Parkinson-Medikament Entacapon verändert das Darmmikrobiom negativ

von | Nov 22, 2024 | Allgemein, Forschung, Gesundheit

In einer bahnbrechenden neuen Studie, durchgeführt im Rahmen des FWF-geförderten Exzellenzclusters “Mikrobiomes drive Planetary Health”, haben Forschende der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der University of Southampton, der Aalborg University und der Boston University aufgedeckt, dass das häufig verschriebene Parkinson-Medikament Entacapon das menschliche Darmmikrobiom erheblich negativ verändert, indem es Eisenmangel hervorruft. Die Studie, die aktuell in Nature Microbiology veröffentlicht wurde, liefert neue Einblicke in die oft übersehenen Auswirkungen von Arzneistoffen auf mikrobielle Gemeinschaften, die eine entscheidende Rolle für die menschliche Gesundheit spielen.

Chemische Bildgebung aktiver Darmmikroben. Nach kurzer Inkubation mit schwerem Wasser, Nährmedium und einem Arzneistoff, werden verschiedene chemische Bindungen (hier C-D und C-H) in der Stuhlprobe in Gelb und Grün dargestellt, ihr Verhältnis in Gelb-Lila | Copyright: Xiaowei Ge (Universität Boston)
Chemische Bildgebung aktiver Darmmikroben. Nach kurzer Inkubation mit schwerem Wasser, Nährmedium und einem Arzneistoff, werden verschiedene chemische Bindungen (hier C-D und C-H) in der Stuhlprobe in Gelb und Grün dargestellt, ihr Verhältnis in Gelb-Lila | Copyright: Xiaowei Ge (Universität Boston)

Während bereits lange bekannt ist, dass Antibiotika das menschliche Darmmikrobiom erheblich stören, zeigen neuere Forschungen, dass auch eine Vielzahl von anderen Medikamenten – insbesondere solche zur Behandlung neurologischer Erkrankungen – die mikrobiellen Gemeinschaften in unserem Körper stark beeinflussen können. Zusätzlich zu ihren therapeutischen Effekten auf verschiedene Organe bringen diese Wirkstoffe ungewollt die Darmmikroben aus dem Gleichgewicht, was potenziell gesundheitliche Konsequenzen nach sich zieht. Bisher stützten sich Studien zu diesen Wechselwirkungen entweder auf Patient*innenanalysen, die durch viele Störfaktoren beeinflusst sind, oder auf Experimente mit isolierten Darmbakterien, die die Komplexität des menschlichen Mikrobioms nicht vollständig erfassen.

Untersuchung von Medikament-Mikroben-Wechselwirkungen

Um diese komplexen Wechselwirkungen besser zu verstehen, nutzte das internationale Forschungsteam einen innovativen experimentellen Ansatz. Sie untersuchten die Wirkung von zwei Medikamenten – Entacapon und Loxapin, einem Medikament zur Behandlung von Schizophrenie – auf Stuhlproben gesunder menschlicher Spender. Die Wissenschafter*innen analysierten die Auswirkungen auf die mikrobiellen Gemeinschaften mithilfe modernster molekularer und bildgebender Techniken, darunter eine Methode zur Aktivitätsmessung mittels schweren Wassers und Stimulierter Raman-Spektroskopie (SRS). Die Forscher*innen entdeckten, dass Loxapin und insbesondere Entacapon viele Mitglieder des Mikrobioms stark hemmten, während Escherichia coli unter dem Einfluss von Entacapon stark zunahm.

“Die Ergebnisse waren noch deutlicher, als wir die mikrobielle Aktivität untersuchten und nicht nur die bloße Anwesenheit der Mikroben”, erklärt Fatima Pereira, Erstautorin der Studie und ehemalige Postdoktorandin an der Universität Wien. “Die Methode mit schwerem Wasser und SRS ermöglichte es uns, bedeutende Veränderungen im Darmmikrobiom zu beobachten, die in herkömmlichen Abundanzmessungen oft übersehen werden.”

Entacapon verursacht Eisenmangel und begünstigt pathogene Mikroben

Die Forscher*innen vermuteten aufgrund der chemischen Struktur des Arzneistoffs, dass Entacapon die Eisenverfügbarkeit im Darm beeinträchtigen könnte, ein wesentlicher Nährstoff für viele Mikroben. Ihre Experimente bestätigten, dass tatsächlich die Zugabe von Eisen zu den mit Entacapon behandelten Stuhlproben die Veränderungen des Mikrobioms weitgehend aufhob. Weitere Untersuchungen ergaben, dass E. coli, das sich unter diesen Bedingungen stark vermehrte, über ein hoch effizientes Eisenaufnahmesystem verfügte. Dieses System ermöglichte es den Bakterien, Eisenmangel zu überwinden und sich trotz des Medikaments zu vermehren.

Breitere Auswirkungen auf Medikament-Mikrobiom-Wechselwirkungen

Diese Entdeckung hat weitreichende Implikationen für das Verständnis, wie auch andere Medikamente das Darmmikrobiom potentiell beeinflussen könnten. Mehrere Medikamente, einschließlich Entacapon, enthalten metallbindende Catecholgruppen, was darauf hindeutet, dass dieser Mechanismus ein häufiger Weg für medikamenteninduzierte Veränderungen des Mikrobioms sein könnte.

Die Ergebnisse bieten zudem die Möglichkeit, die Nebenwirkungen von Medikamenten wie Entacapon zu mildern, indem eine ausreichende Eisenverfügbarkeit im Dickdarm sichergestellt wird. 

Original Paper:

The Parkinson’s disease drug entacapone disrupts gut microbiome homoeostasis via iron sequestration | Nature Microbiology

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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