Labormedizin vor bahnbrechenden Veränderungen: Leopoldina-Diskussionspapier fordert Biomarker-Revolution
In einem heute von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina veröffentlichten Diskussionspapier empfehlen die beteiligten Forscher einen Paradigmenwechsel im Umgang mit altersbedingten Krankheiten in Forschung und Medizin. Biomarker und eine nationale Multiomics-Datenbank sollen dabei eine Schlüsselrolle spielen.
In dem Papier “Gesundheitserweiternde Medizin in einer alternden Gesellschaft – Perspektiven für die medizinische Forschung und Praxis” fordern sie eine bessere Erforschung des Alterungsprozesses, damit sich die Medizin auf das Altern selbst konzentrieren kann – statt auf die Behandlung altersbedingter Krankheiten zu warten.

Mit zunehmendem Alter nimmt die Fähigkeit des Körpers ab, zelluläre Prozesse zu überwachen und zu steuern. Dies führt zu zunehmenden Fehlfunktionen, zum Beispiel bei der Zellreparatur. Diese Fehlfunktionen sind häufig die Ursache für Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter. Solche altersbedingten Krankheiten stellen eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem in einer alternden Gesellschaft dar. Ein besseres Verständnis der Mechanismen des Alterns bietet ein großes Potenzial für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze, die helfen könnten, die Gesundheit während des Alterungsprozesses zu erhalten und altersbedingte Krankheiten wirksam zu reduzieren.
Um den hochkomplexen Alterungsprozess zu verstehen, empfehlen die Autoren des Diskussionspapiers die Gründung eines interdisziplinären Konsortiums für Systemalterung in Deutschland. Dieses Konsortium würde Expertenwissen in der Biologie des Alterns und der Systembiologie bündeln und die Verknüpfung von Forschungsdaten aus Modellorganismen mit Humandaten wie Bioproben und Patientendaten ermöglichen.
Die Verfügbarkeit, Verknüpfung und Auswertung großer Datenmengen ist der Schlüssel zum besseren Verständnis des Alterungsprozesses, zur Identifizierung von Umweltfaktoren, die das Altern beeinflussen, und zur Entwicklung möglicher geroprotektiver Maßnahmen. Multiomics-Daten, d. h. kombinierte Daten aus verschiedenen Ebenen wie DNA, RNA und Proteinen, könnten Forschern helfen, Biomarker für das Altern zu entwickeln. Diese Biomarker würden Aufschluss über das biologische Alter des Menschen geben (das oft vom chronologischen Alter abweicht) und damit die Wirksamkeit von geroprotektiven Maßnahmen oder Medikamenten in klinischen Studien belegen. Die Autoren des Diskussionspapiers empfehlen daher, eine nationale biologische Datenbank einzurichten. Ähnlich wie bei der British Biobank könnten hier Multiomics-Daten gepoolt und der Forschung zur Verfügung gestellt werden.
Dies könnte zahlreiche neue Behandlungsansätze ermöglichen, zum Beispiel für die pharmakologische Behandlung des Alterns. Es gibt bereits Medikamente – etwa zur Behandlung von Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes -, die nachweislich auch eine geroprotektive Wirkung haben. Die Autoren behaupten, dass die Analyse großer Datenmengen dazu beitragen könnte, weitere bestehende Medikamente zu identifizieren, die ebenfalls als Geroprotektoren eingesetzt werden könnten. Sie stellen auch die zelluläre Reprogrammierung als vielversprechende Strategie zur Umkehrung des Alterungsprozesses vor, da sie zur Wiederherstellung der Gewebefunktionen beitragen könnte. Darüber hinaus könnten verlässliche Biomarker in Zukunft einen Paradigmenwechsel in Hausarztpraxen und Krankenhäusern ermöglichen, um Patienten evidenzbasierte Ratschläge zur Vorbeugung von Krankheiten und zur Unterstützung von Resilienzprozessen zu geben.
Das Diskussionspapier “Health-Extending Medicine in an Aging Society – Prospects for Medical Research and Practice” ist auf der Website der Leopoldina veröffentlicht: https://www.leopoldina.org/en/ageing-medicine
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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