Neue Biomarker: Ceramide sind vielversprechende Kandidaten

von | Okt 15, 2024 | Allgemein, Forschung, Gesundheit

Ceramide sind Fettmoleküle, die im Blut zirkulieren und auf krankheitsbedingte Anpassungsprozesse des Körpers hindeuten. In Zukunft könnten sie Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schon im Frühstadium erkennen. In einem Ringversuch, an dem Forschende des Forschungszentrums Jülich, der Universität Wien sowie Wissenschaftlerteams aus Singapur und Espoo beteiligt waren, wurden nun wichtige Fortschritte bei der Festlegung von Referenzwerten für Ceramide erzielt. Diese Referenzwerte stellen eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung entsprechender Biomarker-Tests dar.

Ceramide (hier als weiße Flocken dargestellt) nähren die Hoffnung auf innovative Biomarker, um z.B. das Diabetes-Risiko abschätzen zu können.  (Copyright: Erstellt mit DALL-E)
Ceramide (hier als weiße Flocken dargestellt) nähren die Hoffnung auf innovative Biomarker, um z.B. das Diabetes-Risiko abschätzen zu können.  (Copyright: Erstellt mit DALL-E)

Die Lipidomik untersucht, wie Fettmoleküle, sogenannte Lipide, im Körper wirken und welche Rolle sie bei Gesundheit und Krankheit spielen. Im Kern geht es dabei darum, die Strukturen, Funktionen und Interaktionen dieser Moleküle in den Körperzellen zu analysieren und ihre Bedeutung für den gesamten Organismus zu verstehen. Um krankhafte Abweichungen von der Norm feststellen zu können, ist es wichtig, die oberen und unteren Konzentrationsgrenzen zu kennen. Zu diesem Zweck wurde unter der Schirmherrschaft der International Lipidomics Society (ILS) ein weltweiter Ringversuch ins Leben gerufen. In der ersten Phase ging es zunächst darum, einheitliche Messmethoden zu entwickeln, die in Laboren international genutzt werden können.

Die untersuchten Fettmoleküle, auch Lipide genannt, werden teilweise bereits im „Coronary Event Risk Test“ (CERT1) zur Risikoeinschätzung für koronare Herzerkrankungen, schwere Herzinfarkte, Herzinsuffizienz und Schlaganfälle verwendet. Dr. Nils Hoffmann, Bioinformatiker und Datenwissenschaftler am Institut für Computergestützte Metagenomik des Forschungszentrums Jülich (IBG-5), ist einer der drei Erstautoren der Studie Er erläutert die Hintergründe und erklärt, wie die Ergebnisse nun ihren Weg in die Anwendung finden sollen.

Aus den Ergebnissen des Ringversuchs konnten die Forschenden einige wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Zunächst war die Standardisierung der Schlüssel zur Verringerung der Variationen im Testverfahren und zur Erzielung eines Konsenses über die Konzentrationen der untersuchten Ceramide. Die massenspektrometrischen Methoden, die zur Bestimmung der Ceramid-Konzentrationen in diesem Ringversuch verwendet wurden, zeichnen sich durch eine hohe Empfindlichkeit aus. “Das ist Fluch und Segen zugleich”, sagt Hoffmann, “denn damit lassen sich auch sehr geringe Stoffkonzentrationen messen und bestimmen.”

Gleichzeitig ist die Qualität der Messungen stets auch abhängig von der manuellen Vorbereitung der Proben. Für die Reproduzierbarkeit und Zuverlässigkeit der gemessenen Konzentrationen war die Etablierung von Standards und Routinen in den beteiligten Laboratorien daher sehr wichtig. Eine wichtige Aufgabe dieses Experiments war es daher, den beteiligten Laboratorien eine bereits mehrfach erfolgreich erprobte “Probenvorbereitungs- und Messprozedur“ (SOP) zur Verfügung zu stellen, um den Einfluss dieser Schritte auf die Ergebnisse zu reduzieren. Die teilnehmenden Laboratorien konnten zusätzlich zur SOP eigene Messprozeduren verwenden und zur Datenanalyse einreichen. Die Auswertung zeigte, dass sich nur in wenigen Fällen die Ergebnisse zwischen der vorgegebenen Messprozedur und den eigenen Messprozeduren signifikant unterschieden. In diesen Fällen konnte nach Rücksprache mit den beteiligten Laboratorien in den meisten Fällen auch die Ursache für diese Abweichungen gefunden werden. Der Ringversuch diente den teilnehmenden Laboratorien somit auch als Lackmustest für die eigenen internen Qualitätssicherungsprozesse.

Die Bestimmung der mittleren absoluten Ceramid-Konzentrationen bildet die Grundlage für zukünftige biologische und medizinische Studien, die für Ceramid-assoziierte Erkrankungen relevant sind. Die in dieser Studie ausgewählten vier Ceramide stellen nur einen kleinen Teil der vom menschlichen Körper produzierten Ceramide dar. Darüber hinaus gibt es viele weitere Ceramid-assoziierte Lipidklassen, die für die Vorhersage oder Diagnose anderer Krankheiten genutzt werden können. Derzeit werden die ausgewählten Ceramide hauptsächlich für den so genannten „Coronary Event Risk Test“ (CERT1) verwendet, mit dem das Risiko für schwere Herzinfarkte, Herzinsuffizienz und Schlaganfälle abgeschätzt werden kann. Eine Weiterentwicklung dieses Tests, CERT2, verwendet neben den Ceramiden auch die Konzentrationen und Verhältnisse von so genannten Phospholipiden, was den Test für den gleichen Anwendungsbereich wie CERT1 genauer macht.

In der klinischen Forschung werden derzeit diese Tests in Kombination mit weiteren Lipidkonzentrationen und -verhältnissen auch im Zusammenhang mit der Früherkennung anderer Erkrankungen, die mit dem Ceramid-Stoffwechsel in Zusammenhang stehen, erprobt. So sind z.B. die genauen Mechanismen zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und veränderten Ceramid-Konzentrationen noch nicht ausreichend bekannt.

Durch die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen National Institute of Standards and Technology (NIST) hatten die Forschenden Zugang zu Referenzproben, die unter kontrollierten Bedingungen hergestellt wurden. Der in der Studie verwendete Hauptstandard (NIST SRM 1950) spiegelt somit die durchschnittliche Variabilität des Blutplasmas der erwachsenen amerikanischen Bevölkerung wider. Die anderen drei Standards, die in der Studie verwendet wurden, bestehen jeweils aus einer Stichprobe gesunder junger Erwachsener, einer Stichprobe stark übergewichtiger Erwachsener und einer Stichprobe von Personen mit Typ-1-Diabetes. Durch die in dieser Studie bestimmten Konzentrationen in diesen verschiedenen Gruppen konnten die Wissenschaftler zeigen, in welchen Konzentrationsbereichen die Ceramide für die jeweiligen Gruppen zu erwarten sind.

Sobald die Werte an größeren, repräsentativen Bevölkerungsquerschnitten validiert wurden, können diese Ergebnisse zur Definition von Grenzbereichen verwendet werden, ab denen z.B. ein Arzt bei seinen Patienten eine medikamentöse Behandlung einleiten würde, oder bis zu denen er seinen Patienten mehr Bewegung oder eine angepasste Ernährung zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfehlen würde.

Durch den Vergleich gemischter Plasmaproben liefert die Studie erste Ergebnisse zu biologischen Unterschieden zwischen gesunden Personen, Personen mit erhöhtem Cholesterinspiegel und Personen mit Typ-1-Diabetes. Um die typischen Konzentrationsbereiche der Ceramide und deren Einflussfaktoren besser zu verstehen, sind in Zukunft weitere Phasen des Ringversuchs zur Bestimmung von Variabilität und Repräsentativität in Abhängigkeit von genetischen und anderen individuellen Faktoren, wie z.B. der Ernährung, notwendig.

Originalpublikation

Federico Torta, Nils Hoffmann, Bo Burla, et al.
Concordant inter-laboratory derived concentrations of ceramides in human plasma reference materials via authentic standards
Nature Communications (2024), DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-52087-x

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