Neuronale Muster reorganisieren sich im Schlaf
Forschende aus der Gruppe von Professor Jozsef Csicsvari am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) haben die Schlüsselrolle der Schlafphasen für die Optimierung der Gedächtnisleistung nachgewiesen. Mit einer kabellosen Methode haben sie die neuronalen Aktivitätsmuster im Gehirn von Ratten in einem Schlaf-Zyklus von 20 Stunden gemessen und damit die bisher gemeldeten Messzeiten erheblich verlängert. „Wir haben gezeigt, dass die neuronalen Anordnungen in den frühen Schlafphasen kürzlich erlernte räumliche Erinnerungen widerspiegeln. Mit fortschreitendem Schlaf verwandeln sich die neuronalen Aktivitätsmuster jedoch allmählich in die Muster, die später zu sehen sind, wenn die Ratten aufwachen und sich an die Orte erinnern, an denen sie ihre Futterbelohnungen erhalten haben“, sagt Csicsvari.

Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass ein kortikaler Hirnbereich namens Hippocampus sowohl für das Erkunden und Einhalten von Routen in einer Umgebung (sogenannte räumliche Navigation) wichtig ist, als auch für das räumliche Lernen. Neuronen im Hippocampus verfolgen die Position des Tieres, indem sie an bestimmten Orten feuern und so eine kognitive Karte der Umgebung erstellen. Tiere nutzen diese Karte, um sich im Raum zurechtzufinden, und aktualisieren sie während des Lernens. Bei diesem Prozess spielen die Belohnungsorte eine entscheidende Rolle, da sie auf der kognitiven Karte der Tiere überproportional stark vertreten sind.
Nach dem räumlichen Lernen spielt der Hippocampus eine wichtige Rolle bei der Verbesserung des Gedächtnisses im Schlaf. Das geschieht durch die Reaktivierung kürzlich erlernter Gedächtnisspuren. In einer früheren Studie zeigte die Csicsvari Gruppe des ISTA, dass sich das Tier beim Aufwachen umso besser an einen bestimmten Belohnungsort erinnerte, je öfter dieser im Schlaf reaktiviert wurde. Als das Team hingegen versuchte, die Reaktivierung eines bestimmten Belohnungsgedächtnisses zu blockieren, konnten sich die Tiere nicht an den jeweiligen Ort erinnern.
Reorganisation neuronaler Muster während des Schlafs prägt Erinnerungen
Während Forschende bisher nur die Reaktivierung räumlicher Erinnerungen in kürzeren Schlafphasen von zwei bis vier Stunden untersuchen konnten, führte das Team nun solche Experimente während des langen Nachtschlafs durch. Mithilfe von drahtlosen Aufzeichnungen überwachten sie die neuronale Aktivität im Hippocampus bis zu 20 Stunden lang, während die Ratten – nach einer räumlichen Lernerfahrung – ruhten und schliefen.
„Unsere Ergebnisse waren unerwartet. Wir konnten zeigen, dass sich die Aktivitätsmuster der Neuronen, die mit den Belohnungsorten verbunden sind, während des langen Schlafs neu organisieren“, sagt der kürzlich am ISTA promovierte ehemalige Doktorand Lars Bollmann, einer der beiden Erstautoren der Studie. Tatsächlich blieben bei der Reaktivierung eines bestimmten Belohnungsortes nicht alle Neuronen, die diesen Ort repräsentierten, während des gesamten Schlafs aktiv. Während einige aktiv blieben – die ISTA-Forscher nannten sie eine „stabile Untergruppe“ –, hörten andere in späteren Schlafphasen auf zu feuern. Gleichzeitig begann jedoch eine neue Gruppe von Neuronen allmählich zu feuern.
„Am überraschendsten war, dass wir zeigen konnten, dass das Muster der feuernden Neuronen in den frühen Schlafphasen zwar die neuronale Aktivität in der Lernphase widerspiegelte, sich dieses Muster jedoch später weiterentwickelte, um die neuronale Aktivität beim Aufwachen der Ratten und der Erinnerung an die Position der Belohnungen widerzuspiegeln“, fügt Bollmann hinzu. Das Team beobachtete also nicht nur eine Verschiebung der neuronalen Aktivitätsmuster während des Schlafs im Rahmen des räumlichen Lernens, sondern brachte sie auch mit dem Prozess der Gedächtnisreaktivierung in Verbindung. So konnten sie aufzeigen, wie der Schlaf dazu beiträgt, Erinnerungen frisch zu halten. Darüber hinaus zeigten sie, dass diese Reorganisation während des Non-REM-Schlafs (Non-Rapid-Eye-Movement-Schlaf) stattfindet, während der REM-Schlaf ihr entgegenwirkt.
Original Paper:
Sleep stages antagonistically modulate reactivation drift: Neuron
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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