Antikörper-Kombitherapie soll Typ-1-Diabetes heilen
Ein MHH-Team will in den Autoimmunprozess eingreifen und die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse stoppen. Kann das gelingen?
Typ-1-Diabetes (T1D) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Insulin-produzierenden Beta-Zellen selektiv und unwiderruflich in den Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zerstört werden. Dadurch kann der Körper kein Insulin mehr herstellen. Dieses Hormon benötigen wir, um Zucker (Glukose) aus der Nahrung in Energie umzuwandeln. Vor und während der Erkrankung werden die Pankreasinseln stark von T-Zellen und anderen Immunzellen angegriffen, welche entzündungsfördernde Botenstoffe, insbesondere Zytokine, produzieren. Diese Botenstoffe sind zytotoxisch, schädigen also lebende Zellen und sind hauptsächlich für die Zerstörung der Betazellen verantwortlich. Wegen ihres gestörten Glukosestoffwechsels müssen T1D-Betroffene lebenslang Insulin spritzen. Bis heute ist die Stoffwechselerkrankung nicht heilbar. In den USA ist seit November 2022 jedoch ein Antikörper namens Teplizumab zur Behandlung zugelassen, der in den Autoimmunprozess eingreift. Dieser Antikörper blockiert den sogenannten TCR/CD3-Rezeptor auf der Oberfläche fast aller T-Zellen, unterbindet so deren Angriff auf die Betazellen und verzögert den Ausbruch der Erkrankung um zwei bis drei Jahre.

Professorin Anne Jörns vom Institut für Klinische Biochemie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), möchte diesen Therapieansatz jetzt erweitern. Gemeinsam mit ihrer Arbeitsgruppe „Pancreas molecular morphology and diabetes prevention“ setzt die Medizinerin auf eine Kombinationstherapie des anti-TCR/CD3-Blockers mit Antikörpern gegen die entzündungsfördernden Zytokine. So hofft sie, den Krankheitsausbruch langfristig verzögern oder nach Krankheitsausbruch die Beta-Zellen schützen und wiederherstellen zu können. Das Forschungsprojekt wird von der gemeinnützigen Stiftung „Breakthrough T1D“ (früher JDRF) aus den USA über drei Jahre mit rund 730.000 Euro gefördert.
Für ihre Arbeit nutzt Jörns ein Rattenmodell für Autoimmundiabetes, das der menschlichen Erkrankung sehr ähnlich ist. Die Tiere mit sogenannter Diabetesmanifestation, bei denen der Diabetes also schon offenkundig ist, überleben ohne Insulingabe maximal eine Woche. In den Studien verwendeten die Forschenden einen T-Zell-Antikörper namens anti-TCR, der dieselben T-Zellen blockiert wie der anti-CD3-Wirkstoff Teplizumab. Diesen kombinierten sie mit verschiedenen therapeutischen Antikörpern gegen entzündungsfördernde Zytokine wie Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha), Interleukin-1beta (IL-1beta) und Interferon-gamma (IFN-gamma). „Den größten therapeutischen Effekt hatte die Kombination von anti-TCR mit anti-TNF-alpha“, sagt die Wissenschaftlerin. Der Zytokinantikörper anti-TNF-alpha wird beim Menschen erfolgreich bei entzündlichen Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, der rheumatoiden Arthritis und auch bei Autoimmun-Gefäßerkrankungen eingesetzt. Während eine Monotherapie mit einem einzelnen Antikörper den Diabetes bestenfalls ein wenig lindert, konnte die Kombinationstherapie mit zwei Antikörpern die Zerstörung der Betazellen aufhalten und die Pankreasinseln vor den schädlichen aktivierten Immunzellen schützen. Das Ergebnis: Die Tiere lebten ein Jahr lang diabetesfrei – ein Drittel ihrer gesamten Lebenszeit.
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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