Biomarker Onkostatin M: Hoffnungsschimmer für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

von | Juni 2, 2025 | Forschung, Gesundheit

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Ahmed Hegazy an der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité untersucht seit Jahren die Mechanismen der Darmimmunabwehr. Nach fünfjähriger Forschungsarbeit konnte das Team nun einen zentralen Mechanismus entschlüsseln: Das Zusammenspiel der Immunbotenstoffe Interleukin-22 und Onkostatin M treibt die chronischen Entzündungen maßgeblich voran.

Entzündung als Kettenreaktion

Interleukin-22 unterstützt normalerweise die Zellen der innersten Darmschicht, das Epithel, und stärkt die Schutzbarriere des Darms. Onkostatin M hingegen fördert Geweberegeneration und Zelldifferenzierung. Die Forschenden stellten jedoch fest, dass diese Botenstoffe in entzündetem Gewebe eine fatale Wechselwirkung eingehen. Interleukin-22 macht die Darmzellen empfindlicher für Onkostatin M, indem es die Bildung von Bindungsstellen für diesen Botenstoff anregt. Onkostatin M, produziert von bestimmten Immunzellen, aktiviert weitere Entzündungsfaktoren, was eine unkontrollierte Kettenreaktion auslöst. Diese lockt immer mehr Immunzellen in den Darm, wodurch die Entzündung weiter angeheizt wird.

Symbolbild. Credits: Pixabay
Symbolbild. Credits: Pixabay

Durch modernste Einzelzell-Sequenzierungen verglichen die Forschenden gesundes und entzündetes Gewebe. Im entzündeten Darm fanden sie eine deutlich höhere Anzahl von Bindungsstellen für Onkostatin M sowie zusätzliche Immunzellen, die diesen Botenstoff produzieren. Besonders Patienten mit hoher Onkostatin-M-Produktion sprechen oft schlecht auf bestehende Therapien an, was diesen Botenstoff zu einem potenziellen Biomarker für schwere Krankheitsverläufe macht.

In Experimenten mit Tiermodellen und Gewebeproben von Patienten testete das Team, wie sich die Entzündung durch gezielte Blockade der Onkostatin-M-Bindungsstellen beeinflussen lässt. Die Ergebnisse waren ermutigend: Die Blockade schwächte die Entzündungsprozesse deutlich ab und reduzierte sogar das Risiko für Krebsentwicklung, das durch chronische Entzündungen begünstigt wird. In Gewebeproben von Patienten mit Darmkrebs infolge solcher Erkrankungen fanden die Forschenden besonders viele Bindungsstellen für Onkostatin M in der Umgebung der Tumoren, nicht jedoch im gesunden Gewebe – ein klarer Hinweis darauf, dass dieser Signalweg die Krebsentwicklung fördert.

Neue Perspektiven für die Therapie

Die Entdeckung eröffnet neue Möglichkeiten für die Behandlung, insbesondere für Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf. Die komplexen und individuell unterschiedlichen Verläufe von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa machen eine präzise Prognose und Therapie schwierig. Der neue Ansatz zielt darauf ab, die Wechselwirkung zwischen Interleukin-22 und Onkostatin M zu unterbrechen. Eine klinische Studie, die einen Antikörper testet, der gezielt die Bindungsstellen für Onkostatin M blockiert, ist bereits gestartet. Dieser Ansatz könnte nicht nur die Entzündungen effektiver kontrollieren, sondern auch das Krebsrisiko senken.

Die Ergebnisse der Charité-Forschenden bieten Hoffnung für die vielen jungen Betroffenen, die mit den Einschränkungen dieser Erkrankungen kämpfen. Durch ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und die Entwicklung gezielter Therapien könnte die Lebensqualität dieser Patienten in Zukunft deutlich verbessert werden. Die laufende klinische Studie wird zeigen, ob sich die vielversprechenden Laborergebnisse in eine konkrete Behandlungsmethode umsetzen lassen.

Original Paper:

The IL-22–oncostatin M axis promotes intestinal inflammation and tumorigenesis | Nature Immunology

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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