Sinkende Sorge um Umwelt und Gesundheit: WIdOmonitor zeigt alarmierenden Trend

von | Mai 21, 2025 | Gesundheit, Nachhaltigkeit, Politik

Die Besorgnis der Bevölkerung in Deutschland über gesundheitsrelevante Umweltprobleme nimmt spürbar ab, wie eine aktuelle bevölkerungsrepräsentative Online-Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt. Der WIdOmonitor, basierend auf den Antworten von über 3.000 Erwachsenen, offenbart, dass die Wahrnehmung von Umweltrisiken und deren gesundheitlichen Folgen zwischen 2020 und Ende 2024 deutlich zurückgegangen ist. Gleichzeitig wächst die Skepsis, dass Umweltprobleme übertrieben dargestellt werden. Diese Entwicklung steht in einem besorgniserregenden Kontrast zur realen Gefährdung durch Umweltveränderungen und unterstreicht die Notwendigkeit, das Problembewusstsein in der Bevölkerung zu stärken.

Die Befragung, durchgeführt vom 6. bis 22. November 2024 in Zusammenarbeit mit dem Institut forsa, zeigt einen klaren Rückgang der Sorge um zentrale Umweltthemen. Während 2020 noch knapp 79 Prozent der Befragten angaben, dass ihnen der Klimawandel Sorgen bereite, waren es Ende 2024 nur noch 66 Prozent – ein Rückgang um 13 Prozentpunkte. Ähnlich sank die Besorgnis über Luftverschmutzung von 56 Prozent im Jahr 2020 auf 45 Prozent im Jahr 2024, ein Minus von elf Prozentpunkten. Gleichzeitig stieg der Anteil der Befragten, die Umweltprobleme als übertrieben empfinden, von 19 Prozent im Jahr 2020 auf 29 Prozent im Jahr 2024. Diese Verschiebung deutet auf eine abnehmende Sensibilität für Umweltfragen hin, obwohl der Umweltschutz für 84 Prozent der Befragten weiterhin als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ gilt – ein leichter Rückgang von vier Prozentpunkten im Vergleich zu 2020.

Nicht nur die allgemeine Besorgnis über Umweltprobleme nimmt ab, sondern auch die Wahrnehmung persönlicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Umweltfaktoren. Im Jahr 2020 fühlten sich noch 40 Prozent der Befragten durch Umweltverschmutzung und Schadstoffe stark oder sehr stark gesundheitlich belastet. Ende 2024 war dieser Wert auf 27 Prozent gesunken, während zwei Drittel angaben, sich nur geringfügig oder gar nicht beeinträchtigt zu fühlen. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, die eine anhaltende Krankheitslast durch Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung belegen. Besonders besorgniserregend ist der Rückgang des Bewusstseins für die Gefahren der Luftverschmutzung: Während 2020 noch 68 Prozent der Befragten die Aussage unterstützten, dass dauerhafte Luftverunreinigungen die körperliche und psychische Gesundheit gefährden, waren es 2024 nur noch 54 Prozent. Höher gebildete Personen fühlen sich dabei häufiger durch Luftverschmutzung beeinträchtigt und halten es für schwieriger, deren gesundheitliche Folgen zu vermeiden.

Wir ertrinken in Plastik: Der Verbrauch an Verpackungen steigt stetig; 2021 waren es 19,7 Mio Tonnen. Dabei belasten wir nicht nur die Umwelt, viele Stoffe sind giftig. Weichmacher nehmen wir vor allem über plastikverpackte Lebensmittel auf. (Credits: freepik)
Wir ertrinken in Plastik: Der Verbrauch an Verpackungen steigt stetig; 2021 waren es 19,7 Mio Tonnen. Dabei belasten wir nicht nur die Umwelt, viele Stoffe sind giftig. Weichmacher nehmen wir vor allem über plastikverpackte Lebensmittel auf. (Credits: freepik)

Die größten Sorgen bereiten der Bevölkerung globale Umweltprobleme wie Mikroplastik (79 Prozent), Gewässerverschmutzung (75 Prozent) und der Verlust der Artenvielfalt (70 Prozent). Jüngere Menschen unter 30 Jahren zeigen mit 81 Prozent eine deutlich höhere Besorgnis über den Klimawandel als ältere Altersgruppen. Ein neuer Aspekt in der Befragung war die Wahrnehmung von Hitzewellen: 46 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen sommerliche Hitzeperioden Sorgen bereiten. Ein Drittel (33 Prozent) fühlt sich durch anhaltende Hitze stark oder sehr stark gesundheitlich beeinträchtigt – ein Anstieg im Vergleich zu 25 Prozent in einer früheren WIdO-Befragung von 2021. Chronisch Kranke berichten häufiger von gesundheitlichen Beschwerden durch Hitze, was durch Studien gestützt wird, die einen Zusammenhang zwischen Hitzewellen und verschlimmerten Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie erhöhten Todesraten belegen.

Die Sorge um die langfristigen Auswirkungen von Umweltverschmutzung auf zukünftige Generationen ist ebenfalls rückläufig. Während 2020 noch 76 Prozent der Befragten angaben, dass Umweltverschmutzung die Gesundheit von Kindern und Enkelkindern in den nächsten 25 Jahren stark oder sehr stark belasten werde, waren es 2024 nur noch 64 Prozent. Diese Entwicklung zeigt eine wachsende Diskrepanz zwischen der realen Gefährdung durch Umweltveränderungen und der wahrgenommenen Bedrohung. Die Forscher:innen sehen mehrere Gründe für diesen Trend. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Krisen wie Inflation, geopolitische Unsicherheiten und die Nachwirkungen der Corona-Pandemie haben die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf existenzielle Fragen gelenkt, wodurch Umweltfragen als weniger dringlich wahrgenommen werden. Zudem berichten Medien seltener über Umweltprobleme, da andere Themen die Berichterstattung dominieren. Die zunehmende ideologische Aufladung des Klimawandels, etwa durch polarisierende Debatten, trägt ebenfalls dazu bei, dass Umweltfragen skeptischer betrachtet werden.

Die Ergebnisse des WIdOmonitors decken sich mit anderen Studien, etwa der Umfrage des Umweltbundesamtes zum Umweltbewusstsein in Deutschland, die ebenfalls einen Rückgang der Bedeutung von Umweltthemen zeigt. Besonders alarmierend ist, dass die sinkende Sensibilität für Umweltprobleme mit einem geringeren Bewusstsein für deren gesundheitliche Folgen einhergeht. Luftverschmutzung verursacht trotz Einhaltung von Grenzwerten nach wie vor eine erhebliche Krankheitslast, darunter Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Probleme und psychische Belastungen. Der Klimawandel führt zu häufigeren Hitzewellen, die vulnerable Gruppen wie ältere Menschen und chronisch Kranke besonders gefährden. Dennoch scheint die Dringlichkeit dieser Themen in der öffentlichen Wahrnehmung abzunehmen.

Die Forschenden fordern eine verstärkte Aufklärung, um das Problembewusstsein in der Bevölkerung zu stärken. Eine bessere Information über die konkreten Gesundheitsgefahren durch Umweltfaktoren könnte helfen, die Diskrepanz zwischen realer Bedrohung und wahrgenommener Relevanz zu verringern. Bildung spielt dabei eine Schlüsselrolle, da höher gebildete Menschen Umweltprobleme und deren Folgen kritischer bewerten. Die Ergebnisse der Befragung unterstreichen die Notwendigkeit, Umwelt- und Gesundheitsthemen wieder stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte zu rücken, um langfristig ein Bewusstsein für die Bedeutung nachhaltigen Handelns zu schaffen. Ohne gezielte Maßnahmen droht die Bereitschaft der Bevölkerung, sich für Umweltschutz einzusetzen, weiter zu schwinden, was die Bewältigung globaler Herausforderungen wie des Klimawandels erheblich erschweren könnte.

Der vollständige WIdOmonitor 1/2025 steht zum Download auf der WIdO-Homepage:

https://www.wido.de/publikationen-produkte/zeitschriften/widomonitor/widomonitor-1-2025

Lesen Sie auch:

One Health: Klimawandel bedroht drei Milliarden Menschen mit neurologischen Erkrankungen – MedLabPortal

The Lancet: Gesundheitsbedrohungen durch den Klimawandel erreichen rekordverdächtige Ausmaße – MedLabPortal


Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

Gender-Hinweis. Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Doppel/Dreifachnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.