COVID-19 Pandemie: Bevölkerung vertraut Wissenschaft mehr als der Politik

von | Jun 4, 2024 | Allgemein, Politik

Lehren aus der Pandemie: TU Ilmenau und Bundesinstitut für Risikobewertung stellen Studie zur COVID-Krisenkommunikation vor. Credits: CDC

Die gewonnenen Erkenntnisse liefern wertvolle Einblicke in die Kommunikationsstrategien von Regierungen und Behörden, in deren Wahrnehmung durch die Bevölkerung und die Bewertung durch den Journalismus und Soziale Medien in Europa und den USA. Sie sollen nun als Schlussfolgerungen für den Umgang mit künftigen Krisen dienen. Die dreijährige Studie wurde von der politisch unabhängigen Deutschen Forschungsgemeinschaft mit insgesamt 1,8 Millionen Euro gefördert.

Für das Forschungsprojekt DECIPHER – „Entzifferung der ,Pandemie-Öffentlichkeit‘: Regierungskommunikation, (soziale) Mediendiskurse und Bürgerreaktionen auf Covid-19 in Europa und den USA“ – wurde die COVID-Krisenkommunikation in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten analysiert. Hunderte hochrangige Regierungsangehörige sowie Bürgerinnen und Bürger wurden interviewt, mehr als 6.000 Pressemitteilungen und über 11.000 Online-Nachrichtenartikel analysiert, Millionen von Social-Media-Beiträgen mit computergestützten Methoden ausgewertet.

Das Forschungsteam von TU Ilmenau und Bundesinstitut für Risikobewertung war interdisziplinär zusammengesetzt: Es verknüpfte Expertise und Methoden der Kommunikationswissenschaft, der Psychologie und der Informatik. Dabei kamen auch innovative Data-Science-Methoden wie maschinelles Lernen und Netzwerkanalysen zum Einsatz, zum Beispiel, um in den Sozialen Medien im Umfeld der Pandemie einflussreiche Netzwerke zu identifizieren.

Analyseergebnisse der Berichterstattung in 11.000 Artikeln

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wurden viel eher als glaubwürdige Quellen bewertet als nationale Regierungen. Die Medien in Großbritannien, den USA und Schweden bewerteten ihre Regierungen im Vergleich zu den Niederlanden, Italien, Deutschland und Spanien am negativsten.

In den Ländern mit der höchsten Anzahl an Todesfällen pro 1.000 Einwohner, dem Vereinigten Königreich und den USA, gab es in der Medienberichterstattung eine bemerkenswerte Kluft zwischen der positiven Bewertung der Wissenschaft und der negativen Bewertung der Regierungsbehörden.

In den ausgewerteten Artikeln wurde nur selten die Wirksamkeit von Selbstschutzmaßnahmen betont. Wenn sie dies taten, wurden Impfungen und Tests als die effektivsten Maßnahmen im Vergleich zu Hygienemaßnahmen und Lockdowns dargestellt.

Analyseergebnisse der Kommunikation von Regierungen und des öffentlichen Engagements auf sozialen Medien (X, ehemals Twitter und YouTube)

Rechtsextreme und konservative politische Parteien verbreiteten laut Studie deutlich mehr Fehlinformationen als andere Parteien. So waren allein AfD-Politikerinnen und Politiker für 92,5 Prozent aller Fehlinformationen im Deutschen Bundestag verantwortlich. Diese Fehlinformationen führten zudem im Allgemeinen zu einer intensiveren öffentlichen Auseinandersetzung auf sozialen Medien, was als problematisch angesehen werden kann.

Analyseergebnisse der Interviews mit Regierungsvertreterinnen und -vertretern sowie von Pressemitteilungen

Interne organisatorische Faktoren haben in Krisen einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg der Regierungskommunikation. Problematisch sind insbesondere Schwierigkeiten in der Koordinierung zwischen den verschiedenen nationalen, regionalen und lokalen Regierungsebenen und die sehr oft fehlende Auswertung der Kommunikation nach der Krise.

40 Prozent der Pressemitteilungen, die während der COVID-19-Pandemie in den sieben Ländern herausgegeben wurden, enthielten nicht die inhaltlichen Elemente, die als Botschaften wirksam sind, um die Bevölkerung bei ihrer Risikobewertung und ihrem Selbstschutzverhalten während einer Pandemie anzuleiten.

Analyseergebnisse der Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern

Bei der Bewertung der Regierungskommunikation spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. Dieses Vertrauen wird beeinflusst durch Faktoren wie die wahrgenommene Kompetenz und Integrität der Politiker, die Konsistenz der Kommunikation, das Eingeständnis von Fehlern und Transparenz.

Bürgerinnen und Bürger haben ein starkes Bedürfnis nach einer einheitlichen, koordinierten Kommunikation zwischen verschiedenen staatlichen Institutionen. Für künftige Krisen schlugen die Befragten die Schaffung eines koordinierten Kommunikationskanals in Form einer App oder einer Website vor, die wichtige Informationen der Regierung und der zugehörigen Institutionen standardisiert bereitstellt. Um die Verständlichkeit zu erhöhen, sollten die Inhalte in leicht verständlicher Sprache vermittelt und mit Grafiken und Videos illustriert werden.


Original Study:
 

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