11. Alternativer Drogen- und Suchtbericht (ADSB) erschienen
Die Cannabis-Teillegalisierung ist nur eines der Themen, die der aktuelle 11. Alternative Drogen- und Suchtbericht (ADSB) Aufschluss gibt. Im Bericht, der gestern online vorgestellt wurde, kommen Stimmen aus der Suchtprävention, -hilfe und -forschung zu Wort, darunter Experten der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).
Der Missbrauch legaler und illegaler Drogen nimmt stetig zu. Alarmierend ist die Zahl der Drogentoten, die 2023 mit insgesamt 2.227 einen Höchststand erreichte. (Credits: madartzgraphics/pexels)
Der ADSB wird jährlich vom Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik akzept e.V. herausgegeben, deren Vorsitzender Prof. Dr. Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung (ISFF) an der Frankfurt UAS ist. Der Bericht soll Unzulänglichkeiten der nationalen Drogenpolitik und evidenzbasierte Wege für ihre Weiterentwicklung aufzeigen. „Die aktuelle Ausgabe zeigt, dass die Drogenpolitik zwar in mancher Hinsicht vorangekommen ist, aber viele Verabredungen im Koalitionsvertrag nur unzureichend umgesetzt wurden. Versäumt wurden vor allem grundlegende Präventionsschritte in Bezug auf Alkohol, Tabak und Medikamente sowie die Einführung der lizenzierten Verkaufsstellen für Cannabis“, sagt Stöver.
Redaktionell verantwortet haben diese Ausgabe neben Stöver Ulla-Britt Klankwarth, ebenfalls ISFF, Nina Pritszens, stellvertretende akzept-Vorsitzende und vista gGmbH-Geschäftsführerin, sowie Christine Kluge Haberkorn von akzept. Auf rund 130 Seiten blicken Experten in Fachbeiträgen unter anderem auf die grundsätzliche Ausrichtung und Strukturen der Drogenpolitik. So kritisieren Stöver und Dr. Ingo Ilja Michels, ebenfalls ISFF, in einem Beitrag die „Antidrogenpolitik“ in Bezug auf andere psychoaktive Substanzen als Cannabis. Sie argumentieren, das Verbot dieser Drogen schädige mehr als der legale Konsum und fordern eine Entkriminalisierung.
Als Kernthemen behandelt der diesjährige ADSB offene Fragen aus der Teillegalisierung von Cannabis, mögliche Maßnahmen in Bezug auf den Crack-Konsum, die Frage, inwieweit Deutschland auf synthetische Opioide vorbereitet ist, und die Drugchecking-Praxis. So blicken Experten der vista gGmbH, einem freien Träger der Drogen- und Suchthilfe, mit ihren Kooperationspartnern auf ein Jahr Berliner Drugchecking-Modellprojekt zurück. Für die flächendeckende Einführung der Möglichkeit, psychoaktive Substanzen legal auf Wirkstoffgehalt und Verunreinigungen prüfen zu lassen, hat die scheidende Regierung rechtliche Grundlagen geschaffen. Bisher mangele es „weitestgehend“ an die Umsetzung durch die Länder, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. Die hohe Anzahl auffälliger Proben (47,2 Prozent), vor denen gewarnt wurde, zeige die Notwendigkeit von Drugchecking als Maßnahme zur Schadensminimierung und zum Gesundheitsschutz.
Adressiert wird auch das mögliche künftig verstärkte Aufkommen von synthetischen Opioiden wie Fentanyl in Deutschland als Folge des Wegfalls des Opiumanbaus in Afghanistan. So verweisen die Suchthilfe-Experten Nina Pritszens, Dirk Schäffer und Dr. med. Maurice Cabanis in einer Analyse der geplanten Neuregelung zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung auf deren Wichtigkeit. Auch „Take-Home-Naloxon“ könnte als risikominimierende Maßnahme eine Rolle spielen. Das Nasenspray rettet bei Opioid-Überdosen Leben. Mit dem ISFF-Mitarbeitenden Simon Fleißner sowie Maria Kuban und Dirk Schäffer von der Deutschen Aidshilfe regt Suchtforscher Stöver in einem Beitrag die Aufhebung der Verschreibungspflicht und vermehrte Schulungen etwa für Polizisten an.
Der aktuelle ADSB beschränkt sich aber wie in den Jahren zuvor nicht nur auf illegalisierte Drogen. Thematisiert werden auch risikomindernde Strategien für den Konsum von legalen Suchtmitteln wie Tabak. Zudem werden Jugendliche als Konsumgruppe in den Blick genommen. So enthält der Bericht unter anderem Präventionsempfehlungen in Bezug auf den Sedativa-Konsum von jungen Menschen. Das Phänomen sei laut ISFF-Leiter Prof. Dr. Bernd Werse und seinem Co-Autor auch durch die Corona-Krise beeinflusst.
Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl zieht der akzept-Vorsitzende Stöver als Bilanz aus dem ADSB: „Nach langer Durststrecke konnten wir in diesem Jahr einen längst überfälligen drogenpolitischen Paradigmenwechsel vollziehen, welcher nach dem 23. Februar 2025 droht, zunichte gemacht zu werden. Die aktuellen Entwicklungen auf dem Drogenmarkt insbesondere in Bezug auf Crack und synthetische Opioide machen es notwendig, dass schnell und flexibel reagiert wird und Hilfesysteme weiterentwickelt werden. Wir haben keine Zeit, ideologische Debatten zu führen – es braucht pragmatische Lösungen, um Menschenleben zu retten!“
Hinweis
Begleitende Informationen zum 11. Alternativen Drogen- und Suchtbericht sind gemeinsam mit der Publikation unter www.alternativer-drogenbericht.de zu finden. Der Bericht ist im Verlag Pabst Science Publishers erschienen.
Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit, Prof. Dr. Heino Stöver, Telefon: +49 69 1533-2823 und +49 162 133 45 33, E-Mail: hstoever@fb4.fra-uas.de
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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