Diagnostik: Pathologie in Deutschland vor Versorgungslücke

von | Juni 18, 2025 | Forschung, Gesundheit

Die flächendeckende medizinische Versorgung in Deutschland ist nach Einschätzung von Experten im Bereich der Pathologie gefährdet. Darauf hat die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) am Freitag bei ihrer Jahrestagung in Leipzig hingewiesen. Die Pathologie sei ein unverzichtbarer Pfeiler für Diagnostik, Therapieplanung und Verlaufskontrolle, insbesondere bei Krebserkrankungen, betonten die Fachleute. In Deutschland beurteilen Pathologinnen und Pathologen mehr als 95 Prozent aller bei Krebsverdacht entnommenen Gewebeproben. Derzeit stehen bundesweit jedoch nur 1.753 Fachärztinnen und Fachärzte für Pathologie zur Verfügung – das entspricht rechnerisch einer Pathologin oder einem Pathologen auf rund 48.000 Menschen. Im Vergleich dazu liegt das Verhältnis in der Radiologie bei 1:8.500. Hinzu kommt, dass mehr als die Hälfte der Pathologinnen und Pathologen älter als 50 Jahre ist und in den kommenden Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden wird.

Nach Angaben von Tagungspräsident Prof. Dr. Philipp Ströbel gibt es in Deutschland für die Vielzahl an Erkrankungen und deren Untergruppen zu wenig Expertinnen und Experten sowie zu wenig Nachwuchs. Spezialisierungen, wie sie für seltene und komplexe Fälle erforderlich sind, seien meist das Ergebnis individueller Interessen und nicht Teil einer übergeordneten Strategie. Ströbel forderte eine Bedarfsanalyse im Gesundheitssystem und definierte Qualitätskriterien für Spezialzentren. Ohne grundlegende Veränderungen drohten in wenigen Jahren große Versorgungslücken, vor allem in der Krebsdiagnostik.

Symbolbild. Credits: OpenClipart-Vectors/Pixabay
Symbolbild. Credits: OpenClipart-Vectors/Pixabay

Auch Prof. Dr. Michael Ghadimi, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, betonte die Schlüsselrolle der Pathologie in der Krebsversorgung. Ohne fundierte pathologische Diagnostik seien bei Krebserkrankungen keine Therapieentscheidungen möglich. Gerade angesichts neuer, immer komplexerer Therapien sei die Pathologie unverzichtbar. Besonders problematisch sei die Situation bei seltenen Erkrankungen wie Sarkomen. In Deutschland verfügen nur rund 20 Pathologinnen und Pathologen über das nötige Spezialwissen für diese seltene Krebsform. Weniger als die Hälfte der betroffenen Patienten werde in spezialisierten Zentren behandelt, noch weniger erhielten eine pathologische Zweitmeinung, obwohl diese in bis zu 30 Prozent der Fälle zu einer veränderten Diagnose führe, erklärte Prof. Dr. Eva Wardelmann.

Eine Zweitbefundung in Spezialzentren ist in Deutschland weder vorgeschrieben noch finanziert. Für Pathologieinstitute lohne sich der Aufbau von Spezialwissen daher kaum, was das Fach für Nachwuchs unattraktiv mache. Die DGP sieht die Versorgungssicherheit in Gefahr. „Pathologie ist kein Nebenfach – sie ist das Rückgrat der Medizin“, sagte DGP-Vorsitzender Prof. Dr. Christoph Röcken. Trotz ihrer zentralen Rolle bleibe die Pathologie im deutschen Gesundheitssystem unterfinanziert und unterbewertet. Die aktuelle Krankenhausreform fokussiere auf klinische Fächer und Allgemeinmedizin und vernachlässige das Querschnittsfach Pathologie sowie seltene Erkrankungen. Röcken forderte politische Rückendeckung und verlässliche Rahmenbedingungen, um die fachärztliche Exzellenz der Pathologie zu sichern.


Redaktion: X-Press Journalistenbürö GbR

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