“Die Laboratoriumsmedizin findet sich ja per se an der Schnittstelle von Forschung und Praxis.”

Die 11. Mitteldeutsche Laborkonferenz findet vom 3. bis zum 4. April 2025 in Dresden statt. MedLabPortal sprach im Vorfeld mit den vier wissenschaftlichen Leitern der Veranstaltung: Triantafyllos Chavakis, Peter Mirtschink, David Poitz und Oliver Tiebel. Auf unsere Fragen antworteten sie als Team.
MedLabPortal: Die 11. Mitteldeutsche Laborkonferenz steht unter dem Motto ‚Von Prävention bis Präzision‘. Wie sehen Sie die Rolle der Laboratoriumsmedizin dabei, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und gleichzeitig individuellere Behandlungen zu ermöglichen?
Die Laboratoriumsmedizin spielt eine Schlüsselrolle in der Früherkennung und personalisierten Behandlung von Krankheiten. Fortschritte in der Biomarkeranalyse und Multi-Omics-Ansätze treiben zudem die Präzisionsmedizin voran.
Hochsensitive Biomarker ermöglichen beispielsweise die frühzeitige Erkennung bestimmter Tumorerkrankungen sowie kardiometabolischer und Autoimmunerkrankungen bereits in subklinischen Stadien. Zukünftig wird die Integration von Genom-, Proteom- und Metabolom-Daten helfen, individuelle Risikoprofile zu erstellen und Krankheitsverläufe vorherzusagen. Hier wird die Laboratoriumsmedizin von Maschinellem Lernen und Big Data-Analysen profitierten und eine Erkennung komplexer molekularer Muster ermöglichen, die zur jetzigen Zeit nicht erfassbar wären. Datengetriebene Ansätze werden daher die frühzeitige, präzise und individualisierte Patientenversorgung verbessern. Gleichzeitig gewinnt auch die personalisierte Prävention an Bedeutung, indem aus molekularen Mustern individuelle Risikoprofile erstellt und gezielte Maßnahmen frühzeitig abgeleitet werden. Die Liquid Biopsy, eine minimal-invasive Methode zur Analyse zirkulierender Tumor-DNA im Blut, ist eine weitere Technologie zur Verbesserung der Früherkennung.
Auch in der personalisierten Medizin ist die Laboratoriumsdiagnostik essenziell. Ein prominentes Beispiel ist die Akute Myeloische Leukämie (AML), bei der genetische und molekulare Marker bereits in den Therapieleitlinien verankert sind. Gleiches gilt für die Pharmakogenetik, die, man muss wieder sagen, immer häufiger in den Fokus rückt. Diese personalisierte Diagnostik verbessern das Therapieansprechen und minimieren, teilweise schwere, Nebenwirkungen, wodurch die Behandlung präziser und effektiver wird.
Durch die Verbindung von innovativer Diagnostik, datengetriebenen Methoden und patientennaher Anwendung ist die Laboratoriumsmedizin zweifellos eine tragende Säule der Präzisionsmedizin.

MedLabPortal: Ein Highlight der Konferenz ist die Podiumsdiskussion zum neuen MTA-Gesetz. Was erwarten Sie von dieser Diskussion, und wie könnte das Gesetz die Arbeit in Labors und Kliniken in Deutschland verändern?
Wir sind sehr gespannt auf diesen Programmpunkt und das neue Format. Bereits in der Vorabstimmung mit den VertreterInnen der beteiligten Standorte hat sich das extrem bunte Spektrum an lokalen Besonderheiten gezeigt und wir erwarten einen offenen Austausch auf dem Podium aber ganz besonders auch mit dem Auditorium. Aufgrund des Gesetzes müssen die Strukturen geschaffen und alle involvierten Mitarbeitende in das System integriert werden. Das ist eine neue Situation für alle Beteiligten. Damit allerdings besteht die echte Chance, die Ausbildung dieser so unheimlich wichtigen Berufsgruppe grundlegend zu überdenken und zeitgemäß aufzustellen. Wir alle wissen, welchen Stellenwert die Laboratoriumsmedizin im Rahmen der Diagnostik einnimmt, wie wichtig die Ergebnisse für eine korrekte und effiziente Diagnosestellung in jedem Einzelfall und in Summe für alle Fälle einer medizinischen Einrichtung sind. Wir können die Herausforderungen der Zukunft nur mit gut ausgebildetem Personal meistern und das bekommen wir nur mit großem Engagement und hoher Motivation im Bereich der Ausbildung bewerkstelligt. Insofern schafft das neue Gesetz eine Voraussetzung dafür, optimal strukturierte Prozesse zu erzeugen und mit Teams von erfahrenen und motivierten Praxisanleiterinnen und Praxisanleitern junge Menschen für einen wirklich extrem interessanten Beruf zu begeistern. Nur so werden wir es schaffen, einer seit Jahrzehnten neben dem Pflegedienst so unersetzlichen Berufsgruppe die ihr zustehende Wertschätzung zukommen zu lassen und sie mit entsprechend gut vorbereitetem Nachwuchs für die zukünftigen, stetig weiterwachsenden Ansprüche zu unterstützen.
MedLabPortal: Eine Session befasst sich mit der Entzündungsforschung, die Themen wie Sepsis und angeborene Immunität behandelt. Welche neuen Erkenntnisse oder Ansätze in diesem Bereich finden Sie besonders spannend, und wie könnten diese den Laboralltag beeinflussen?
Sepsis ist laut WHO eine der häufigsten Todesursachen weltweit und die Zahl der nicht bzw. nicht rechtzeitig erkannten Fälle eine beträchtliche Herausforderung. Insbesondere der extrem hohe Anteil von Kindern unterstreicht die Bedeutung für eine frühzeitige Erkennung. Die Frage ist, ob sich langjährig etablierte Marker im Sepsis- und Inflammationsmonitoring, wie beispielsweise PCT oder CRP, durch alternative Messgrößen ergänzen lassen. Vor dem Hintergrund des permanent steigenden Kostendruckes im Gesundheitssystem wird es immer bedeutender, alle Optionen auszuschöpfen, die zu einer effizienten Diagnose und Patientenbetreuung beitragen können. Weiterhin werden wir in derselben Sitzung neueste Entwicklungen zu autoimmunen Erkrankungen aus der Rheumatologie diskutieren. Sehr spannend ist auch das hochaktuelle Thema des Gedächtnisses der angeborenen Immunität. Dass nicht nur die adaptive Immunität ein Gedächtnis hat, sondern auch die angeborene unspezifische Immunität, ist seit ca. 10 Jahren bekannt und hat für eine Zeitenwende in der Immunologie gesorgt. Ganz wichtig kann dieses neue Konzept auch eine Erklärung für die Entwicklung von chronischen Entzündungen liefern.
MedLabPortal: Die Konferenz legt großen Wert auf den Austausch zwischen Forschung und Praxis. Welche Chancen sehen Sie darin für die Labormedizin, und wie kann die Veranstaltung in Dresden diesen Austausch konkret fördern?
Die Laboratoriumsmedizin findet sich ja per se an der Schnittstelle von Forschung und Praxis. Insofern liegt es an uns als Vertreter eines grundsätzlich integrativen Faches, den Kontakt zu unseren Partner in der Klinik zu suchen und den aktiven Austausch zu pflegen. Es gibt eine ganze Menge an sehr spezifischen Inhalten, mit denen wir unsere Kolleginnen und Kollegen am Krankenbett oder in der Sprechstunde unterstützen können. Niemand kann verlangen, dass die methodisch inzwischen teilweise derartig speziellen Assays und deren umfangreiche Aussagen jeder Ärztin, jedem Arzt permanent bewusst sind. Insofern schlummert in der Laboratoriumsmedizin ein nicht unerhebliches Potenzial für die Translation wissenschaftlicher Ergebnisse und die Implementierung neuer Methoden (z.B. künstliche Intelligenz). Nichtsdestotrotz zählt am Ende die Interaktion zwischen allen Beteiligten (GrundlagenwissenschaftlerInnen, LaboratoriumsmedizinerInnen, KlinikerInnen) und genau dort wollen wir auch 2025 wieder einen Beitrag mit der Mitteldeutsche Laborkonferenz leisten.
MedLabPortal: Vielen Dank für Ihre Zeit
Die Fragen stellten die MedLabPortal Redakteure Marita Vollborn und Vlad Georgescu
Weiterführende Informationen:
Home | 11. Mitteldeutsche Laborkonferenz vom 03.–04. April 2025
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11. Mitteldeutsche Laborkonferenz: Von Prävention bis Präzision – MedLabPortal
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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