Autoimmunerkrankungen: Auslöser für Nierenschäden bei Lupus ausgemacht

von | Aug 14, 2024 | Allgemein, Gesundheit

Nierengewebe (Lupus-Mausmodell) mit Zeichen von beginnender Fibrose (grün). Blockiert man den NKp46-Rezeptor der ILC-Zellen, geht die Lupus-Nephritis zurück. Blau: Zellkerne. | Quelle: Frauke Schreiber | Copyright: © Charité | Frauke Schreiber

Ein Berliner Forschungsteam hat jetzt den Mechanismus aufgedeckt, der für die Nierenschäden verantwortlich ist: Eine kleine, spezialisierte Gruppe von Immunzellen – die sogenannten angeborenen lymphatischen Zellen (ILC) – löst eine Lawine von Effekten aus, die zu einer Nierenentzündung führt. Diese wird auch als Lupus-Nephritis bezeichnet.

Die Forschungsergebnisse stellen die herkömmliche Auffassung infrage, dass eine Lupus-Nephritis alleine auf Autoantikörper zurückzuführen ist, die gesundes Gewebe angreifen. „Autoantikörper sind zwar eine Voraussetzung für die Gewebeschädigung, aber allein nicht ausreichend. Unsere Arbeit zeigt, dass ILC für die Verstärkung der Organschäden verantwortlich sind“, sagt Dr. Masatoshi Kanda, einer der drei leitenden Autor:innen der Studie. Er arbeitete als Humboldt-Stipendiat im Labor von Prof. Norbert Hübner am Max Delbrück Center und ist jetzt in der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie der Sapporo Medical University in Japan tätig.

An Lupus erkranken vor allem Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren. Die Symptome sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Was dazu führt, dass nur manche Patient:innen Nierenschäden entwickeln – manche sogar so stark, dass sie eine Dialyse benötigen – war bisher unklar. „Wir haben nun die meisten der von den ILC kontrollierten Schaltkreise identifiziert, indem wir die gesamte Niere Zelle für Zelle betrachtet haben“, sagt Prof. Antigoni Triantafyllopoulou, Leiterin der Studie von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité. Sie leitet zudem eine Liaison-Arbeitsgruppe am DRFZ, einem Leibniz-Institut.

Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, nutzte das Team die sogenannte Einzelzell-RNA-Sequenzierung. Sie gibt Aufschluss über die Aktivität einzelner Zellen, indem sie identifiziert, welche Gene an- oder abgeschaltet sind. Untersucht wurden nicht nur bestimmte Arten von Immunzellen, sondern die gesamte Niere. Insgesamt sequenzierte das Team für das Projekt fast 100.000 einzelne Nieren- und Immunzellen verschiedener Typen und Funktionen.

Masatoshi Kanda entwickelte eine spezielle Methode für die Einzelzell-RNA-Sequenzierung von Nierengewebe aus Maus und Mensch. „Durch die Methodik konnten wir verschiedene Typen von Nierenzellen untersuchen, was uns einen vollständigeren Überblick darüber verschaffte, wie Lupus die gesamte Niere schädigt“, erklärt Antigoni Triantafyllopoulou.

Der Schlüsselrezeptor

Durch zahlreiche Experimente fand das Team heraus, dass eine Untergruppe von ILC mit dem Rezeptor NKp46 vorhanden und aktiviert sein muss, um eine Lupus-Nephritis auszulösen. Wenn NKp46 aktiviert ist, fährt diese Zellgruppe die Produktion des Proteins GM-CSF hoch, wodurch sich wiederum Makrophagen vermehren. Makrophagen sind große Immunzellen, die sterbende Zellen und Mikroben vernichten. In der Niere verursacht die Flut der eindringenden Makrophagen schwere Gewebeschäden und die Bildung von Narbengewebe, das als Fibrose bezeichnet wird. „Die ILC haben sich als Verstärker in diesem System erwiesen“, sagt Andreas Diefenbach. „Sie sind eine kleine Zellgruppe, aber sie scheinen den ganzen Prozess anzukurbeln.“

Als das Team die Zellen mit dem NKp46-Rezeptor mit Antikörpern blockierte oder den Rezeptor genetisch entfernte, war der Schaden am Nierengewebe nur noch minimal. Eine ähnliche entzündungshemmende Wirkung zeigte sich bei Blockade der GM-CSF-Proteine. „Entscheidend ist, dass sich die Menge an Autoantikörpern nicht veränderte, als NKp46 deaktiviert wurde, die Schädigung des Nierengewebes aber trotzdem geringer ausfiel“, betont Antigoni Triantafyllopoulou. „Das zeigt, dass nicht die Autoantikörper alleine die Nierenentzündung auslösen.“ Da die verwendeten Antikörper noch nicht für die Anwendung am Menschen zugelassen sind, wurde ein Großteil der Arbeit an Mausmodellen durchgeführt. Das Team verglich die Ergebnisse mit Sequenzierungsdaten von Lupus-Patient:innen und stellte fest, dass dort ebenfalls ILC mit ähnlichem Genaktivitätsmuster vorhanden sind.


Original Paper:
 

Biniaris-Georgallis SI, Aschman T, Stergioula K et al. Amplification of autoimmune organ damage by NKp46-activated ILC1. Nature 2024 Aug 13. doi: 10.1038/s41586-024-07907-x

 

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