Kenntnis um Abwehrmechanismen von Pilzen kann zu neuen Therapien von Mykosen führen

von | Jan. 14, 2025 | Allgemein, Forschung, Gesundheit

Ein deutsch-österreichisches Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektiologie (Hans-Knöll-Institut Leibniz HKI) macht einen oft übersehenen Mechanismus der Genregulierung für den Misserfolg von Antimykotika in der klinischen Praxis verantwortlich: Pilze können ihre Abwehr stärken. Im Mittelpunkt dieses Abwehrprozesses steht das Enzym Mod5, das eine wichtige Rolle bei der Modifikation von transfer-RNA (t-RNA) spielt. Diese chemischen Veränderungen an der tRNA helfen der Zelle, Proteine, die für ihre Funktion wichtig sind, korrekt zu produzieren.

Im Mittelpunkt der Studie stand der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, der vor allem bei immunschwachen Menschen lebensbedrohliche Infektionen auslösen kann. Gezielte Veränderungen der Pilz-RNA ermöglichen ein besseres Verständnis der molekularen Mechanismen, die für den Aufbau von Resistenzen und die Abwehrmechanismen des Pilzes gegen Medikamente verantwortlich sind. Die Bedeutung von RNA-Modifikationen für die Resistenzbildung von Pilzen weckt Hoffnung auf effektivere Behandlung von Pilzinfektionen.

𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴-Kolonien, die in Form eines tRNA-Moleküls ausgestrichen wurden. (Credits: Matthew Blango/Leibniz-HKI)
Aspergillus fumigatus-Kolonien, die in Form eines tRNA-Moleküls ausgestrichen wurden. (Credits: Matthew Blango/Leibniz-HKI)

Schon seit langem ist bekannt, dass Bakterien zunehmend resistent gegenüber Antibiotika werden. Die Gefahr, bakterielle Infektionen nicht mehr erfolgreich behandeln zu können, steigt kontinuierlich an. Ebenso kritisch – wenngleich nicht im Fokus der Öffentlichkeit – ist jedoch die Resistenz von Pilzerregern gegen Antimykotika, die durch den massiven Einsatz ähnlicher Wirkstoffe in der Landwirtschaft noch verstärkt wird. Dieses Problem zeigt sich in alarmierenden Zahlen: Mit über einer Milliarde Infektionen und etwa 3,75 Millionen Todesfällen pro Jahr stellen Pilzinfektionen eine erhebliche Bedrohung für den Menschen dar – Tendenz steigend.

Die Behandlung von Pilzinfektionen stützt sich derzeit auf wenige Wirkstoffgruppen wie Echinocandine, Polyene, Azole oder das synthetische Molekül Fluorocytosin. Das Team um Matthew Blango, Leiter einer Nachwuchsgruppe am Leibniz-HKI, nutzte den bekannten Wirkmechanismus von Fluorocytosin auf A. fumigatus als Grundlage für die Untersuchung von Pilz-Resistenzen.

Ribonukleinsäure, kurz RNA, kommt in allen lebenden Organismen vor und regelt die Speicherung, Übertragung und Nutzung der genetischen Information, einschließlich der Produktion von Proteinen. Dabei unterscheidet man verschiedene Arten von RNA mit unterschiedlichen Aufgaben. Die tRNA (Transfer-RNA) beispielsweise ist ein Adaptermolekül, das den genetischen Code auf der mRNA (Messenger-RNA) am Ribosom in ein funktionelles Produkt (Protein) umwandelt.

Die RNA-Forschung erlebt derzeit eine kleine Revolution, denn zahlreiche Steuerungsfunktionen von RNA-Molekülen – auch zwischen verschiedenen Organismen – sind noch immer nicht ausreichend bekannt.

Alle chemischen Veränderungen der RNA in der Zelle bilden zusammen das Epitranskriptom, das oft wie ein Dimmschalter der Anpassung der Genexpression dient. Bei der Genexpression liest die Zelle die Bauanleitung für ein Protein aus der DNA-Sequenz eines Gens ab und setzt sie um. So kann die Zelle funktionieren und auf ihre Umgebung reagieren.

Dieses grundlegende Wissen über die Funktionsweise der RNA half den Forschenden, einen präzisen Ansatzpunkt für die Untersuchung von RNA Modifikationen in der Pilzbiologie zu finden.

In der Studie untersuchte das Forschungsteam zunächst das Enzym Mod5 im Pilz A. fumigatus. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Modifikation von tRNA. Diese chemischen Veränderungen an der tRNA helfen der Zelle, Proteine, die für ihre Funktion wichtig sind, korrekt zu produzieren. „In einem ersten Schritt haben wir das Enzym Mod5 aus dem Pilz entfernt“, berichtet Alexander Bruch, einer der Autoren. „Infolgedessen reagierte der Pilz negativ auf Stress und schaltete frühzeitig ein Schutzsystem namens Cross-Pathway Control ein.“ „Normalerweise wird dieses System aktiviert, wenn die Zelle unter Stress steht, z. B. bei Hunger oder der Gabe von Medikamenten“, ergänzt seine Kollegin Valentina Lazarova. Bruch erklärt weiter: „Mit dem Protein NmeA entdeckten wir eine neue Komponente, die durch dieses Schutzsystem angeregt wird. Es hilft dem Pilz, Schadstoffe aus der Zelle zu transportieren. Auf diese Weise kann der Pilz den antimykotischen Wirkstoff Fluorocytosin überleben.“

„Damit konnten wir zeigen, dass Proteine wie NmeA dem Pilz dabei helfen, eine medikamentöse Behandlung zu unterlaufen und somit eine Option haben, um vorübergehend resistent gegen Antimykotika zu werden“, sagt Matthew Blango. „Unsere Erkenntnisse könnten für bessere Behandlungsstrategien gegen Pilzinfektionen genutzt werden. Hier stehen wir jedoch erst am Anfang der Forschung.“

Die Studie ist Teil des Jenaer Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“, welches die Regulation und das Gleichgewicht mikrobieller Gemeinschaften erforscht, und wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Nachwuchsgruppe von Dr. Matthew Blango wird im Programm „Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Beteiligte Institutionen

Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Medizinische Universität Innsbruck

Originalpublikation

Bruch A, Lazarova V, Berg M, Krueger T, Schaeuble S, Kelani AA, Mertens B, Lehenberger P, Kniemeyer O, Kaiser S, Panagiotou G, Gsaller F, Blango MG (2024) tRNA hypomodification facilitates 5-fluorocytosine resistance via cross-pathway control system activation in Aspergillus fumigatus. Nucleic Acids Research, https://doi.org/10.1093/nar/gkae1205

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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