Rheuma bei Jugendlichen: Nur bei der Hälfte gelingt ein Übergang in die Erwachsenenrheumatologie
Eine Studie des Forschungsprojekts InfoTrans macht deutliche Defizite bei der Rheumabehandlung von jungen Erwachsenen aus. Diese Defizite betreffen jene Phase, in der Jugendliche mit Rheuma in die Erwachsenenmedizin wechseln müssen. Nur bei der Hälfte der jungen Patienten gelingt ein nahtloser Übergang.

Juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist die häufigste chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung im Kindesalter. Sie beginnt vor dem vollendeten 16. Lebensjahr und geht mit Gelenkschmerzen, Morgensteifigkeit und eingeschränkter Beweglichkeit einher. Rund 14.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden daran. „Trotz moderner Therapien, die die Entzündungen lindern und das Fortschreiten der Erkrankung bremsen, bleibt eine JIA bei vielen Betroffenen bis ins Erwachsenenalter aktiv. Eine fortlaufende rheumatologische Betreuung von der pädiatrischen in die Erwachsenenversorgung ist daher entscheidend“, sagt Professor Dr. med. Ina Kötter, 1. Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und Leiterin der Sektion Rheumatologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
In der Regel müssen sich junge Patienten mit dem Erreichen der Volljährigkeit eigenständig eine rheumatologische Praxis für Erwachsene suchen. Entstehen zu lange Therapiepausen oder setzt die Behandlung ganz aus, wirkt sich dies negativ auf den Verlauf der Erkrankung aus. „Gründe für einen verspäteten oder versäumten Wechsel sind Schwierigkeiten beim Zugang zu einer umfassenden rheumatologischen Versorgung oder fehlendes Bewusstsein für die Notwendigkeit einer weiteren Betreuung“, erklärt Professorin Dr. med. Kirsten Minden, Sprecherin des DGRh-Arbeitskreises Transitionsmedizin und Kinderrheumatologin am Sozialpädiatrischen Zentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Neben organisatorischen Hürden wie langen Wartezeiten spielen dabei auch Gefühle eine zentrale Rolle: „An dieser Stelle endet in der Regel die oft enge Beziehung zu den Kinderärzte“, so Minden. „Damit wächst die Sorge, dass die eigenen Bedürfnisse nicht mehr ausreichend gehört werden.“ Die Angst vor der Veränderung sei für die Betroffenen belastend. „Der Wechsel in die Erwachsenenmedizin erfordert daher nicht nur eine medizinische Begleitung, sondern auch eine psychosoziale Unterstützung, die die individuellen Lebensumstände der jungen Menschen berücksichtigt“, betont die Kinderrheumatologin. Dafür fehle allerdings seitens der Kostenträger die Anerkennung einer interdisziplinären, ganzheitlichen Transition von chronisch kranken Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin als Regelleistung.
Aktuelle Studien zeigen, dass Depressionen und Angststörungen bei jungen Erwachsenen mit JIA deutlich häufiger auftreten als unter gesunden Gleichaltrigen. Etwa 19 Prozent der Betroffenen berichten über moderate bis schwere depressive Symptome. Diese psychische Belastung kann durch eine schwierige Transition noch verstärkt werden und wirkt sich negativ auf die Krankheitsbewältigung und die Therapietreue aus. „Es reicht nicht aus, die körperlichen Symptome zu behandeln. Wir müssen die seelischen Belastungen frühzeitig erkennen und darauf reagieren“, so Minden weiter. „Eine intensive Begleitung in dieser Lebensphase kann langfristige gesundheitliche Folgen verhindern.“
Die DGRh fördert nicht zuletzt über den Arbeitskreis Transitionsmedizin eine intensivere Zusammenarbeit zwischen pädiatrischen und internistischen Rheumatologen, um den Übergang zu erleichtern. Gleichzeitig erschwert die begrenzte Anzahl an Rheumatologen in Deutschland die Suche nach einer passenden medizinischen Betreuung erheblich. Der Wechsel von der Kinder- in die Erwachsenenrheumatologie ist mehr als nur ein medizinischer Prozess – er erfordert Aufmerksamkeit für die emotionalen Bedürfnisse der jungen Betroffenen. „Wir müssen diese Phase als Chance begreifen, die Patienten ganzheitlich zu stärken“, fasst DGRh-Vizepräsidentin Kötter zusammen. „Nur so können wir ihnen eine optimale Versorgung ermöglichen.“
Hintergrund
Gemeinsamer Bundesausschuss. (o.D.). Optimierung des InformationsTransfers an der Schnittstelle Kinder-/Erwachsenenrheumatologie (InfoTrans). Innovationsfonds. https://innovationsfonds.g-ba.de/service/projekteinblicke/infotrans/
Milatz, F., et al. (2024). Anxiety and depression symptoms in adolescents and young adults with juvenile idiopathic arthritis: Results of an outpatient screening. Arthritis Research & Therapy, 26(82). https://doi.org/10.1186/s13075-024-03312-x
Smitherman, E. A., et al. (2023). Patient-reported outcomes among transition-age young adults with juvenile idiopathic arthritis in the Childhood Arthritis and Rheumatology Research Alliance Registry. Journal of Rheumatology, 50(98–106). https://doi.org/10.3899/jrheum.220514
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