Anästhesie bei seltenen Erkrankungen: Datenbank OrphanAnesthesia bietet standardisierte Handlungsempfehlungen

von | Feb. 27, 2025 | Forschung, Gesundheit, Nicht kategorisiert

Zur Verbesserung der Patientensicherheit hat die DGAI die Datenbank OrphanAnesthesia aufgebaut, die standardisierte Handlungsempfehlungen für die anästhesiologische Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen bietet. Der Grund: Wenn Patienten an einer seltenen Krankheit leiden, stellt es sie wie auch ihre behandelnden Ärzte stets vor große Herausforderungen. „Hier gilt es, über alles bisher Gelernte hinaus zu denken“, erklärt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Prof. Dr. Gernot Marx, anlässlich des Tages der seltenen Erkrankungen, der am 28. Februar 2025 begangen wird.

Mit OrphanAnesthesia teilt die DGAI weltweit wertvolles Wissen und unterstützt Anästhesieteams dabei, Herausforderungen erfolgreich zu meistern. (Credits: DGAI e.V.)
Mit OrphanAnesthesia teilt die DGAI weltweit wertvolles Wissen und unterstützt Anästhesieteams dabei, Herausforderungen erfolgreich zu meistern. (Credits: DGAI e.V.)

Derzeit enthält die Plattform Empfehlungen zu 230 seltenen Erkrankungen und wurde im Jahr 2024 mehr als 82.000 Mal genutzt. Die Anzahl der gesammelten Empfehlungen sei zwar beachtlich, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Allerdings gebe es weltweit schätzungsweise 8.000 seltene Erkrankungen, so dass die Datenbank ständig erweitert werde.

Jüngste Ergänzung ist die Empfehlung zur anästhesiologischen Versorgung von Patienten, die am CLOVES-Syndrom (Congenital Lipomatous Overgrowth-Vascular Malformation-Epidermal Nevi-Syndrome) leiden. Diese seltene Erkrankung hat eine Prävalenz von weniger als 1:1.000.000 und geht mit Fehlbildungen des Fettgewebes, vaskulären Malformationen, Hautveränderungen sowie Wirbelsäulen- und Skelettanomalien einher. Aufgrund der geringen Fallzahlen fehlen in der klinischen Praxis häufig erprobte Vorgehensweisen. So haben Menschen, die daran erkrankt sind, mit einem erhöhten Risiko für Gefäßverschlüsse, Atemwegskomplikationen und instabilem Kreislauf unter Anästhetika zu kämpfen. Bei Unfällen, geplanten Operationen, aber auch Zahnarztbesuchen oder gar einer bevorstehenden Geburt kann das zu einem deutlich erhöhten Risiko für Komplikationen führen.

„Unsere Empfehlungen zum CLOVES-Syndrom stehen exemplarisch für die Herausforderungen, denen sich Anästhesieteams bei seltenen Erkrankungen stellen müssen“, sagt Projektleiterin Dr. Christine Gaik. „Eine sorgfältige präoperative Planung ist durch das erhöhte Risiko für thromboembolische Ereignisse, Atemwegskomplikationen und einer Kreislaufinstabilität unerlässlich. OrphanAnesthesia stellt den anästhesiologischen Teams hier entscheidende Informationen bereit, um diese Risiken zu meistern“, erläutert sie.

Neben einer kurzen Beschreibung der Erkrankung und typischen Eingriffen enthalten die Handlungsempfehlungen praxisrelevante Hinweise zur Auswahl des Anästhesieverfahrens, dessen Vorbereitung und Durchführung sowie zur postoperativen Überwachung. Ergänzt werden diese durch Informationen zum Blutungsmanagement sowie zur ambulanten und geburtshilflichen Anästhesie. Seit 2022 sind in den Empfehlungen zudem Informationen zum Notfallmanagement integriert. Diese bieten in zeitkritischen Situationen eine strukturierte Übersicht anhand des international etablierten ABCDE-Versorgungsschemas und unterstützen die Anästhesie-Teams auch im Notfall bei der Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen.

Initiiert wurde OrphanAnesthesia bereits 2005 vom wissenschaftlichen Arbeitskreis Kinderanästhesie der DGAI. Die Handlungsempfehlungen sind standardisiert, durchlaufen nach Erstellung einen internationalen Peer-Review Prozess und werden in der digitalen Datenbank gespeichert. „Damit konzentriert das Projekt das breit gestreute Wissen aus wissenschaftlichen Publikationen und Erfahrungen anerkannter Experten und stellt es Fachleuten, Patienten sowie Selbsthilfeorganisationen zur Verfügung“, erläutert Prof. Dr. Tino Münster, der das Projekt von Beginn an federführend betreut und erst vor kurzem an seine beiden Nachfolger abgegeben hat.

Mit dem Projekt leiste die DGAI einen wichtigen Beitrag, um weltweit standardisierte und evidenzbasierte Versorgung sicherzustellen, fasst DGAI-Generalsekretär Prof. Dr. Bernd Zwißler zusammen. „Dabei stehen wir vor der Aufgabe, unser Netzwerk weiter auszubauen und den Austausch mit internationalen Experten zu intensivieren.“ Zwißler ermutigt deshalb gerne Fachkollegen, sich aktiv zu beteiligen – sei es bei der Erstellung oder Begutachtung von Empfehlungen oder der Informationsweitergabe an Patientenorganisationen. „Jeder Beitrag ist wertvoll!“

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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