HIV und STI: Sexarbeit in Deutschland wird immer gefährlicher
Finanzielle und soziale Benachteiligung sowie Gewalt gefährden zunehmend die Gesundheit von Sexarbeiterinnen. Mit diesem Druck nimmt auch das Risiko von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) zu, ebenso die Angst davor. Das ist ein zentrales Ergebnis einer zweijährigen Studie der Deutschen Aidshilfe (DAH) mit Förderung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), die heute in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (Pressekonferenz auf Youtube-Kanal der DAH). Die Studie offenbart zugleich einen großen Bedarf an Informationen und die wichtige Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Die Ergebnisse beinhalten elf konkrete Empfehlungen für Hilfs- und Präventionsangebote der Zukunft sowie den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Sexarbeit.
Die Auswertung der Studie „Sexuelle Gesundheit und HIV/STI-Präventionsstrategien und -bedarfe von Sexarbeitenden“ weist dabei weit über die ursprüngliche Fragestellung hinaus. Nie zuvor hat eine wissenschaftliche Untersuchung die gesundheitliche Situation von Menschen in der Prostitution in Deutschland so vielfältig beschrieben – dies mit Blick auf Herkunft und geschlechtliche Identität ebenso wie auf verschiedene Motivationen für die Tätigkeit. Insgesamt 80 Sexarbeiterinnen aus 23 Herkunftsländern haben in Gruppengesprächen ihre Erfahrungen mitgeteilt, unter ihnen solche, die illegale Drogen konsumieren („Beschaffungsprostitution“), trans Menschen, Schwarze Menschen sowie Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen.
„Die meisten Studienteilnehmenden messen dem Thema sexuelle Gesundheit eine hohe Bedeutung bei und wünschen sich mehr Informationen zum Schutz vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen, insbesondere zur HIV-Prophylaxe PrEP. Diese Schutzmöglichkeit sollte auch häufiger in Gesundheitsämtern thematisiert und angeboten werden“, sagt Studienleiterin Eléonore Willems von der Deutschen Aidshilfe (DAH).
Fast die Hälfte der Beteiligten hatte vor der Teilnahme an der Studie noch nichts von der medikamentösen Schutzmethode gewusst, viele hatten nur vage Kenntnisse.
Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) spielen für die sexuelle Gesundheit von Sexarbeiter*innen generell eine wichtige Rolle, insbesondere durch die kostenlosen und anonymen HIV/STI-Untersuchungsangebote nach § 19 Infektionsschutzgesetz. Doch nicht überall in Deutschland gibt es bedarfsgerechte Angebote: Beratung und Testmöglichkeiten müssen vielerorts besser auf die Bedürfnisse von Sexarbeiter*innen abgestimmt werden, zum anderen müssen Gruppen wie trans Frauen, Drogen konsumierende Menschen oder migrantische junge Männer besser erreicht werden.
Dazu sagt Dr. Johanna Claass, Ärztin und Leiterin der Fachabteilung Sexuelle Gesundheit in der Sozialbehörde Hamburg sowie Mitglied im Projektbeirat der Studie:
„Die Studie belegt eindrücklich, was wir in den Gesundheitsämtern täglich erleben: der ÖGD ist unverzichtbar für Menschen in der Sexarbeit. Es ist unsere Aufgabe, unsere Angebote gut bekannt zu machen, auch zu Randzeiten und über das Internet sowie in verschiedenen Sprachen ansprechbar zu sein. Noch aktiver müssen wir die Beratung zur PrEP angehen und die Verschreibung einfach und ohne unnötige Hürden gestalten.“
Labortests als Rückgrat der Prävention
Eine der wichtigsten Säulen im Kampf gegen HIV ist die Labordiagnostik. Dabei gibt es Es gibt verschiedene HIV-Tests, die je nach Einsatzgebiet unterschiedliche Vorteile bieten. Die Aidshile zählt folgende Verfahren auf:
- HIV-Labortest: Bei diesem Test wird eine Blutprobe ins Labor geschickt. Das Ergebnis erhält man in der Regel nach wenigen Tagen. Ein positives Testergebnis wird direkt im Labor bestätigt. Man kann eine HIV-Infektion mit diesem Labortest nach sechs Wochen sicher ausschließen.
- HIV-Schnelltest: Schnelltests liefern Ergebnisse innerhalb weniger Minuten. Allerdings muss ein positives Ergebnis im Labor bestätigt werden. Eine HIV-Infektion kann erst nach 12 Wochen sicher ausgeschlossen werden.
- HIV-Selbsttest: Selbsttests können eigenständig durchgeführt werden, zum Beispiel zu Hause. Allerdings entfällt hierbei die übliche Testberatung. Die Sicherheit, eine HIV-Infektion auszuschließen, ist vergleichbar mit dem Schnelltest (nach 12 Wochen).
- Einsendetest: Bei Einsendetests führt man den Test zu Hause durch und sendet die Probe ins Labor. Das Ergebnis wird per SMS oder telefonisch mitgeteilt. Dies ermöglicht einen regelmäßigen Test auf HIV und andere Geschlechtskrankheiten ohne großen Aufwand. Einsendetests werden in Deutschland derzeit in einem Pilotprojekt erprobt.
- PCR-Test: Der PCR-Test weist HIV direkt nach. Er wird hauptsächlich zur Kontrolle der HIV-Therapie eingesetzt. Bereits ein bis zwei Wochen nach einer möglichen Infektion kann er eine HIV-Infektion nachweisen. Allerdings ist dieser Test kostenpflichtig (mindestens 100 Euro).
Lesen Sie dazu auch:
Studie: Was brauchen Sexarbeiter*innen für ihre Gesundheit? – Deutsche Aidshilfe
Forschungsbericht-Studie-zu-Sexarbeit-Deutsche-Aidshilfe.pdf
Gender-Hinweis. Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Doppel/Dreifachnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.