Pseudomonas aeruginosa: Helmholtz-Zentrum entschlüsselt Überlebensstrategie des Krankenhauskeims

von | Juli 3, 2025 | Forschung, Gesundheit, Nicht kategorisiert

Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa, ein gefürchteter Krankenhauskeim, hat einen raffinierten Trick, um Infektionen im menschlichen Körper erfolgreich zu etablieren. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) hat nun herausgefunden, dass der Erreger durch epigenetische Mechanismen unterschiedliche Subpopulationen bildet – selbst innerhalb genetisch identischer Bakterien. Diese Entdeckung, veröffentlicht im Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), könnte neue Wege in der Bekämpfung des oft multiresistenten Keims eröffnen.

Pseudomonas aeruginosa ist ein wahrer Überlebenskünstler. Der Erreger, der in Böden, Gewässern und auf feuchten Oberflächen gedeiht, fühlt sich auch im menschlichen Körper wohl – besonders bei geschwächtem Immunsystem. In Krankenhäusern ist er berüchtigt, da er Wundinfektionen, chronische Lungeninfektionen und Blutvergiftungen auslösen kann. Seine wachsende Resistenz gegen Antibiotika macht ihn zu einer globalen Bedrohung. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass P. aeruginosa gezielt auf Vielfalt setzt – und sich so an wechselnde Bedingungen im menschlichen Körper anpassen kann“, erklärt Professorin Susanne Häußler, Leiterin der Studie und der Abteilung Molekulare Bakteriologie am HZI sowie am TWINCORE in Hannover.

Zellen von Pseudomonas aeruginosa in Falschfarben dargestellt. Weiße Zellen weisen eine hohe Aktivität des Promotors des Gens glpD auf. | Quelle: Anika Steffen | Copyright: HZI/Anika Steffen
Zellen von Pseudomonas aeruginosa in Falschfarben dargestellt. Weiße Zellen weisen eine hohe Aktivität des Promotors des Gens glpD auf. | Quelle: Anika Steffen | Copyright: HZI/Anika Steffen

Das Forschungsteam entdeckte, dass der Erreger innerhalb einer genetisch identischen Population unterschiedliche funktionelle Rollen entwickelt, als wäre er nicht ein einziger Keim, sondern viele verschiedene. Der Schlüssel liegt in einem „epigenetischen Gedächtnis“, das die Aktivität bestimmter Gene über Generationen hinweg steuert. Besonders auffällig war das Gen glpD, das ein Enzym für den Glycerolstoffwechsel kodiert. „Wir haben festgestellt, dass glpD in einer reinen Bakterienkultur überraschend variabel exprimiert wird“, sagt Dr. Nicolas Oswaldo Trinler, Wissenschaftler in Häußlers Team. Mithilfe gentechnischer Methoden konnten die Forschenden ein ON/OFF-Verhalten dieses Gens nachweisen: Während einige Bakterien das Gen stark aktivieren, bleibt es bei den meisten inaktiv.

Diese Variabilität ist kein Zufall, sondern eine strategische Arbeitsteilung. Bakterien mit aktiver glpD-Expression produzieren mehr Toxine, sind beweglicher und können Immunzellen effektiver angreifen. Diejenigen mit niedriger Expression hingegen agieren unauffälliger, was ihnen helfen könnte, sich vor dem Immunsystem zu verstecken. „Diese Vielfalt innerhalb einer klonalen Population ist keine Schwäche, sondern eine kluge Überlebensstrategie“, betont Trinler. Sie ermöglicht es dem Erreger, gleichzeitig anzugreifen und sich abzusichern, was seine Fähigkeit stärkt, Infektionen zu etablieren.

Durch den Einsatz modernster Einzelzellanalysen, Live-Mikroskopie und mathematischer Modellierung zeigte das Team, dass diese Diversität schon aus wenigen Bakterien entstehen kann – etwa wenn Erreger durch eine Wunde oder beim Einatmen in den Körper gelangen. Die Erkenntnisse erklären, warum P. aeruginosa-Infektionen so schwer zu behandeln sind: Klassische Antibiotika und das Immunsystem können oft nicht alle Subpopulationen gleichzeitig bekämpfen.

Die Studie eröffnet neue Perspektiven für die Medikamentenentwicklung. „Epigenetische Mechanismen wie der hier entdeckte könnten gezielte Ansatzpunkte bieten, um die Anpassungsfähigkeit des Erregers zu blockieren“, sagt Häußler. Künftige Therapien könnten darauf abzielen, die Fähigkeit des Bakteriums zu unterbinden, solche funktionellen Subpopulationen zu bilden. Damit könnte ein wichtiger Schritt gelingen, um einen der gefährlichsten Krankenhauskeime zu entschärfen.

Original Paper:

Elisabeth Vatareck*, Tim Rick*, Nicolas Oswaldo Gomez⁕, Arnab Bandyopadhyay*, Janina Kramer, Dmytro Strunin, Jelena Erdmann, Oliver Hartmann, Kathrin Alpers, Christian Boedeker, Anika Steffen, Christian Sieben, Gang Zhao, Jürgen Tomasch, Susanne Häussler. Epigenetic cellular memory in Pseudomonas aeruginosa generates phenotypic variation in response to host environments. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2025. DOI: 10.1073/pnas.2415345122
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