Cannabis kann Anti-Aging und erhöhte Denkfähigkeit auslösen – aber auch Schizophrenie bei Jugendlichen

von | Aug 22, 2024 | Allgemein

Anti-Aging und erhöhte Denkfähigkeit durch Cannabis: Dr Andras Bilkei-Gorzo klärt Einfluss von Behandlung mit Tetrahydrocannabinol auf den Stoffwechsel-Schalter mTOR. | Quelle: Rolf Müller | Copyright: Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Dies konnten Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn mit einem Team der Hebrew University (Israel) jetzt bei Mäusen zeigen. Den Schlüssel dafür fanden sie in dem Proteinschalter mTOR, dessen Signalstärke Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Stoffwechselprozesse im gesamten Organismus hat. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal „ACS Pharmacology & Translation Science“ vorgestellt.

„Unsere Studie legt nahe, dass eine doppelte Wirkung auf die mTOR-Aktivität und das Metabolom die Grundlage für ein wirksames Anti-Aging- und kognitionsförderndes Medikament sein könnte.“

Doch zunächst der HIntergrund: Informationen über die Verfügbarkeit oder Knappheit von Ressourcen sind für die Regulierung des Stoffwechsels von entscheidender Bedeutung. Dabei fasst das sogenannte Metabolom als komplexes Reaktionsnetzwerk alle Stoffwechseleigenschaften einer Zelle oder eines Gewebes zusammen. In höheren Organismen ist das Protein mTOR [Mechanistic Target of Rapamycin] die zentrale Drehscheibe für das Zellwachstum und den Stoffwechsel. Als ein empfindliches intrazelluläres Energiesensor-System hat dessen Aktivität durch die Regulierung des Zellstoffwechsels einen großen Einfluss auf die Alterung. Eine Verringerung der mTOR-Aktivität durch kalorienarme Ernährung, intensive körperliche Betätigung oder pharmakologische Behandlung hat somit prinzipiell eine allgemeine Anti-Aging-Wirkung. Die Alterung des Gehirns geht neben einem veränderten Stoffwechsel auch mit einer verringerten Fähigkeit neuronale Verbindungen zu verändern, der so genannten synaptischen Plastizität, einher. Deshalb kann sich eine verringerte mTOR-Aktivität aber auch negativ auf das alternde Gehirn auswirken, indem sie die Ausbildung neuer Synapsen an einer Nervenzelle und damit auch die kognitiven Fähigkeiten verringert.

„Daher könnten Anti-Aging-Strategien, die auf der Verringerung der mTOR-Aktivität basieren, nicht nur unwirksam, sondern sogar kontraproduktiv gegen die Gehirnalterung sein. In unserer aktuellen Arbeit haben wir nun eine Strategie gefunden, um dieses Dilemma zu lösen“, sagt Prof. Dr. Andreas Zimmer, Direktor des Instituts für Molekulare Psychiatrie am UKB und Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn.

Tierversuche zeigten jetzt: Cannabis kehrt Alterungsprozess im Gehirn um

In einer vorherigen Studie [https://www.nature.com/articles/nm.4311] konnten die Bonner Forschenden zusammen mit einem Team der Hebräischen Universität Jerusalem zeigen, dass eine langfristige, niedrig dosierte Gabe von Tetrahydrocannabinol (THC), dem aktiven Inhaltsstoff von Cannabis, eine Anti-Aging-Wirkung auf das Gehirn hat, indem diese die kognitiven Fähigkeiten und die Synapsendichte bei alten Mäusen wiederherstellt. Ob Veränderungen der mTOR-Signalübertragung und des Metaboloms mit den positiven Auswirkungen auf das alternde Gehirn in Verbindung stehen, war dabei eine offene Frage geblieben. „Wir konnten nun zeigen, dass die Behandlung mit THC eine gewebeabhängige und doppelte Wirkung auf die mTOR-Signalübertragung und das Metabolom hat“, sagt Dr. Andras Bilkei-Gorzo vom Institut für Molekulare Psychiatrie am UKB, der auch an der Universität Bonn forscht. So führte die THC-Behandlung im Gehirn zu einem vorübergehenden Anstieg der mTOR-Aktivität und des Gehalts an Zwischenprodukten, die an der Energieproduktion und an Aminosäuren beteiligt sind. Letzteres ermöglichte eine verstärkte Synthese von synaptischen Proteinen und damit die Bildung neuer Synapsen.

Unerwarteterweise fanden die Bonner Forschenden andererseits eine ähnlich starke Verringerung der mTOR-Aktivität von Mäusen im Fettgewebe und des Gehalts an Aminosäuren und Kohlenhydratmetaboliten im Blutplasma wie nach einer kalorienarmen Diät oder nach intensiven körperlichen Aktivitäten.

„Wir kamen zu dem Schluss, dass eine langfristige THC-Behandlung zunächst eine kognitionsfördernde Wirkung hat, indem sie die Energie- und synaptische Proteinproduktion im Gehirn erhöht, gefolgt von einer Anti-Aging-Wirkung durch eine Verringerung der mTOR-Aktivität und der Stoffwechselprozesse in der Peripherie“, sagt Bilkei-Gorzo.

Die Ergebnisse der Grundlagenforschung sind für die Entwicklung neuer Medikamente bedeutsam, nur: Im alltag überweigen die Risiken von THC.

Eine kürzlich in der Fachzeitschrift “Psychological Medicine” veröffentlichte Studie beispielsweise schätzt, dass Jugendliche, die Cannabis konsumieren, ein elfmal höheres Risiko für die Entwicklung einer psychotischen Störung haben als Nichtkonsumenten.

Die Ergebnisse legen nahe, dass der Zusammenhang zwischen Cannabisgebrauch und psychotischen Störungen stärker sein könnte als bisher angenommen. Die bisherigen Annahmen basierten auf älteren Daten, als die Potenz von Cannabis geringer war. Zum Vergleich: Der durchschnittliche THC-Gehalt in Cannabis stieg in Kanada von etwa 1 Prozent im Jahr 1980 auf 20 Prozent im Jahr 2018.

Forscher der Universität Toronto, des Centre for Addiction and Mental Health (CAMH) und des ICES haben aktuelle bevölkerungsbezogene Umfragedaten von über 11.000 Jugendlichen in Ontario, Kanada, mit Gesundheitsdaten verknüpft, darunter Krankenhausaufenthalte, Notaufnahmebesuche und ambulante Termine.

Die Studie ist die erste ihrer Art, die einen altersspezifischen Zusammenhang zwischen selbstberichtetem Cannabiskonsum und der späteren Diagnose einer psychotischen Störung zeigt. 

“Wir entdeckten eine sehr starke Verbindung zwischen Cannabiskonsum und dem Risiko einer psychotischen Störung im Jugendalter. Überraschenderweise gab es keine solche Verbindung im jungen Erwachsenenalter”, erklärt Hauptautor André McDonald, der die Studie am ICES als Teil seiner Doktorarbeit an der Universität Toronto durchführte.

McDonald ist nun Postdoktorand am Peter Boris Centre for Addictions Research und am Michael G. DeGroote Centre for Medicinal Cannabis Research der McMaster University.

“Diese Ergebnisse unterstützen die Theorie der neurologischen Entwicklung, die besagt, dass Teenager besonders empfindlich auf die Auswirkungen von Cannabis reagieren könnten.


Original Papers:
 

Bidirectional Effect of Long-Term Δ9-Tetrahydrocannabinol Treatment on mTOR Activity and Metabolome | ACS Pharmacology & Translational Science

Age-dependent association of cannabis use with risk of psychotic disorder | Psychological Medicine | Cambridge Core

 

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