Laborleitertreffen Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt 2023
Mit ihrem Referat „Neue Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie von Fettstoffwechselstörungen“ gab Frau Dr. Kassner, Berlin, einen Überblick hinsichtlich des aktuellen Stands sowie der zu erwartenden Fortschritte in der Lipidologie. Die Atherosklerose ist eine systemische Erkrankung, die mit akuten (z. B. Myokardinfarkt, Schlaganfall) sowie chronischen Symptomen (bspw. Claudicatio intermittens, vaskuläre Demenz) einhergehen kann. Am Beispiel atheroasklerotischer kardiovaskulärer Erkrankungen ging sie auf die Pathogenese, die Progression sowie Risikofaktoren ein. Neben der Optimierung des „Lifestyles“ sind natürlich auch Guideline-adaptierte medikamentöse Therapien notwendig. Im Fokus steht nach wie vor das Gesamtcholesterin mit dem LDL-Cholesterin und Lp(a) als wichtigstem genetisch determinierten Risikofaktor. Vom Quotienten HDL/LDL ist man aktuell abgekommen; ein Grund dafür ist u. a. die Heterogenität des HDL-Cholesterins, dessen Untergruppen nicht nur protektive Elemente enthalten. Neben bekannten Therapieprinzipien wie den Statinen, Ezetimib, Bempedoinsäure oder PCSK9-Hemmern kommen auch neue zum Einsatz. Hier sind ANGPTL3-Antikörper, spezielle Omega-3-Säure-Ethylester (EPA/DHA), Volanesorsen, der CETP Inhibitor – Obicetrapib, als siRNA-Molekül Inclisiran (Legvio®), VERVE-101 (Basen editierende Medizin um PCSK9 zu inaktivieren und LDL-C zu senken; Motto: One and done),Evinacumab (Evkeeza®) oder weiterhin die Lipidapherese zu nennen. Nach den ESC/EAS-Leitlinien werden risikoabhängige Therapieziele für LDL-Cholesterin definiert, die aber aus verschiedenen Gründen oft nicht erreicht werden. Die Triglyceride sind aber noch nicht „weg vom Fenster“; extreme Werte erhöhen durchaus das kardiovaskuläre Risiko, sind aber auch im Rahmen der Pankreatitis von Bedeutung. Volanesorsen senkt deutlich die erhöhten Triglyceridwerte. Einige neue Medikamente sind in der Lage, auch Lp(a) zuverlässig zu senken (Incliseran, Olpasiran). Möglicherweise kann durch Gentherapie eine lebenslange Besserung/Heilung (?) erzielt werden. Es muss bedacht werden, dass einige dieser Maßnahmen Jahrestherapiekosten von fast 500.000,- € verursachen. Die Primärindikation muss von speziellen Fachärzten (z. B. Lipidologen) nach bestimmten Vorgaben (z. B. Versagen zweier Statintherapien und Bempedoinsäure, entsprechendes Lipidmuster) gestellt werden, kann dann aber auch im Hausarztbereich fortgeführt werden.
Direkt im Anschluss stellte Herr PD Dr. Kaufmann, Berlin, den Stand beim „HPV-Screening und -Impfung zur Prävention HPV-assoziierter Erkrankungen“ vor. Auch wenn der Fokus der Infektiologie in den letzten Jahren bei „Corona“ lag, darf man nicht vergessen, dass die HPV-Infektionen auch eine Pandemie sind: Rund 600.000 Neuerkrankungen pro Jahr sowie eine jährliche Mortalität von 350.000. Vor allem die high-risk-Genotypen 16 und 18 müssen erfasst werden. In wieweit Methylierungsanalysen im Rahmen der Zervixkarzinogenese eine „molekulare Triage“ der Betroffenen sinnvoll ermöglicht, ist noch fraglich. Der einzig richtige Weg, gegen die HPV-induzierte Karzinogenese vorzugehen, ist die Primärprävention durch Impfprogramme. Eine wirksame Therapie existiert derzeit nicht und die Operation als ultima ratio ist in vielen betroffenen Ländern nicht durchführbar, was einen qualvollen Tod bedeutet. Die Impfung kann in Deutschland bei Jungen und Mädchen mit dem bivalenten Impfstoff Cervarix® oder dem nonavalenten Gardasil® erfolgen; beide decken die gefährlichen Genotypen 16 und 18 ab. Bei HPV kann es eine lebenslange Persistenz des Virus sowie auch selten der Antikörper geben. Vielen ist der „Deposit-Effekt“ nicht bekannt: Bei einer Vielzahl von Abstrich-Untersuchungen ist nicht die Frau primär HPV-positiv, sondern der Mann nach Geschlechtsverkehr ist Verursacher des positiven Nachweises. Deshalb sollte möglichst mindestens 5 Tage vor der Untersuchung der Frau kein Geschlechtsverkehr stattfinden. Eine theoretische (aber nur in Studien durchführbare und finanzierbare) Lösung des Problems wäre die genetische Untersuchung des Abstrichs auf das Y-Chromosom.
Über das oft kontrovers diskutierte Gebiet der „Thrombophilie-Diagnostik in der Praxis“ berichtete PD Dr. Reuner, Cottbus. Die venöse Thrombose ist eine weit verbreitete, jährliche Inzidenz in Deutschland ca. 1,6 pro 1000 Einwohner, und durchaus gefährliche Erkrankung (Gefahr der potenziell tödlichen Lungenembolie oder des schweren postthrombotischen Syndroms), deren Ursache multifaktorieller Genese ist. Die Virchowsche Trias (Änderungen der Blutströmung, Gefäßwand und Blutzusammensetzung) ist nach wie vor für den Bereich der venösen Thrombosen gültig. Als wichtigste Risikofaktoren sind das zunehmende Alter sowie eine bereits stattgehabte thrombembolische Erkrankung anzunehmen. Während im arteriellen „Hochdruckbereich“ der Fokus auf thrombozytären Faktoren liegt, kommen im venösen Bereich eine Vielzahl von thrombophilen Risikofaktoren zum Tragen. Neben schnürenden Gipsverbänden, Operationen, mangelnder Bewegung, Immobilisation, Übergewicht, hormonellen Kontrazeptiva, Hormonersatztherapie etc. sind auch die nahezu „klassischen“, über entsprechende Laboruntersuchungen fassbaren, genetisch determinierten Risikofaktoren wie der Faktor V Leiden, die Prothrombinmutation G20210A oder der Antithrombinmangel zu untersuchen. Während die beiden erstgenannten eher moderate Risikoerhöhungen mit sich bringen, die selbst im homozygoten Zustand mit dem Leben vereinbar sind (heterozygot mit einem ca. 7fach erhöhten Risiko bspw. 40-fach beim homozygoten Faktor V Leiden), sind der Protein C-, Protein S- und vor allem der Antithrombinmangel zwar selten, dafür aber mit einer starke Risikoerhöhung vergesellschaftet. In ihrer homozygoten Form enden sie, vor allem der homozygote Antithrombinmangel, meist bereits peripartal mit dem Bild der Purpura fulminanz letal. Oft durchgeführte Untersuchungen von Plasminogen, PAI-1-Polymorphismen/Aktivität, TAFI, MTHFR-Polymorphismen,TFPI, Thrombomodulin-Polymorphismen, ACE-Polymorphismen gehören nicht in das „Routineprogramm“ der Thrombophilieklärung.
Die Suche nach thrombophilen Risikofaktoren sollte nur durchgeführt werden, wenn sie therapeutische Entscheidungen beeinflussen. Besonderes Augenmerk sollte auf das Antiphospholipid-Syndrom gelegt werden, da es für Thrombembolien mit atypischer Lokalisation aber auch mit erheblichen Risiken in der Schwangerschaft einhergeht und unter Beachtung der aktuell gültigen diagnostischen Kriterien durchgeführt werden muss. Erhöhte D-Dimere im Verlauf oder vier Wochen nach Absetzen der Basisantikoagulation können als ein möglicher Baustein für die Entscheidung einer längerfristigen Koagulation dienen.
Der Vortrag von Herrn Dipl. Biol. Hafen, Johner Institut, „Anforderungen der IVDR an das medizinische Labor“, löste deutliche Diskussionen aus, die auch nach seinem Vortrag bzw. beim gemeinsamen Abendessen, fortgesetzt wurden. Herr Hafen referierte sehr engagiert über die Anforderungen der IVDR im Labor und stellte regulatorische Fragestellungen zu In-house Produkten sowie zu Probenahme-Sets und QM-Systemen dar. Mit kleinen Seitenhieben wies er mehrfach darauf hin, dass viele Anforderungen bereits erfüllt sein müssen – die meisten Labore aber noch weit davon entfernt sind, dieses umfänglich umgesetzt zu haben. Zunächst zeigt er den Zusammenhang zwischen EU Recht, nationalem Recht und den betroffenen Firmen/Bürgern. EU-Richtlinien haben im Gegensatz zu EU-Verordnungen keine direkte Gültigkeit ohne Überführung in nationale Gesetze und Verordnungen. Die Forderungen stehen direkt in den EU-Verordnungen und gelten auch ohne Überführung in nationales Recht. Eine vollständige Wiedergabe der vorgetragenen Punkte ist hier nicht möglich; allenfalls der Versuch einer groben Zusammenfassung. Die Basis bildet ein vollständiges Qualitätsmanagementsystem nach Rili-BÄK bzw. ISO15189, Vorgabedokumente (Vdok) zur Entwicklung/Herstellung/Änderung von Produkten (z. B. ISO 13485, Kapitel 7), Vdok zur Überwachung der Produkte, Vdok zum Vorgehen bei Vorkommnissen, Vdok zur Äquivalenzanalyse. Besonders für in house IVD muss eine komplette Beschreibung vorliegen. Hierfür müssen die Zweckbestimmung und Produktbeschreibung, entsprechende Checklisten, Leistungsbewertung, Gebrauchstauglichkeitsakte, Softwareakte, eine Risikomanagementakte, eine Entwicklungs-, Herstellungs- und Änderungsdokumentation und weitere Punkte ausführlich beschrieben sein.
Letztlich muss eine öffentliche Erklärung vorliegen, dass die Produkte sämtliche Anforderungen nach Anhang 1 erfüllen; es muss eindeutig daraus hervorgehen, warum die Verwendung des In-house IVD anstatt der eines äquivalenten CE-IVD geschieht; ein „weil es preiswerter ist“, reicht nicht.
Vor dem gemeinsamen Abendessen konnte man noch mit einem ein Gläschen Sekt oder Orangensaft auf der Terrasse des Hotels interessante Gespräche führen. Einige Teilnehmer nutzten das zu einem kurzen Spaziergang am Ufer des Templiner Sees. Leider wurde man dann zum eigentlichen Buffet in die Innenräume gezwungen, da ein massiver Gewitterregen nieder ging. Nach dem gemeinsamen Frühstück ging es dann am nächsten Morgen in den zweiten Teil der Veranstaltung.
In wieweit sich die therapeutischen Optionen bei hämatoonkologischen Erkrankungen verändert haben, zeigte Frau PD Dr. Grabowski, Berlin, an einigen Beispielen in ihrem Referat „Vor zwanzig Jahren noch frustran – was können wir heute leisten? Chancen und Indikationen der modernen Hämatologie auch jenseits der Stammzelltransplantation“. Die hämatologischen Neoplasien (Leukämien, Non-Hodgkin Lymphome, Multiple Myelom, M. Hodgkin) machen mit ca. 7% nur einen kleinen Teil der malignen Tumore (93%; solide und sonstige Tumore) aus. Am Beispiel der chronisch myeloischen Leukämie zeigte sie die hervorragenden Therapieerfolge durch den Einsatz der Tyrosinkinase-Inhibitoren verschiedener Generationen. Diagnostisch ist das Differenzialblutbild mit der durchgehenden „pathologischen Linksverschiebung“ von ausgereiften myeloischen Zellen bis zu Myeloblasen führend. Ohne spezifische Therapie kommt es zur Progression der Erkrankung bis zum Blastenschub, der dem Bild einer akuten Leukämie entspricht. Genetische Aberrationen (klassisch das Philadelphia Chromosom, die BCR-ABL-Mutation und viele andere) stehen im Vergleich zur Durchflusszytometrie im Vordergrund und helfen auch bei der Beurteilung des Therapieerfolgs. Bei akuten Leukämien zeigt sich keine Ausreifungstendenz und genetische Sequenzierungsverfahren sind hier entscheidend für die Diagnostik und den Therapieverlauf. Eine Vielzahl genetischer Aberrationen (balanzierte sowie unbalzierte) wird künftig helfen, die Prognose zu verbessern. Es existieren komplexe Therapiealgorithmen, wobei sich die akute promyelozytäre Leukämie mit einem einfachen Therapieschema und sehr guter Prognose auszeichnet. Bei den lymphatischen Leukämien kommen oftmals antikörper-basierte Therapien zum Einsatz; klassisches Beispiel ist das Rituximab als komplementbindender Anti-CD20-Antikörper, der bei den meisten B-Zelllymphomen mit entsprechender Markerexpression in Kombination mit anderen Therapeutika eingesetzt werden kann. Es werden auch Chemo- sowie Radiotherapeutika an spezifische Antikörper gekoppelt, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Bei allen Therapien maligner Erkrankungen darf nicht nur auf die Nebenwirkungen der Therapie oder das Fortschreiten der Erkrankung (Organschäden, Fatigue, Ängste, Depression etc.) geachtet werden. Vielmehr muss der Mensch als Individuum im Rahmen multimodaler, integrativer Konzepte (Gesprächstherapie, Musiktherapie, Tanz, Töpfern, Förderung weiterer Interessen) betrachtet werden. Hierdurch werden eindeutig belegte bessere Behandlungsergebnisse sowie eine erhöhte Lebensqualität erzielt.
Schon nahezu traditionell gab Herr Dr. Bobrowski (Lübeck) als 1. Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte einen kurzen Überblick in „Aktuelle berufspolitische Entwicklungen in der Laboratoriumsmedizin“. Er folgte dabei seiner Gliederung in: 1) Nach der Pandemie: Die Laborlandschaft; 2) Politik: Neue Gesetze; 3) BÄK (Bundesärztekammer): DÄT (Deutscher Ärztetag) in Essen / neue GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte); 4) Digitalisierung: MIO-(Medizinische Informationsobjekte-)Laborbefund, ePA (elektronische Patientenakte), eAU (elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung),…. und 5) KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung): GOP (Gebührenordnungsposition) 4100 und GOP 12220. Die „Laborlandschaft“ wird durch Faktoren wie die Energiekrise, steigende Infrastrukturkosten, Lohnsteigerungen, Personalmangel sowie erhöhte Material- und Reagenzkosten getroffen. Leider wartet man bisher vergebens auf einen Ausgleich durch die Kostenträger. Bei den Laborärzten gibt es praktisch keine neuen Niederlassungen; der Hauptteil ist in MVZs (Medizinischen Versorgungszentren) oder weniger auch in Praxen angestellt. Im Bereich neuer Gesetze soll ein MVZ-Regulierungsgesetz geschaffen werden, das u.a. die ärztliche Leistung mehr berücksichtigt und den Trend zur Übernahme von Laboren durch fachfremde Investoren erschweren soll. Im Bereich der Digitalisierung sind noch viele Hürden zu nehmen: MIO; verstanden als kleine digitale Informationsbausteine, die universell verwendbar und kombinierbar sind, die ePA und die eAU sollen nach und nach über die verbesserte Telematikinfrastruktur universell anwendbar werden. Es besteht aber nach wie vor Uneinigkeit darüber, wie die ePA gefüllt werden soll: Das Bundesministerium für Gesundheit, der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung, der Verband der privaten Krankenversicherung und die KBV haben sich bisher nicht einigen können. Zum Ende des Vortrags kommentiert Dr. Bobrowski noch einige Änderungen der GOPs wie die Transport- und Befundpauschalen (GOP 40100) oder die laborärztlichen Grundpauschale (GOP 12220). Auch wenn er diesen Satz nicht ans Ende des Vortrags gestellt hatte, bleibt er trotzdem in Erinnerung: „Jeder Tag mit der alten GOÄ ist aus laborärztlicher Sicht ein guter Tag“.
Die kurze Kaffepause wurde von vielen genutzt, sich mit Getränken und einigen kleinen Gebäckstückchen für den letzten Teil der Veranstaltung zu stärken. Es gab auch – und das ist ein großer Vorteil von Präsenzveranstaltungen – intensive Gespräche sowie Diskussionen.
Nun, die beiden letzten Referenten mit ihrer Thematik stellte Dr. Heinze kurz vor. Herr Professor Welte, Hannover,konnte das Publikum mit seinem gut verständlichen, professionellen und oftmals kritischen Vortrag „Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Was haben wir gelernt?“ auf den aktuellen Stand und zum Nachdenken bringen. Krankheiten wie die Pest, Pocken, Tuberkulose, Influenza, HIV/AIDS, Corona ausgelöste Erkrankungen wie SARS, MERS, COVID19 hatten bzw. haben immer noch Millionen Tote weltweit verursacht. Die Pest konnte sicher antibiotisch behandelt werden, die Pocken wurden erfolgreich weltweit eradiziert. Auf historischen Bildern bzgl. der „Spanischen Grippe“ (sie kam ursprünglich aus den USA mit Soldaten in das kriegsführende Europa) wurde das Tragen von Atemschutzmasken als wichtige Präventionsmaßnahme gezeigt. Wir haben selbst erlebt, wie kritisch die Herstellung in Billigländern sein kann und sollten derartige Dinge in Europa/Deutschland selbst produzieren. Am Beispiel der Pest konnte historisch schon die Effektivität von Isolationsmaßnahmen gezeigt werden; Stichwort „lock down“. Für die breite Akzeptanz sind jedoch einheitliche, nachvollziehbare Entscheidungen/Kommunikationen essentiell. Zu breite Vorsichtsmaßnahmen ohne genaue Kenntnisse können deutliche Schäden im sozialen Gefüge hervorrufen; beispielhaft ist die deutlich verminderte Lesekompetenz und vermutlich auch soziale Kompetenz bei jungen Schülern, die von den Isolierungsmaßnahmen getroffen wurden, zu nennen. Dann ging er auf den Variantenwechsel SARS-CoV2 ein. Omikron zeichnet sich durch eine höhere Transmissibilität sowie einen milderen Verlauf aus, der letztlich eine mäßige Normalstations- aber keine Intensivstationsbelastung hervorruft. Die klinische Symptomatik unterscheidet sich somit deutlich von dem früheren Variantem. Natürlich gibt es auch weiterhin schwere Verläufe, die aber vorrangig Risikogruppen betreffen. Hierzu zählen bspw. Transplantationspatienten, Patienten mit hämatologischen Malignomen (Leukämien, Lymphomen), Autoimmunerkrankungen, vor allem unter B Zell depletierender Therapie, nicht/unvollständig Geimpfte sowie alte, multimorbide Patienten.
Aktuelle Empfehlungen bzgl. der Grundimmunisierung sowie Auffrischung können im Epidemiologischen Bulletin, 21/23, 25.05.2023, Seite 4, nachgelesen werden. Bezüglich der therapeutischen Optionen zeigte er kurz anti-virale Medikamente (Remdesivir, Molnupiravir,
Nirmatrelvir/Ritonavir), monoklonale Antikörper, immunmodulatorische Medikamente (Dexamethason, Janus Kinase Inhibitoren sowie Anti Il-1/Anti Il-6 Faktoren) und eine suffiziente Antikoagulation.
Letztlich „Was haben wir aus der Coronapandemie gelernt?“: Mund Nasen Masken verhindern die Übertragung von Aerosol zuverlässig, Lock Down Maßnahmen sind effektiv, eine differenzierte nachvollziehbare Betrachtungsweise von Nutzen und Risiken von Maßnahmen unter Einbeziehung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen ist essentiell. In Deutschland fehlt eine Struktur, um den Diagnostiker und den Verschreiber zeitnah mit dem Patienten zusammenzubringen (Digitalisierung im Gesundheitswesen ???). Die SARSCoV2 Impfung ist effektiv, um schwere Infektionen zu vermeiden, nicht jedoch um eine Infektion zu verhindern. Wer wann eine Auffrischungsimpfung braucht, ist nicht abschließend geklärt (jährlich für Risikogruppen, jährlich für alle?). SARSCoV2 wird bleiben; es ist im Hinblick auf Häufigkeit und Schwere der Erkrankung mit Influenza vergleichbar. Wir müssen lernen, damit zu leben, ohne zu sorglos und zu übervorsichtig zu werden. Jeder muss selbst eine Einstellung finden, wieviel Schutz er für sich als richtig erachtet. Als Warnung: Talk Show- und Social Media-Auftritte (bei Markus Lanz und ähnliche) sind nicht der Ort, an dem man komplexe fachliche Probleme erörtern kann bzw. sollte!
Als letzter Referent des Treffens zeigte uns Herr Dr. Neubeck, Cottbus, „Neue Aspekte der Drogenanalytik“. In der Forensik spielt die Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-(Missbrauchs)-analytik eine große Rolle. Das Problem bei akut-toxikologischen Untersuchungen ist der Umstand, dass weder LC-MS Screening-Verfahren oder immunologische Drogen-Schnell-quantifizierungen nicht alle Missbrauchssubstanzen erfassen. Bei nicht akuten Fragestellungen werden in der Regel Immunoassays (klassische Drogenklassen) vorangestellt, darauf dann folgend die Bestätigungsanalytik z. B. mit GC/MS-MS und anderen. Die Analytik muss sich immer wieder dem „Einfallsreichtum“ der Drogenhersteller, dem Verhalten der Konsumenten oder aber auch der Gesetzgebung anpassen; aktuelles Beispiel ist die Diskussion um die Cannabis-Legalisierung. Am Beispiel der Cannabinoide zeigte er verschiedene Probleme auf, da die Cannabispflanze mehr als 100 verschiedene Cannabinoide mit verschiedenen Wirkungen besitzt. Darüber hinaus müssen neue psychoaktive Substanzen frühzeitig und sicher erkannt werden; so werden in einem EU-Frühwarnsystem alle auch erstmals gemeldete Substanzen gelistet. Es ist das Ziel, alle klassischen Drogenklassen sowie bestimmte Medikamentenwirkstoffklassen auch
als Derivate verfügbar zu halten. Bei den Opioiden tauchen auch immer wieder neue, hochpotente Substanzklassen auf, die teilweise wesentlich potenter als Morphin sind. Bei den Konsumenten kommt es dann aus Unwissenheit zum Teil zu tödlichen Überdosierungen. Sofern es sich für den Notarzt oder Intensivmediziner um eine typische Opiatsymptomatik handelt (und keine schwere Mischintoxikation vorliegt) bringt die Gabe von Naloxon eine rasche klinische Besserung. Fentanyl (ca. zehnfache Morphinwirksamkeit) sowie Carfentanyl (ca. 10.000-fache Morhinwirksamkeit) führten zu einer sogenannten „Opioidkrise“ in den USA mit extremen Opferzahlen (über 80.000 Tote in 2021)! Vor allem Carfentanyl ist so wirksam, dass es eigentlich zur Betäubung von Elefanten eingesetzt wird. Weil es auch über die Haut oder Atemluft aufgenommen werden kann, sind diese „Hyperdrogen“ nicht nur für Abhängige extrem gefährlich, sondern zunehmend auch für Ersthelfer und Ermittler. Auch Benzodiazepine und andere, werden oftmals in Verbindung mit großen Mengen Alkohol konsumiert. Handelt es sich dann „nur“ um sogenannte k.o.-Tropfen ist das zwar kriminell – aber meist nicht tödlich; werden aber hohe Dosierungen als Misch verabreicht, ist oftmals ein letaler Ausgang die Folge. Das Lachgas (N2O), entzieht sich aufgrund der Flüchtigkeit und geringen Gewebsbindung weitgehend der Analytik und wird schon seit 2010 zunehmend in der „Party-/Clubszene“ verwendet.
So ging das Laborleitertreffen 2023 in Potsdam zu Ende. Herr Dr. Heinze dankte den Teilnehmern für ihr Kommen und die rege Diskussion, den Referenten für die sehr guten Vorträge sowie den Sponsoren (Sarstedt, Roche Diagnostics sowie Sysmex Deutschland GmbH), die erst zusammen ein derartiges Treffen ermöglichen. Frau Herrmann von eventlab hatte auch in diesem Jahr das Heft der Organisation fest und erfolgreich in der Hand. Ihr galt ein besonderer Dank. Neben den bekannten „treuen Mitstreitern“ waren auch viele neue Gesichter dabei. Im Sinne der Veranstalter sollen auch neue, junge Kollegen für das Treffen geworben werden, die dann künftig in die Fußstapfen „der Alten“ treten und die Laboratoriumsmedizin als Querschnittsfach vieler Disziplinen erfolgreich vertreten können. Den Termin für unser Treffen im nächsten Jahr wird noch rechtzeitig bekannt gegeben. In diesem Sinne verabschiedete Herr Dr. Heinze alle Teilnehmer in ein hoffentlich sonniges und erholsames Restwochenende.
Referiert von Dr. K.-G. Heinze, Berlin.