Forschende entdecken neuen Abbauprozess von mRNA im menschlichen Körper
Erstmals weltweit hat ein Wissenschaftlerteam der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Goethe-Universität Frankfurt einen speziellen Mechanismus des Abbaus von Messanger-Ribonukleinsäuren (mRNA) im menschlichen Körper beschrieben. Diese Erkenntnis könnte den Grundstein für neue Therapien gegen Krebs legen.
Messenger-Ribonukleinsäuren (mRNA) sind so etwas wie Architekten des Organismus`. In ihrem Inneren enthalten sie detaillierte Baupläne für Proteine, die von ihren „Kollegen“, den Ribosomen, gelesen und umgesetzt werden. Ohne die Proteine könnte keine Spezies überleben – sie steuern die Zellteilung, sorgen für Widerstandskraft gegen Krankheiten und machen Zellen stark gegen Angriffe von außen.
Wie im „echten Bauwesen“ sind auch auf Zellebene bei bestimmten Bauplänen zusätzliche Arbeitsanweisungen erforderlich – zum Beispiel, weil ein Protein besonders schnell hergestellt werden muss, oder weil der Bauplan fehlerhaft ist. Diese Aufgabe übernehmen sogenannte RNA-Modifikationen, kleine chemische Veränderungen, ähnlich ergänzenden Kommentaren, die sich an einzelne Bestandteile der mRNA anheften.
Mit einer speziellen Modifikation, dem N6-Methyladenosin (kurz m6A), hat sich jetzt ein Forscherteam beschäftigt. „Interessant für die Wissenschaft ist m6A deshalb, weil diese Modifikation häufig bei Menschen verändert ist, die unter Stoffwechselstörungen, Krebs oder Herzerkrankungen leiden“, erklärt Bioinformatikerin Kathi Zarnack. „Seine Funktion: Wenn m6A an eine mRNA geheftet ist, löst dies den Abbau der mRNA aus, sobald die ersten Proteine nach dem enthaltenen Bauplan hergestellt wurden. Das ist besonders wichtig für Proteine, von denen keinesfalls zu viele hergestellt werden dürfen, weil dies schädlich für die Zelle wäre.“ Dieser Abbauprozess geht deutlich schneller und effizienter vonstatten als bisher bekannte Mechanismen zum Abbau von mRNA.
Entscheidend ist, dass dieser besondere Abbauweg nur dann funktioniert, wenn m6A in bestimmten Regionen der mRNA sitzt. „Kommentiert“ werden von m6A vor allem die Baupläne für Proteine, die an der Ausdifferenzierung von Zellen beteiligt sind – die also festlegen, ob eine Zelle als Nervenzelle, Muskelzelle, Hautzelle oder einer anderen Form existieren wird.
Medikamente, die die Anheftung von m6A an mRNA steuern, könnten sich diesen Prozess zunutze machen. Indem sie m6A gezielt unterdrücken, ließen sich verstärkt Proteine mit erwünschten Funktionen produzieren – und umgekehrt die Produktion unerwünschter Proteine hemmen. Das Problem: Bislang waren die Effekte solcher Medikamente für die Wissenschaft nur schwer vorhersagbar, weil unbekannt war, in welchen Regionen der mRNA die m6A-Modifikation sitzen muss, um den Abbau auszulösen. „Mit unserer Studie tragen wir nun zu einem besseren Verständnis und einer genaueren Vorhersage bei, welche mRNA besonders auf diese Wirkstoffe reagieren“, so Biochemiker und RNA-Biologe Julian König, Zarnacks Kollege.
Künftig wollen die Forschenden noch detaillierter untersuchen, wie der Abbau von mit m6A gekennzeichneter mRNA vonstattengeht, zum Beispiel woran genau Ribosomen die Modifikation erkennen. Zusätzlich soll es darum gehen, wie sich der gezielte mRNA-Abbau durch m6A klinisch nutzbar machen lässt.
Das Projekt wird im Rahmen des Sonderforschungsbereichs TRR 319 „RMaP: RNA Modifikation und Prozessierung“ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.
Originalpublikation
m6A sites in the coding region trigger translation-dependent mRNA decay. You Zhou, Miona Ćorović, Peter Hoch-Kraft, Nathalie Meiser, Mikhail Mesitov, Nadine Körtel, Hannah Back, Isabel S. Naarmann-de Vries, Kritika Katti, Aleš Obrdlík, Anke Busch, Christoph Dieterich, Štěpánka Vaňáčová, Martin Hengesbach, Kathi Zarnack, Julian König. Molecular Cell. 21. November 2024. DOI: 10.1016/j.molcel.2024.10.033 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1097276524008736?via%3Dihub
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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