Minilabor erlaubt ex vivo Beobachtung von Metastasen

von | Apr 16, 2024 | Allgemein

Mikrophysiologische Systeme in der Größe einer Tablettenschachtel entwickelt das Fraunhofer IWS bereits seit mehreren Jahren erfolgreich. Damit lassen sich Organfunktionen oder auch Krankheitsprozesse mithilfe von Zellkulturen künstlich darstellen, Erkrankungen außerhalb des Organismus, also ex vivo, erforschen und Medikamente testen. “Wir schichten dafür mehrere Lagen Kunststofffolie übereinander”, erklärt Stephan Behrens, Entwicklungsingenieur am Fraunhofer IWS.

Zunächst kommen Laser zum Einsatz, um diese zu strukturieren. Es entstehen Kanäle und Kammern, Pumpen und Ventile. Damit werden bestimmte Vorgänge im menschlichen Körper modellhaft abgebildet.In den mikrophysiologischen Systemen zirkuliert eine blutähnliche Flüssigkeit, die Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Eine neue Herausforderung in einem interdisziplinären Projekt bestand darin, in mikrophysiologischen Systemen die Metastasierung von Tumoren zu untersuchen.

Tumor und Immunsystem interagieren auf einem Chip

“Um dies untersuchen zu können, war es für uns wichtig, mehrere Tumorgewebeschnitte in unser mikrophysiologisches System zu integrieren”, sagt dazu Florian Schmieder, Gruppenleiter am Fraunhofer IWS. Erstmals weltweit sei das in diesem Projekt gelungen. Bis zu zehn Gewebeschnitte können nun parallel auf einem Chip kultiviert werden. Das Team am Fraunhofer IWS realisierte zusätzlich Öffnungen, an denen es zu jeder Zeit Proben zur Untersuchung entnehmen kann. “Außerdem lassen sich wichtige Parameter wie der CO2-Gehalt, der pH-Wert oder die Sauerstoffkonzentration kontinuierlich messen«, führt Schmieder weiter aus. “Die dafür verwendeten Sensoren messen direkt im mikrophysiologischen System und lassen sich für weitere Untersuchungen wiederverwenden”

Ihr Wissen rund um die Gewebeschnitte brachten wiederum die Experten des Fraunhofer ITEM ein. Sie setzten dafür feinste Schnitte aus Lungengewebe ein, erklärt Armin Braun, Professor am Fraunhofer ITEM und Bereichsleiter Präklinische Pharmakologie und Toxikologie. “Bei der Operation eines Patienten mit einem Lungentumor wird nicht nur der Tumor selbst, sondern auch gesundes Gewebe entnommen”.

Ein mit einer oszillierenden Rasierklinge ausgestattetes Vibratom erzeugt aus diesen Proben hauchdünne Scheiben mit einer Dicke von 350 Mikrometern und einem Durchmesser von zirka einem Zentimeter. Diese seien immer noch gut mit Nährstoffen versorgt. Aufgebracht auf den Chip blieben die Gewebeschnitte im mikrophysiologischen System über eine längere Zeit vital und funktional.

“Wir können somit die Interaktion des humanen Immunsystems mit dem Tumor beobachten«, fügt Braun hinzu. Alle relevanten Immunzellen seien bereits im Schnitt vorhanden. “Damit sind wir sehr nah am realen System, viel näher als das mit Tiermodellen möglich wäre.”

Systeme lassen sich auch zur Erforschung anderer Erkrankungen nutzen

Wie sich der Krebs im Körper genau ausbreitet könnte mit Hilfe des Minilabors besser erforscht werden. Der Stoffwechsel im Tumor unterscheidet sich nämlich von dem in Normalgewebe. “Für Mediziner ist es wichtig untersuchen zu können, welche Bedingungen in einem Organ Metastasen anlocken”, erklärt Schmieder. Hohe Sauerstoffkonzentrationen und der pH-Wert seien dafür ausschlaggebend. Diese Umgebungsbedingungen wollen die Forschenden am Fraunhofer IWS in Zukunft noch effektiver in den Mikrosystemen einstellen.

“Bisher können wir beispielsweise den Sauerstoffgehalt im kompletten System verändern”, erläutert er weiter. Eine Herausforderung sei es nun, unterschiedliche Sauerstoff-Konzentrationen auf einem Chip zu ermöglichen, um die Reaktion der Tumorzellen und Metastasen darauf zu beobachten.


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