FXII: Blutgerinnungsfaktor als heimlicher Helfer im Kampf gegen Bakterien ausgemacht
Forschende um den Hamburger UKE-Labormediziner Thomas Renné haben in einer aktuellen Studie eine überraschende Rolle des Blutgerinnungsfaktors XII (FXII) entdeckt. Bislang war FXII vor allem als Auslöser von Thrombosen bekannt, doch nun zeigt sich, dass er auch eine wichtige Funktion bei der Abwehr bakterieller Infektionen übernimmt. Das Team untersuchte Mäuse, denen FXII fehlte, und stellte fest, dass diese Tiere bei Infektionen mit Bakterien wie Staphylococcus aureus oder Streptococcus pneumoniae deutlich schwerer erkrankten. Die Bakterien konnten sich in ihrem Körper schneller ausbreiten, die Bakterienlast in der Lunge war etwa dreimal so hoch wie bei normalen Mäusen, und auch die Schäden an der Haut waren deutlich ausgeprägter.
Der Grund dafür liegt in der Bildung von sogenannten Fibrinnetzen, die normalerweise dabei helfen, Bakterien lokal einzuschließen und ihre Ausbreitung zu verhindern. FXII wird durch bakterielle Polyphosphate aktiviert und löst eine Kaskade von Reaktionen aus, an deren Ende das Fibrin steht – ein Netz, das die Erreger wie in einer Falle festhält. Fehlt FXII, ist diese Barriere löchrig, und die Bakterien können leichter in den Blutkreislauf und andere Organe gelangen. Das führte bei den Mäusen nicht nur zu schwereren Infektionen, sondern auch zu einer höheren Sterblichkeit.

Die Ergebnisse dieser Studie sind besonders relevant, weil FXII als Ziel für neue, vermeintlich sichere Blutverdünner gilt. Da FXII für die normale Blutstillung nicht unbedingt notwendig ist, glaubte man, dass eine Hemmung dieses Faktors das Risiko für gefährliche Thrombosen senken könnte, ohne Nebenwirkungen zu verursachen. Die aktuellen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass solche Therapien das Risiko für bakterielle Infektionen erhöhen könnten, da die schützende Fibrinbarriere fehlt.
Interessanterweise erinnert dieser Abwehrmechanismus an uralte Immunstrategien, wie sie auch bei wirbellosen Tieren vorkommen, bei denen das Blut verklumpt, sobald Keime eindringen. FXII könnte also ein Überbleibsel dieses evolutionären Prinzips beim Menschen sein. Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass noch viele Fragen offen sind, etwa ob dieser Mechanismus auch bei anderen Erregern wirkt oder wie sich Antibiotika und Impfungen auf diese Form der Immunabwehr auswirken. Klar ist jedoch schon jetzt, dass das komplexe Zusammenspiel von Blutgerinnung und Immunabwehr noch besser verstanden werden muss, bevor man gezielt in diese Prozesse eingreift.
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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