Weltneuheit: Flexible Tumorbestrahlung als Krebsbehandlung
Es ist eine gute Nachricht für Menschen mit Krebs und Weltneuheit zugleich: Bei der Behandlung von Krebskranken lässt sich die Bestrahlung täglich neu an die Lage des Tumors und die Gegebenheiten im Körper anpassen. Einen solchen Workflow haben Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI jetzt erstmals in den täglichen klinischen Alltag einer Protonentherapie eingebaut − ein wichtiger Schritt in der Individualisierung der Therapie.
Die meisten Unterschiede, die sich im Körper von einem Tag zum anderen zeigen, sind nur gering und spielen sich in Ausmaßen von Millimetern ab. “Aber bei Krebskranken, die mit Protonen bestrahlt werden, können selbst solche kleinen Veränderungen erhebliche Auswirkungen auf die optimale Strahlendosis haben”, sagt Francesca Albertini, Medizinphysikerin am Protonentherapiezentrum des PSI. Mehr oder weniger Schleim, Luft, Muskulatur oder Fett – all das ist bei der Berechnung des Behandlungsplans zu berücksichtigen.
Forschenden am PSI ist es in einer weltweiten Premiere nun erstmals gelungen, diese Vorgehensweise erfolgreich in den täglichen klinischen Alltag zu integrieren. Diese erneute Pionierleistung des Zentrums für Protonentherapie in Villigen wird eine bereits jetzt exzellente Behandlung noch weiter verbessern.
Protonen gegen Krebs
Genau wie Photonen bei der gewöhnlichen Strahlentherapie töten Protonen Krebszellen ab. Protonen sind allerdings Teilchen mit Masse und Ladung, und ihre Eindringtiefe ins Gewebe ist physikalisch ganz genau vorbestimmt. Sie verlieren auf dem Weg durch den Körper nur wenig Energie und geben den größten Teil in ihrem Ziel, dem Tumor, ab. Sie bleiben dort förmlich stecken.
Damit der Tumor möglichst vollständig bestrahlt und das umliegende Gewebe geschont wird, werden Patientinnen und Patienten vor Beginn der Protonentherapie im Computertomograf (CT) gescannt. Es wird ein Behandlungsplan erstellt: Dabei berechnet die Ärztin oder der Arzt, welche Körperareale genau mit dem Protonenstrahl dreidimensional abzurastern sind und wie energiereich der Strahl dabei sein muss.
Während einer Protonentherapie wird der Tumor an fünf Tagen in der Woche bestrahlt, über meist zwei bis sieben Wochen. Wird der Behandlungsplan jeden Tag aufs Neue an die tagesaktuelle Anatomie der Patientin oder des Patienten angepasst, wird die Bestrahlung noch zielgenauer.
Schnell und sicher
Bei dem neuen Workflow wird vor jeder Bestrahlung eine niedrigdosierte CT-Aufnahme angefertigt. Die Strahlendosis der Protonentherapie wird dann − je nach tagesaktueller Anatomie sowie Positionierung der Patientin oder des Patienten auf der Behandlungsliege − neu berechnet. Dafür haben die PSI-Forschenden um Francesca Albertini eine Software entwickelt, die den Behandlungsplan an die jeweils aktuelle Situation – ausgehend von einem CT-Bild – anpasst. Anschließend wird sofort nach dem neuen Plan bestrahlt.
«Ein solches Verfahren bringt im Grunde nur Vorteile mit sich», sagt Francesca Albertini. «Wir können sicherstellen, dass das Zielvolumen – sprich der Tumor – genau getroffen wird. Dabei verkleinert sich insgesamt die Strahlenlast, da gesundes Gewebe weniger belastet wird.»
Möglicher Nachteil kann sein, dass insgesamt mehr Zeit pro Anwendung verstreicht, weshalb die Patientinnen und Patienten länger auf der Liege verharren müssen. Im ungünstigsten Fall könnten pro Tag weniger Menschen behandelt werden, es profitieren also weniger von der Protonentherapie. “Es war uns daher wichtig, vor allem die Geschwindigkeit des Ablaufs zu optimieren”, betont Albertini. Mit Erfolg: Insgesamt dauerte die Bestrahlung mit Anpassung des Behandlungsplans im Schnitt lediglich vier Minuten länger als ohne das neue Verfahren.
Originalpublikation:
First clinical implementation of a highly efficient daily online adapted proton therapy (DAPT) workflow
Francesca Albertini, Katarzyna Czerska, Miriam Vazquez, Ilya Andaca, Barbara Bachtiary, Rico Besson, Anne Sophie Bogaert, Alessandra Bolsi, Evangelia Choulilitsa, Jan Hrbacek, Sisse Jakobsen, Dominik Leiser, Michael Matter, Alexander Mayor, Gabriel Meier, Andrè Nanz, Lena Nenoff, David Oxley, Dorota Siewert, Benno A. Rohrer Schnidrig, Andreas Smolders, Hubert Szweda, Michelle Van Heerden, Carla Winterhalter, Antony J. Lomax, Damien C. Weber
Physics in Medicine and Biology, 18.09.2024 (online)
DOI: 10.1088/1361-6560/ad7cbd
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