Typ-1-Diabetes bei Kindern: Das Übersehen von Symptomen ist lebensbedrohlich
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat eine Aufklärungskampagne gestartet, um die Aufmerksamkeit für Typ-1-Diabetes bei Kindern zu schärfen. Vier gelb unterlegte Piktogramme, die Frühsymptome wie Müdigkeit, Durst und Gewichtsverlust, veranschaulichen, bilden das Herzstück der Initiative. Ziel ist es, die Zahl der jungen Patienten zu senken, bei denen Diabetes bislang erst in einem lebensbedrohlichen Stadium erkannt wird. Die Kampagne und erste Erfolge werden auf der 18. Diabetes Herbsttagung der DDG vorgestellt.
Ein Typ-1-Diabetes entwickelt sich meist im Kindes- oder Jugendalter. Aus noch unbekannter Ursache greift das körpereigene Immunsystem diejenigen Zellen der Bauchspeicheldrüse an, die das lebenswichtige Hormon Insulin produzieren. Fehlt das an der Blutzuckerregulation beteiligte Hormon, gerät der Zuckerstoffwechsel aus der Balance und es verbleibt dauerhaft zu viel Zucker im Blut der Betroffenen. „Diabetes ist heute zwar gut behandelbar“, sagt Prof. Dr. Andreas Neu, Senior Consultant an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen und Past-Präsident der DDG. „Dennoch bleibt er eine chronische, nicht heilbare Erkrankung, die eine sofortige und lebenslange Therapie erfordert.“
Rund jede 4. Neuerkrankung wird jedoch so spät erkannt, dass die Stoffwechselstörung bereits dramatische Ausmaße angenommen hat: Infolge eines entgleisenden Zuckerstoffwechsels übersäuert das Blut und es kommt zu Elektrolytverschiebungen, die zu Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Koma führen können. Dieser als diabetische Ketoazidose (DKA) bezeichnete Zustand kann binnen Stunden lebensbedrohlich werden. Umso wichtiger ist es, die ersten Anzeichen für einen Insulinmangel frühzeitig zu erkennen und das Kind sofort in ärztliche Behandlung zu bringen. „Ein Typ-1-Diabetes entwickelt sich zwar rasch“, sagt Neu. „Dennoch kündigt er sich so rechtzeitig an, dass eine Ketoazidose gut verhindert werden könnte.“
Doch oft fallen die Symptome und Verhaltensänderungen im Alltag nicht früh genug auf. Denn jedes Symptom für sich genommen ist so unspezifisch, dass es leicht missverstanden werden kann.
Das Kind ist müde? – Es muss ja auch früh aufstehen, um rechtzeitig zum Kindergarten oder zur Schule zu kommen. – Es verliert an Gewicht? – Es geht vermutlich nur der Babyspeck verloren. – Es trinkt viel? – Wer hätte bei der Hitze nicht mehr Durst als sonst?
Hier genauer hinzuschauen, dazu soll die DDG-Kampagne animieren. Auf Flyern und Plakaten klären kurze Informationstexte über den Typ-1-Diabetes auf, die einprägsamen gelben Piktogramme machen auf die Frühsymptome aufmerksam. Dass solche Aufklärungskampagnen die Ketoazidose-Rate deutlich senken können, zeigen Erfahrungen aus dem In- und Ausland. So stützt die aktuelle Kampagne sich auf die Initiative der Kinderdiabetologen Dr. Martin Holder und Prof. Dr. Stefan Ehehalt, die die mit Piktogrammen versehenen Informationsmaterialien bereits in den Jahren 2015 bis 2017 im Großraum Stuttgart erprobt haben. „In dieser Zeit ist die Ketoazidose-Rate dort von 28 auf 16 Prozent gesunken“, berichtet Neu – ein überwältigendes Ergebnis.
Auf Grundlage dieser Vorerfahrungen hat die pädiatrische Arbeitsgemeinschaft der DDG gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) die DKA-Präventionskampagne weiterentwickelt. Seit 2021 werden die Flyer und Plakate bundesweit an niedergelassene Kinder- und Jugendärzte ausgegeben, die sie im Rahmen der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen an die Eltern weitergeben. Auch im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen sollen die Materialien zur Aufklärung verwendet werden. Durch die Einbeziehung von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Vereinen sollen zudem auch Betreuungspersonen für die Diabetes-Symptome sensibilisiert werden. „Ganz aktuell haben wir die Kampagne auch im Wortsinne auf die Straße gebracht“, berichtet DDG-Experte Neu. Denn die Piktogramme prangen neuerdings auch auf dem Silotransporter einer Speditionsfirma, die hauptsächlich in Süddeutschland unterwegs ist.
Bei den folgenden 4 Warnzeichen sollten Kinder umgehend ärztlich untersucht werden
• Starker Durst
• Häufiges Wasserlassen – auch nachts
• Gewichtsverlust
• Müdigkeit
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