Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung widmen sich “Kommunikation” der Organe

von | März 10, 2025 | Nicht kategorisiert

Veränderungen von Ernährung und Umwelt stellen den menschlichen Stoffwechsel ständig vor neue Herausforderungen. Dabei wirken verschiedene Organe in einer komplexen Interaktion zusammen, um den Stoffwechsel im Gleichgewicht zu halten. Der Körper verfügt über ein ausgeklügeltes System der Kommunikation, das es Zellen ermöglicht, Stoffwechselwege in entfernten Geweben zu beeinflussen. Eine Fehlregulation dieser Kommunikationswege trägt zu einer Vielzahl von Krankheiten bei.
Zwei interdisziplinäre Projekte der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) erforschen die komplexen Netzwerke und Mechanismen, die den Stoffwechsel steuern, mit dem Ziel, neue Therapieansätze zu entwickeln.

Fehlregulationen der komplexen Kommunikationsprozesse zwischen Organen wie Leber, Herz, Darm, Gehirn und dem Immunsystem beeinflussen die Entstehung von Krankheiten. (Credits: Maria Rohm/Helmholtz Munich/DZD/BioRender.com)
Fehlregulationen der komplexen Kommunikationsprozesse zwischen Organen wie Leber, Herz, Darm, Gehirn und dem Immunsystem beeinflussen die Entstehung von Krankheiten. (Credits: Maria Rohm/Helmholtz Munich/DZD/BioRender.com)

Unser Körper funktioniert wie ein hochkomplexes Netzwerk, in dem Organe und Gewebe miteinander kommunizieren, Signale und Stoffwechselprodukte austauschen und sich gegenseitig beeinflussen. Diese interorganische Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Behandlung von Krankheiten, ist aber noch nicht vollständig verstanden. Insbesondere unser Stoffwechsel ist eng mit Entzündungsreaktionen, Alterungsprozessen und chronischen Erkrankungen verknüpft. Stoffwechselprodukte können als Signalmoleküle zwischen Geweben zirkulieren, um entweder Heilungsprozesse zu fördern oder Krankheiten zu verstärken.

Ein neues Forschungsfeld rückt in den Fokus: Inter-Organ Metabolomics untersucht, welche Stoffwechselprodukte zwischen Organen ausgetauscht werden, wie sie biologische Prozesse beeinflussen und welche Rolle sie bei Krankheitsmechanismen spielen. Um diese Zusammenhänge besser zu verstehen, haben die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) den Innovationsfonds „Inter-Organ Metabolomics“ ausgeschrieben. Ziel ist es, Forschende aus verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen, um neue Erkenntnisse über Fachgrenzen hinweg zu gewinnen.

Zwei herausragende Projekte wurden für eine Förderung ausgewählt und erhalten ein Gesamtbudget von bis zu 766.000 Euro (Projekt 1) und 796.000 Euro (Projekt 2) über die Jahre 2025 und 2026.

Projekt 1

Muskelabbau, die sogenannte Kachexie, ist nicht nur die Folge von Immobilität oder Mangelernährung – oft spielt das Immunsystem eine entscheidende Rolle. Bestimmte Stoffwechselprodukte, die bei schweren Erkrankungen wie Krebs oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) freigesetzt werden, können Immunzellen dauerhaft umprogrammieren. Statt Entzündungen zu regulieren, treiben sie den Muskelschwund voran. Dies könnte eine entscheidende Rolle für die Kachexie spielen – einem Syndrom, das zum Muskelabbau führt und auch durch eine verbesserte Ernährung nicht vollständig rückgängig gemacht werden kann.

„Unser Ziel ist es, herauszufinden, welche Stoffwechselprodukte das Immunsystem so verändern, dass es den Muskelabbau verstärkt. Wenn wir das verstehen, können wir gezielt therapeutisch eingreifen“, erklärt Dr. Maria Rohm von Helmholtz Munich, Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) und Leiterin des geförderten Projekts „Metabolit-vermittelte epigenetische Veränderungen in Immunzellen lösen eine koordinierte Gewebeantwort bei Kachexie aus.“

Doch nicht nur das Immunsystem, sondern auch der Fettstoffwechsel könnte eine Schlüsselrolle bei der Kachexie spielen. „Es gibt Hinweise darauf, dass das Fettgewebe bei der Kachexie als früher Signalgeber fungiert und mit den Muskeln kommuniziert. Wenn wir diese Mechanismen entschlüsseln, können wir den Prozess möglicherweise verlangsamen oder sogar aufhalten“, sagt Prof. Alexander Bartelt von der Technischen Universität München und Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK).

Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus fünf der acht Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung – DZD, DZHK, DZL (Lungenforschung), DZIF (Infektionsforschung) und DKTK (Translationale Krebsforschung) – untersucht diese Mechanismen. Mit Hilfe von Zellmodellen, Krankheitsmodellen und Patientendaten analysieren die Forschenden, welche biochemischen Signalwege diesen fatalen Prozess steuern – in der Hoffnung, neue Therapieansätze gegen die Kachexie zu entwickeln.

„Durch die Kombination von Metabolomik, Epigenetik und Immunologie versuchen wir, den Mechanismus der Gewebekommunikation zu identifizieren, der durch Immunzellen vermittelt wird und zu Muskelschwund bei Kachexie und Sarkopenie führt“, ergänzt DZIF-Wissenschaftler Prof. Karsten Hiller von der Technischen Universität Braunschweig.

Projekt 2

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, COPD und Diabetes gehören zu den häufigsten altersbedingten Krankheiten. Eine genetische Veränderung im Blutsystem könnte dabei eine zentrale Rolle spielen: die sogenannte „klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial (CHIP)“. Sie tritt bei mehr als 20 Prozent der über 65-Jährigen auf und wird mit chronischen Entzündungen und gestörten Heilungsprozessen in Herz, Lunge und Gefäßen in Verbindung gebracht.

Doch wie genau beeinflussen diese genetischen Veränderungen das Immunsystem und die Kommunikation zwischen den Organen? Dieser Frage geht das zweite geförderte Projekt mit dem Titel „Die metabolische interorganische Kommunikation des entzündungsbedingten Alterns gezielt beeinflussen – wie somatische Mutationen altersbedingte Erkrankungen antreiben“ nach.

„Wir haben gelernt, dass genetische Mutationen in Blutzellen nicht nur das Leukämierisiko erhöhen, sondern auch Entzündungs- und Stoffwechselprozesse in anderen Organen beeinflussen“, sagt Prof. Michael Rieger vom Universitätsklinikum Frankfurt, Wissenschaftler im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK). „Diese Erkenntnis eröffnet völlig neue Möglichkeiten, um altersbedingte Erkrankungen an der Wurzel zu packen“, ergänzt DZL-Wissenschaftlerin Prof. Soni Pullamsetti von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Das interdisziplinäre Forschungsteam, bestehend aus fünf der Deutschen Zentren (DKTK, DZD, DZHK, DZIF und DZL), geht diesen Fragen nach. Ziel ist es, die Auswirkungen von CHIP-Mutationen in Blutzellen auf Entzündungsprozesse und Stoffwechselveränderungen in den betroffenen Organen zu entschlüsseln. Diese Erkenntnisse könnten entscheidend dazu beitragen, neue Präventions- und Behandlungsstrategien gegen altersbedingte Erkrankungen zu entwickeln.

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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