Plattform für räumliche Transkriptomik bildet 3D-Karten kranker Gewebe ab

von | Jun 25, 2024 | Allgemein, Forschung

Virtueller Gewebeblock in 3D. Die Farben stehen für das Ablesen ausgewählter Gene. | Quelle: AG N. Rajewsky | Copyright: AG N. Rajewsky, Max Delbrück Center

Die Arbeitsgruppe um den Systembiologen Nikolaus Rajewsky hat eine Plattform für räumliche Transkriptomik namens Open-ST entwickelt. Die Plattform rekonstruiert die Genexpression in den Zellen eines Gewebes in drei Dimensionen, berichten die Wissenschaftler*innen in „Cell“. Sie generiert diese Karten mit einer so hohen Auflösung, dass molekulare und (sub)zelluläre Strukturen erkennbar sind, die in herkömmlichen 2D-Ansichten oft verloren gehen.

Open-ST konnte zum Beispiel die Zelltypen aus dem Gewebe von Mäuse-Hirnen mit subzellulärer Auflösung darstellen. Von einem Patienten mit einem Kopf-Hals-Tumor lagen Biopsien aus dem Tumor, aus einem gesunden und einem metastasierten Lymphknoten vor; hier konnte die Plattform die Vielfalt der Immun-, Stroma- und Tumor-Zellpopulationen abbilden. Sie zeigte, dass diese Zellpopulationen an bestimmten Stellen im Primärtumor besonders intensiv miteinander kommunizierten und sich um diese Stellen herum gruppiert hatten. Die Struktur ging allerdings in der Metastase verloren.

Solche Einblicke können Forschenden helfen, das Zusammenspiel von Krebszellen und ihrer Umgebung zu verstehen – und möglicherweise aufzudecken, wie der Krebs dem Immunsystem entkommt. Sie können die Daten auch nutzen, um Angriffspunkte für Medikamente zu finden, die auf den jeweiligen Patienten oder die jeweilige Patientin zugeschnitten sind. Die Plattform ist nicht auf Krebs beschränkt; sie kann jedes beliebige Gewebe und ganz unterschiedliche Organismen analysieren.

Transkriptomik zeigt, welche Gene in einer Zelle oder Zellpopulation gerade abgelesen werden. Doch in der Regel werden keine räumlichen Informationen erfasst. Die räumliche Transkriptomik dagegen misst bei der jeweiligen Gewebeprobe die RNA-Expression im Raum. Open-ST bietet eine kostengünstige, hochaufgelöste und einfach anwendbare Methode, die sowohl die Morphologie des Gewebes berücksichtigt als auch die räumliche Transkriptomik des Gewebeschnitts. Serielle 2D-Karten können so aufeinander ausgerichtet werden, dass ein „virtueller 3D-Gewebeblock“ entsteht.

Die Open-ST-Bilder von Krebsgewebe zeigten zudem potenzielle Biomarker an der dreidimensionalen Grenze zwischen Lymphknoten und Tumorzellen. Sie könnten Angriffspunkte für Medikamente sein. „Diese Strukturen waren in den 2D-Bildern unsichtbar. Sie konnten erst dank der unbeeinflussten Rekonstruktion des Gewebes in 3D erkannt werden“, sagt Daniel León-Periñán, einer der Erstautoren und Autorinnen der Studie.

Eine kostengünstige und frei zugängliche Technologie

Ein großer Vorteil von Open-ST sind die Kosten. Kommerziell erhältliche räumliche Transkriptomik-Werkzeuge sind teilweise unerschwinglich teuer. Open-ST verwendet dagegen Standardgeräte im Labor und erfasst die RNA effizient. Beides senkt die Kosten erheblich. Forscher*innen können ihre Studien daher auf große Stichprobengrößen ausdehnen und zum Beispiel ganze Kohorten von Patientinnen und Patienten untersuchen.

Dem Team liegt eine umfassende Nutzung der Plattform am Herzen und hat daher den gesamten experimentellen und informatischen Workflow frei zugänglich gemacht. „Wichtig zu wissen für die künftige Projekte ist: Die Plattform ist modular aufgebaut. Open-ST kann also an besondere Anforderungen angepasst werden“, sagt León-Periñán. „Sämtliche Werkzeuge sind so flexibel, dass sie entsprechend eingestellt und geändert werden können.“


Die Plattform bei GitHub:
 

GitHub – rajewsky-lab/openst: Open-ST: profile and analyze tissue transcriptomes in 3D with high resolution in your lab

 

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