Tödliches Oropouche-Virus: Reales Risiko für Europa nachgewiesen

Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg haben gemeinsam mit der Universität Hamburg und anderen Einrichtungen das Übertragungsrisiko des Oropouche-Virus durch in Europa verbreitete Stechmücken untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die invasive Asiatische Tigermücke unter bestimmten klimatischen Bedingungen das Virus übertragen kann, was ein potenzielles Risiko für Südeuropa darstellt.
Das Oropouche-Virus, ein Arbovirus, das durch blutsaugende Arthropoden übertragen wird, war bisher vor allem durch Gnitzen als Überträger bekannt. Seit Anfang 2024 verzeichnet die Panamerikanische Gesundheitsorganisation einen starken Anstieg der Infektionen in Mittel- und Südamerika mit über 11.000 bestätigten Fällen, darunter Todesfälle und Hinweise auf schwerwiegende Komplikationen wie Fehlgeburten und Mikrozephalie bei Übertragung während der Schwangerschaft. Die Weltgesundheitsorganisation stuft das Risiko in betroffenen Regionen als hoch ein. In Europa wurden bereits vereinzelte Fälle bei Reiserückkehrern festgestellt, doch ob Stechmücken das Virus übertragen können, war bislang unklar.

Die Studie untersuchte fünf in Europa verbreitete Stechmückenarten, darunter die heimischen Arten Culex pipiens und Culex torrentium sowie die invasiven Arten Aedes aegypti, Aedes japonicus und Aedes albopictus. Im Labor wurden die Mücken mit dem Virus infiziert und unter verschiedenen Temperaturen beobachtet. Nur die Asiatische Tigermücke zeigte bei Temperaturen zwischen 24 und 27 Grad Celsius eine geringe Fähigkeit, das Virus über ihren Speichel zu übertragen. Andere Mückenarten und niedrigere Temperaturen führten zu keiner Übertragung.
Eine Analyse, die Labordaten mit Klimadaten und Verbreitungskarten der Asiatischen Tigermücke kombinierte, ergab, dass Regionen rund um das Mittelmeer, insbesondere in Spanien, Süditalien, Griechenland und der Türkei, im Sommer klimatische Bedingungen bieten könnten, die eine saisonale Virusübertragung ermöglichen. In diesen Gebieten ist Aedes albopictus bereits etabliert. Obwohl die Übertragungsfähigkeit der Mücke gering ist, betonen die Forschenden die Notwendigkeit von Wachsamkeit und weiteren Untersuchungen, da eingeschleppte Viren unter geeigneten Bedingungen zirkulieren könnten, ähnlich wie bei Dengue, Zika oder Chikungunya.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Oropouche prinzipiell auch in Europa übertragen werden könnte, wenn infizierte Reisende auf Populationen von Aedes albopictus in wärmeren Regionen treffen“, sagt Dr. Anna Heitmann, Letztautorin der Studie. „Die Vektorkompetenz ist zwar niedrig, aber nicht gleich null – das macht Wachsamkeit und weitere Forschung notwendig.“
Die Ergebnisse, veröffentlicht im Fachjournal The Journal of Infectious Diseases, unterstreichen die Bedeutung von Überwachungs- und Frühwarnsystemen für durch Stechmücken übertragene Krankheiten in Europa. Angesichts globaler Mobilität und des Klimawandels ist die Forschung entscheidend, um das Risiko neuer Infektionskrankheiten besser einzuschätzen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln.
Original Paper:
Jansen S*, Lühken R*, Höller P et al. (2025): Risk assessment of Oropouche
virus transmission by mosquitoes in Europe. The Journal of Infectious Diseases.
DOI: 10.1093/infdis/jiaf356
(*geteilte Erstautorenschaft)
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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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