheim.

Originalpublikation

Lerma-Martin, C., Badia-i-Mompel, P., Ramirez Flores, R.O. et al.
Cell type mapping reveals tissue niches and interactions in subcortical multiple sclerosis lesions.
Nat. Neurosci. (2024).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41593-024-01796-z

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