Fünf Strategien gegen den Grauen Star

von | Okt 11, 2024 | Allgemein, Gesundheit

Mit etwa einer Million Eingriffen jährlich ist der Graue Star die häufigste Operation in Deutschland. Verschiedene moderne Kunstlinsen-Konzepte, intelligente OP-Instrumente, 3D-Brillen und KI-Rechenleistungen ermöglichen heute eine hohe Brillenunabhängigkeit. Allerdings sollten Augenchirurgen ausreichend Zeit investieren, um die richtige Therapie für jeden Patienten zu finden, lautet das Fazit der Deutschen Gesellschaft für Ophtalmologie (DOG) anlässlich ihres Kongresses.

Ohne Brille oder Kontaktlinse sehen zu können – das ist oft auch für Patienten mit dem Grauen Star möglich (Credits: pixabay)

Beim Grauen Star, auch Katarakt genannt, trüben sich die Augenlinsen allmählich ein, bis es zum Sehverlust kommt. Dieser Prozess beginnt im sechsten Lebensjahrzehnt, zunächst nahezu unmerklich. Ab 65 Jahren sind fast 90 Prozent betroffen. „Indem wir die natürliche Linse durch ein Implantat tauschen, wird die ungetrübte Sicht wiederhergestellt“, sagt Prof. Gerd Auffarth, Präsiden der DOG. Aber nicht nur das – der Anspruch heute gehe viel weiter: Mit dem Linsentausch sollen alle Fehlsichtigkeiten so korrigiert werden, dass keine Brille oder keine Kontaktlinse mehr erforderlich ist. „Dank Fortschritten in der Diagnostik, bei Operationsmaschinen, OP-Mikroskopen und Implantaten gelingt das sehr zuverlässig“, fügt der Ärztliche Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Heidelberg hinzu.

Verbesserte Diagnostik etwa hilft, problematische Patienten früh herauszufiltern. So können moderne Bildanalyseverfahren wie OCT-Technologie und Scheimpflugbildgebung mittlerweile subtile Veränderungen wie Wölbungsanomalien der Hornhaut, Veränderungen des Sehnervs oder der Makula entdecken, bevor sie in Erscheinung treten – auch dank KI-Algorithmen. „Für all diese Patienten sind beispielweise Trifokallinsen nicht gut geeignet“, erläutert Auffarth. „In solchen Fällen kommen eher die Standard-Monofokallinsen infrage, in Ausnahmefällen aber auch Monofokal-plus- und Tiefenschärfenlinsen.“

Auch die Kunstlinsen selbst haben sich stark weiterentwickelt. Neue Herstellungsverfahren – teilweise auch auf KI-Algorithmen basierend – konnten den Lichtverlust bei Trifokallinsen von bis zu 20 Prozent auf unter 10 Prozent senken. Dennoch sind die trifokalen Linsen nicht frei von Licht-Nebenwirkungen. Daher sind seit einiger Zeit Tiefenschärfenlinsen auf dem Vormarsch: Nach einer Umfrage der European Society for Cataract and Refractive Surgeons (ESCRS) aus dem Jahr 2023 wurden fast genauso viele Tiefenschärfenlinsen wie Trifokallinsen eingesetzt.

Um das Ziel der Brillenunabhängigkeit zu erreichen, können beide Optiksysteme aber auch kombiniert werden. „Eine Tiefenschärfenlinse in einem Auge und eine Trifokallinse im anderen kann im Einzelfall eine gute Möglichkeit sein, Nebenwirkungen zu reduzieren“, erläutert Auffarth. „Dies wird oft in Asien angewandt, wo viele stark kurzsichtig sind.“ Zur Wahl steht ferner eine moderne Monovisionsstrategie mit Monofokal-plus-Linsen: Ein Auge wird auf 0 Dioptrien eingestellt, das andere leicht kurzsichtig, etwa auf minus 1 Dioptrie. „Man muss allerdings vorher durch einen Kontaktlinsenversuch testen, ob der Patient dies verträgt“, betont Auffarth. Eine weitere Alternative stellt das Verfahren „Blended Vision“ dar. „Dabei setzen wir Tiefenschärfenlinsen so ein, dass eine Linse die Ferne bedient, die andere die Nähe und beide zusammen den Intermediärbereich“, erläutert der DOG-Präsident. „Um die richtige Strategie zu finden, muss ausreichend Zeit investiert werden.“

Nach Diagnostik, ausführlicher Beratung und anschließender Wahl des Implantats steht die individuelle Berechnung der Intraokularlinsenstärke an. Auch auf diesem Gebiet gibt es große Fortschritte, seit moderne mathematische Formeln und neuerdings sogar KI-basierte Linsenberechnungsformeln zum Einsatz kommen. Durch KI ist die Genauigkeit einer Berechnung des postoperativen Ergebnisses im Bereich von 0,25 Dioptrien möglich – das bedeutet de facto Brillenunabhängigkeit. Hornhautverkrümmungen und unterschiedliche Hornhautparameter können dabei präzise erfasst und in den Implantaten berücksichtigt werden.

Auch der Eingriff erfolgt immer schonender, immer präziser. Neuartige OP-Mikroskope werden mit 3D-Brillen und einem großen Bildschirm genutzt – Operateur oder Operateurin müssen nicht mehr durch die Okulare schauen, sondern können frei im Raum das OP-Feld sehen. „Bildqualität und Plastizität sind beeindruckend“, urteilt Auffarth. Intelligente Pumpsysteme messen die Druckverhältnisse während der Operation, um die Flüssigkeitsmenge im Auge zu regulieren; auch der Augendruck, der bei der Katarakt-OP aufgebaut wird, kann inzwischen so weit heruntergesetzt werden, dass Schäden der Hornhaut und Entzündungsreaktionen minimiert werden.

Hinweis

Über die neuen Behandlungsoptionen des Grauen Stars informiert auch die Woche des Sehens, die in diesem Jahr vom 8. bis zum 15. Oktober 2024 deutschlandweit unter dem Motto „Klar sehen“ stattfindet.

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