Rheumaspezialisten fordern mehr Aufmerksamkeit für psychische Begleiterkrankungen

von | Okt 8, 2024 | Allgemein, Gesundheit, Politik

Bis zu 40 Prozent der Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis (RA) und bis zu 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) leiden an einer depressiven Störung oder Angsterkrankung. Ursache sind neben chronischen Schmerzen auch fehlende gesellschaftliche Teilhabe aufgrund der individuellen Einschränkungen. Anlässlich des Welt-Rheuma-Tages am 12. Oktober weisen die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) auf die Notwendigkeit hin, möglichen psychischen Belastungen der Patienten mehr Aufmerksamkeit zu schenken und dafür ausreichend Raum in den Versorgungsstrukturen zu schaffen.

Rheuma und Schmerz gehen in vielen Fällen eine unheilige Allianz ein. (Symbolbild. Credits: pixabay)

Rheumatisch-entzündliche Erkrankungen verlaufen in den meisten Fällen chronisch. Das bedeutet, dass viele Betroffene dauerhaft mit Schmerzen und Einschränkungen leben müssen. Diese kontinuierliche Belastung hat nicht nur körperliche Auswirkungen, sondern führt auch zu einer erhöhten Anfälligkeit für psychische Probleme. „Insbesondere Depressionen und Angststörungen treten bei Menschen mit Rheuma deutlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung“, erklärt Professor Dr. med. Ulf Wagner, Präsident der DGRh und Leiter des Bereichs Rheumatologie an der Klinik für Endokrinologie, Nephrologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Leipzig (UKL).

Vor allem in den ersten Jahren nach der Diagnose sei das Risiko für eine Depression besonders hoch, zum Beispiel bei rheumatoider Arthritis. Von ihr sind rund 700 000 Erwachsene in Deutschland betroffen. „Psychische Begleiterkrankungen können von Anfang an zum Beispiel das Schmerzempfinden stark beeinflussen und so zu einer gestörten Schmerzwahrnehmung führen. Damit sind sie nicht nur belastend für Betroffene, sondern auch ein Risikofaktor in der Therapie. Deshalb ist es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte nicht nur die körperlichen Beschwerden behandeln, sondern auch die psychische Gesundheit der Betroffenen im Blick haben“, betont Professor Wagner. Eine regelmäßige Abfrage von psychischen Symptomen, wie Anzeichen von Angst oder Depression, sollte daher zum Standard bei der Rheuma-Behandlung gehören, so der DGRh-Präsident.

Auch Kinder und Jugendliche mit Rheuma haben im Vergleich mit Gesunden häufiger Depressionen, Angst, weniger soziale Kontakte, eine verstärkte Müdigkeit und häufiger Schlafstörungen. Etwa bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) leiden über 30 Prozent der Betroffenen unter psychischen Begleiterkrankungen, auch weil die JIA die Teilnahme am Schulleben und anderen sozialen Aktivitäten erheblich beeinträchtigen kann. Dies führt oft zu Isolation und einem verminderten Selbstwertgefühl. „Junge Menschen leiden besonders, wenn sie vom vermeintlich normalen Alltag – dem Schulbesuch und altersüblichen Freizeitaktivitäten – zeitweise ausgeschlossen sind. Psychologische Unterstützung sollte daher frühzeitig und niedrigschwellig in die Regelversorgung integriert werden, um psychische Störungen frühzeitig zu erkennen und aufzufangen“, forderte auch Dr. med. Prasad Thomas Oommen, Leiter des Bereichs Pädiatrische Rheumatologie und des Psychosozialen Dienstes am Universitätsklinikum Düsseldorf und Kongresspräsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie.

Die DGRh ruft anlässlich des Welt-Rheuma-Tages dazu auf, psychische Belastungen bei Rheuma nicht zu unterschätzen: „Die psychosoziale Begleitung muss von Anfang an ein fester Bestandteil der Behandlung sein. Nur eine ganzheitliche Betreuung, die sowohl die körperlichen als auch die seelischen Aspekte einer Erkrankung berücksichtigt, kann eine optimale Versorgung sicherstellen“, betont Professor Wagner. Doch dafür benötige man ausreichend Zeit, sagt Wagner, und verweist auf das unlängst veröffentlichte Memorandum der DGRh. Darin betont die Fachgesellschaft, dass deutlich mehr Rheumatolog:innen in Deutschland notwendig seien, um eine umfassende Versorgung sicherzustellen. Dies sei zu erreichen, wenn die Politik die Weichen für eine verstärkte rheumatologi-sche Aus- und Weiterbildung stellt.

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