Studie enthüllt molekulare Mechanismen von CAR-T-Zelltherapien bei Multiplem Myelom

von | Dez. 15, 2025 | Forschung, Gesundheit

Forschende der Universitätsmedizin Leipzig und des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI haben in einer hochrangigen Studie die Wirksamkeit zweier innovativer CAR-T-Zelltherapien gegen das B-Zell-Reifungsantigen bei Patienten mit schwer behandelbarem Multiplem Myelom untersucht. Die Analyse beleuchtet molekulare Mechanismen, die den Erfolg dieser lebenden Arzneimittel bei der Blutkrebserkrankung bestimmen. Aufbauend darauf hat das Team ein Folgeprojekt mit einer Förderung von zwei Millionen Euro eingeworben, um nächste Schritte in der Immuntherapie zu erforschen.

Multiples Myelom führt zu einer unkontrollierten Vermehrung von Plasmazellen im Knochenmark, was die Produktion gesunder Blutzellen behindert. Bei Rückfällen oder therapieresistenten Fällen kommt eine CAR-T-Zelltherapie in Frage. Diese personalisierte Krebsimmuntherapie entnimmt T-Zellen aus dem Körper des Patienten, modifiziert sie genetisch im Labor, damit sie Krebszellen besser erkennen und bekämpfen können. Die veränderten CAR-T-Zellen werden anschließend infundiert und zerstören im Körper die malignen Zellen.

Die Studie konzentrierte sich auf zwei Therapien, die das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) als Zielstruktur nutzen, das auf kranken Plasmazellen exprimiert wird. Untersucht wurden 61 Patienten: 34 erhielten Idecabtagene Vicleucel (Ide-Cel), 27 Ciltacabtagene Autoleucel (Cilta-Cel). Die Therapie mit Cilta-Cel erzielte bei 78 Prozent der Betroffenen eine vollständige Remission, verglichen mit 38 Prozent bei Ide-Cel. Zudem verlängerte sie das progressionsfreie Überleben, sodass die Erkrankung länger kontrolliert blieb.

Die Forscher identifizierten Faktoren wie Tumorlast, Fitness der T-Zellen und systemische Entzündung als entscheidend für den Therapieerfolg. Diese Erkenntnisse helfen bei der Auswahl und Optimierung von Behandlungen. Um die Unterschiede in Wirksamkeit und Nebenwirkungen zu klären, führten die Wissenschaftler Einzelzell-Multiomics-Analysen an 135 Blutproben durch. Diese Methode erfasst molekulare Profile einzelner Zellen über die Zeit und trackt Veränderungen detailliert.

Die Analysen zeigten, dass Cilta-Cel eine verstärkte Expansion bestimmter Abwehrzellen induziert, die Krebs bekämpfen, aber auch Nebenwirkungen auslösen können. Die Pharmakokinetik unterscheidet sich: Cilta-Cel weist eine verzögerte, aber intensivere Vermehrung der CAR-T-Zellen auf, was zu höheren Zellzahlen führt. Dadurch kann das Zytokinfreisetzungssyndrom, eine mögliche Komplikation, später eintreten.

Die Zusammenarbeit zwischen Universitätsmedizin Leipzig und Fraunhofer IZI erwies sich als erfolgreich und führte zu einer Förderung durch die Hector Stiftung in Höhe von mehr als zwei Millionen Euro für ein Anschlussprojekt. Neben CAR-T-Zelltherapien haben bispezifische Antikörper die Behandlung des Multiplen Myeloms in den letzten Jahren verändert. Drei der vier in Deutschland zugelassenen bispezifischen Antikörper zielen ebenfalls auf BCMA ab. Diese Therapien wirken jedoch anders, mit variierenden pharmakokinetischen Profilen, und werden derzeit ohne festgelegte Sequenz eingesetzt.

Im neuen Projekt planen die Forscher umfassende Multi-Omics-Analysen an Proben von Patienten mit Rückfällen, um zu ermitteln, wie CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper optimal kombiniert oder sequenziert werden können. Ziel ist es, die Immuntherapie weiter zu verbessern und personalisiertere Ansätze zu entwickeln, die den Behandlungserfolg steigern und Nebenwirkungen minimieren.

Die Originalstudie erschien in der Fachzeitschrift Cancer Cell unter dem Titel “A longitudinal single-cell atlas to predict outcome and toxicity after BCMA-directed CAR T cell therapy in multiple myeloma”. Sie bietet ein detailliertes Atlas der zellulären Dynamik und identifiziert Prädiktoren für Ansprechen und Toxizität. Solche Arbeiten tragen dazu bei, die Prognose für Patienten mit Multiplem Myelom zu verbessern, einer Erkrankung, die jährlich Tausende in Deutschland betrifft und oft rezidivierend verläuft.

Die Universitätsmedizin Leipzig zählt zu den führenden Zentren für Hämatologie und Onkologie in Deutschland. Als Teil der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig integriert sie klinische Versorgung mit Forschung und Lehre. Die Abteilung für Multiples Myelom unter Leitung von Maximilian Merz spezialisiert sich auf innovative Therapien für plasmazellbasierte Erkrankungen. Das Fraunhofer IZI in Leipzig fokussiert auf Zelltherapie und Immunologie, mit Expertise in Bioinformatik und translationale Ansätze. Die Abteilung Medizinische Bioinformatik unter Kristin Reiche entwickelt Methoden zur Analyse komplexer biomedizinischer Daten.

Prof. Dr. Maximilian Merz | Copyright: Memorial Sloan Kettering Cancer.
Prof. Dr. Maximilian Merz | Copyright: Memorial Sloan Kettering Cancer. 

Diese Kooperation exemplifiziert den Transfer von Grundlagenforschung in die Klinik. Durch die Integration von Einzelzell-Technologien und Multi-Omics-Daten entstehen neue Einblicke in die Immunantwort bei Krebs. Die Förderung ermöglicht es, offene Fragen zu adressen, wie die langfristige Persistenz von CAR-T-Zellen oder Resistenzmechanismen. Langfristig könnte dies zu sequentiellen Therapiestrategien führen, die CAR-T mit bispezifischen Antikörpern kombinieren, um Rezidive zu verhindern und das Überleben zu verlängern.

In Deutschland sind CAR-T-Therapien seit einigen Jahren zugelassen, doch ihre Anwendung bleibt auf spezialisierte Zentren beschränkt aufgrund der Komplexität und Kosten. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, molekulare Profile vor der Therapie zu berücksichtigen, um geeignete Kandidaten zu identifizieren. Mit steigender Prävalenz des Multiplen Myeloms durch alternde Bevölkerung gewinnen solche Erkenntnisse an Relevanz. Die Forscher appellieren an eine engere Vernetzung zwischen Klinik und Forschung, um innovative Immuntherapien schneller in die Praxis zu bringen und die Lebensqualität Betroffener zu steigern.

Original Paper:

A longitudinal single-cell atlas to predict outcome and toxicity after BCMA-directed CAR T cell therapy in multiple myeloma – ScienceDirect


Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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