Europäisches Forschungsprojekt entwickelt Gentherapie gegen Herzinsuffizienz

Forschende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) unter der Leitung von Prof. Dr. Constanze Schmidt, Direktorin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, arbeiten im Rahmen eines internationalen Projekts an einer neuartigen Gentherapie zur Behandlung von Herzinsuffizienz. Das Vorhaben CONDUCTION-GTx, gefördert mit rund 500.000 Euro vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), zielt darauf ab, die elektrische Erregungsleitung in geschwächten Herzen wiederherzustellen und die Therapie der Erkrankung nachhaltig zu verbessern.
Herzinsuffizienz betrifft in Deutschland etwa vier Millionen Menschen und europaweit über 15 Millionen. Mit jährlich mehr als 450.000 stationären Behandlungen ist sie eine der häufigsten Ursachen für Krankenhausaufenthalte. Störungen in der elektrischen Signalweiterleitung des Herzens tragen wesentlich zur Krankheitslast bei. Herkömmliche Behandlungsmethoden wie Herzschrittmacher oder kardiale Resynchronisationsgeräte lindern Symptome, beheben jedoch nicht die zugrunde liegenden zellulären Defekte und sind nicht für alle Patienten gleich wirksam.

Das dreijährige Projekt CONDUCTION-GTx, Teil der „International Cardiovascular Research Partnership Awards“ (ICRPA), wird von einem Konsortium aus Forschungseinrichtungen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden umgesetzt. Neben der UMG sind das Imperial College London, das Amsterdam University Medical Center und die Universität Bordeaux beteiligt. Die Gesamtförderung beläuft sich auf zwei Millionen Euro, wobei die UMG von Prof. Schmidt und Priv.-Doz. Dr. Felix Wiedmann geleitet wird. Ziel ist die Entwicklung einer Gentherapie, die mithilfe eines speziell entwickelten Virus Gene in Herzmuskelzellen einschleust. Diese Gene fördern die Produktion von Proteinen, die die elektrische Signalweiterleitung verbessern, insbesondere durch die Regulierung von Natriumkanälen, Gap Junctions und dem Transkriptionsfaktor Tbx5.
Die Therapie wird zunächst in vorklinischen Studien an Tiermodellen und menschlichem Herzgewebe getestet, ergänzt durch computergestützte Simulationen zur Optimierung der Anwendung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der detaillierten Analyse des ventrikulären Reizleitungssystems mithilfe moderner Methoden wie räumlicher Transkriptomik und optischer Darstellung der Erregungsausbreitung. Diese Analysen sollen ein umfassendes Verständnis der zellulären Prozesse schaffen und die Grundlage für zukünftige Therapien bilden. Das ICRPA-Programm fördert seit 2018 innovative präklinische Forschung mit hoher klinischer Relevanz und stärkt internationale Kooperationen in der Herz-Kreislauf-Forschung.
Wissenschaftlicher Hintergrund:
Im Fokus stehen drei zentrale Zielstrukturen, die nachweislich die Reizweiterleitung im Herzen beeinflussen: (1) Natriumkanäle, die dafür sorgen, dass Natrium-Ionen schnell in die Herzmuskelzellen gelangen und elektrische Signale zuverlässig weitergeleitet werden, (2) die sogenannten Gap Junctions, Verbindungsstellen zwischen benachbarten Herzmuskelzellen, die den direkten Austausch elektrischer Impulse ermöglichen und der (3) Transkriptionsfaktor Tbx5, der die Aktivität bestimmter Gene reguliert, die für die Entwicklung und Funktion des Reizleitungssystems entscheidend sind. Störungen in einem dieser Bereiche können die elektrische Signalweiterleitung im Herzen beeinträchtigen und somit die Herzfunktion verschlechtern. Die Gentherapie setzt genau hier an, indem sie gezielt Gene in die Herzmuskelzellen einschleust, die helfen, die Funktion der Natriumkanäle, der Gap Junctions und des Transkriptionsfaktors Tbx5 wiederherzustellen oder zu verbessern. Die Wirkung der Therapie wird zunächst in vorklinischen Studien im Tiermodell sowie an menschlichem Herzgewebe getestet Ergänzt wird das Projekt durch computergestützte Simulationen, die die Übertragbarkeit auf den Menschen und die optimale Verabreichung der Therapie berechnen sollen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die umfassende und europaweit einzigartige Analyse des ventrikulären Reizleitungssystems in gesunden und geschädigten menschlichen Herzen. Das ventrikuläre Reizleitungssystem ist ein spezialisiertes System im Herzen, das für die koordinierte und schnelle Erregungsausbreitung in den Herzkammern verantwortlich ist. Dabei kommen moderne Verfahren zum Einsatz, wie die räumliche („spacial“) Transkriptomik, eine Methode zur Visualisierung aktiver Gene in verschiedenen Bereichen des Herzgewebes und der optischen Darstellung der elektrischen Erregungsausbreitung. Auf diese Weise soll ein detailliertes Gesamtbild der beteiligten Zellstrukturen und -prozesse entstehen, das als Grundlage für die Weiterentwicklung künftiger Therapien dienen soll.
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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