Bluttest erkennt Demenz zwei Jahre vor Ausbruch
Alzheimer-Demenz und auch ihre Vorstufe lassen sich durch Messung sogenannter MicroRNAs im Blut erkennen. Darüber berichten Forschende des DZNE in Göttingen – gemeinsam mit US-amerikanischen Fachleuten der Boston University und der Indiana University School of Medicine – im Wissenschaftsjournal „Alzheimer’s & Dementia: The Journal of the Alzheimer’s Association“. Ihre Einschätzung beruht auf Daten von rund 800 Erwachsenen, die an einer Langzeitstudie über die Alzheimer’sche Erkrankung teilnehmen. Das angewandte Verfahren ist noch nicht bereit für die klinische Routine, doch die aktuellen Ergebnisse könnten den Weg für bessere Früherkennung bereiten.
„Wir brauchen nicht nur bessere Therapien zur Behandlung von Alzheimer, sondern auch neue Ansätze, um diese Erkrankung zu erkennen – und zwar frühzeitig, wenn Symptome einer Demenz, wie Gedächtnisstörungen, zwar noch nicht auftreten, sich die Krankheit aber bereits im Verborgenen entwickelt“, so André Fischer, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Göttingen und Professor für Epigenetik neurodegenerativer Erkrankungen in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).
„Wir haben herausgefunden, dass dies über eine Messung von MicroRNAs im Blut möglich ist. Frühere Ergebnisse deuteten bereits darauf hin, nun konnten wir sie an einem großen Studienkollektiv bestätigen. Unsere Untersuchungen zeigen insbesondere, dass man anhand von MicroRNAs nicht nur eine Alzheimer-Demenz erkennen kann, sondern auch solche Menschen, die kognitiv nur leicht beeinträchtigt sind, aber ein hohes Risiko haben, innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Demenz tatsächlich zu entwickeln.“
Die aktuellen Ergebnisse beruhen auf Daten von Erwachsenen aus den USA und Kanada, die an der sogenannten Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative (ADNI) teilnehmen. ADNI läuft seit 20 Jahren und ist eine der weltweit größten Langzeitstudien über die Alzheimer’sche Erkrankung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden über Jahre hinweg regelmäßig untersucht und auch Blutproben für spätere Untersuchungen aufbewahrt.
„Im Laufe der Zeit ist ein großer Schatz an Daten entstanden. MicroRNAs hatte man bisher aber nicht erfasst. Deshalb haben uns Kolleginnen und Kollegen aus den USA angesprochen, da wir am DZNE über die erforderliche Technologie und Erfahrung verfügen. Die National Institutes of Health haben das Projekt unterstützt“, so Fischer. „Wir haben dann bereits vorliegende Diagnosen aus ADNI mit den von uns ermittelten Signaturen von MicroRNAs abgeglichen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die MicroRNAs für die Diagnose von Demenz und Früherkennung geeignet sind.“
Korrelation mit konventionellen Indikatoren
Außerdem zeigte sich, dass die MicroRNAs auch Anomalien in etablierten Biomarkern für Alzheimer widerspiegeln. Konkret gilt dies für den Verlust von Gehirnvolumen sowie für die Konzentration sogenannter Amyloid- und Tau-Proteine. „Das verdeutlicht, dass ein vergleichsweise einfacher Bluttest auf MicroRNAs ähnliche Aussagekraft hat wie herkömmliche Biomarker, die aufwändig über Hirnscans und Analysen der Rückenmarksflüssigkeit bestimmt werden müssen. Ein solcher Bluttest könnte helfen, teure und oft unangenehme Untersuchungen zu vermeiden“, so Fischer.
MicroRNAs zählen zur Großfamilie der „nicht-codierenden“ RNAs. Die Baupläne für diese Moleküle sind im Erbgut hinterlegt, dienen jedoch nicht der Herstellung von Proteinen. „Tatsächlich werden rund 70 Prozent der menschlichen DNA in nicht-codierende RNAs umgesetzt. Lange Zeit hielt man diese RNAs für wenig relevant. Inzwischen hat man erkannt, dass sie den Stoffwechsel in vielfältiger Weise beeinflussen. In der Pharmaforschung sieht man sie inzwischen als mögliche Ansatzpunkte für Medikamente“, sagt Fischer. „Jenseits der aktuellen Untersuchungen mit unseren Partnern aus den USA erforschen wir solche RNAs daher auch im Laborstudien, um ihre Wirkungsweisen aufzuklären. Und wir untersuchen sie auch im Rahmen von Demenzstudien des DZNE und in Populationsstudien, die sich mit der Gesundheit in der Breite der Bevölkerung befassen. Das ist ein Thema, das uns weiter beschäftigen dürfte.“
Originalpublikationen:
Die Studienergebnisse des deutsch-amerikanischen Forschungsteams sind in zwei Fachartikeln veröffentlicht.
The plasma miRNAome in ADNI: signatures to aid the detection of at-risk individuals; Dennis Krüger et al.; Alzheimer’s & Dementia (2024), DOI: 10.1002/alz.14157; URL: https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/alz.14157
Plasma miRNAs across the Alzheimer’s disease continuum: relationship to central biomarkers; Shiwei Liu et al.; Alzheimer’s & Dementia (2024), DOI: 10.1002/alz.14230; URL: https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/alz.14230
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