Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Neue Studie deckt alarmierende Zahlen auf

von | Mai 20, 2025 | Forschung, Gesundheit, Politik

Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Deutschland ein weit verbreitetes Problem ist. Laut der Untersuchung haben 24 Prozent der beschäftigten Frauen und 15 Prozent der beschäftigten Männer entweder selbst sexuelle Belästigung erlebt oder solche Vorfälle in ihrem Arbeitsumfeld beobachtet. Rund 13 Prozent der Betriebe mit 50 oder mehr Beschäftigten berichten von Fällen sexueller Belästigung in den letzten zwei Jahren. Die Ergebnisse verdeutlichen nicht nur die Prävalenz des Problems, sondern auch dessen weitreichende Folgen für Beschäftigte und Unternehmen.

Die Mehrheit der von den Betrieben gemeldeten Fälle sexueller Belästigung ereignete sich zwischen Beschäftigten. In einer beträchtlichen Anzahl von Vorfällen waren jedoch externe Personen wie Kunden, Geschäftspartnern oder Patienten beteiligt. Ein kleiner, aber nicht zu vernachlässigender Anteil – etwa 1 Prozent der Betriebe – berichtete von Fällen, in denen Führungskräfte involviert waren. Die Studie hebt hervor, dass solche Vorfälle oft schwerwiegende Konsequenzen für die betriebliche Dynamik nach sich ziehen.

Nicht wegsehen kann helfen. Symbolbild. Credits: Engin Akyurt/pexels
Nicht wegsehen kann helfen. Symbolbild. Credits: Engin Akyurt/pexels

Die Auswirkungen sexueller Belästigung auf Unternehmen sind erheblich. 72 Prozent der betroffenen Betriebe gaben an, dass Vorfälle die Arbeitsmoral und Produktivität der Belegschaft negativ beeinflussten. Knapp die Hälfte der Unternehmen verzeichnete zudem erhöhte Fehlzeiten und eine höhere Personalfluktuation. Angesichts des Fachkräftemangels und der damit verbundenen hohen Kosten für die Rekrutierung neuer Mitarbeitender stellen diese Effekte eine erhebliche wirtschaftliche Belastung dar. Die Studie betont, dass die Bewältigung solcher Vorfälle nicht nur eine Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist, sondern auch die langfristige Stabilität und Attraktivität von Unternehmen beeinflusst.

Geschlechtsspezifische Wahrnehmung und Branchenunterschiede

Die Wahrnehmung, was als sexuelle Belästigung gilt, ist bei Frauen und Männern weitgehend gleich. Dennoch gibt es Unterschiede in der Betroffenheit: Männer berichten besonders häufig von Vorfällen in Branchen mit einem hohen Anteil weiblicher Beschäftigter, wie im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in der öffentlichen Verwaltung sowie im Bildungssektor. Hier waren Männer entweder selbst betroffen oder haben Belästigungsvorfälle in ihrem Umfeld wahrgenommen. Frauen hingegen berichten branchenübergreifend häufiger von Belästigung, was die Studie auf die generell höhere Betroffenheit in ihrem Arbeitsalltag zurückführt.

Die Studie beleuchtet auch das Vertrauen der Beschäftigten in die Reaktion ihrer Arbeitgeber auf Belästigungsvorfälle. Zwei Drittel der Beschäftigten erwarten, dass ihr Betrieb auf solche Vorwürfe angemessen reagiert. Frauen zeigen jedoch ein deutlich geringeres Vertrauen als Männer. Der Unterschied ist besonders ausgeprägt, wenn es um die Einschätzung geht, ob die Geschäftsführung Maßnahmen wie Abmahnungen oder Kündigungen gegen die belästigende Person ergreifen würde. Hier liegt der Unterschied bei 14 Prozentpunkten. Auch bei der Frage, ob Führungskräfte Vorfälle aufklären und Maßnahmen einleiten, ist das Vertrauen von Frauen um 7 Prozentpunkte niedriger.

Prävention als Schlüssel zur Resilienz

Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit eines systematischen und präventiven Umgangs mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Ein proaktiver Ansatz diene nicht nur dem Schutz der Beschäftigten, sondern fördere auch die Resilienz von Unternehmen und die Bindung von Fachkräften. Maßnahmen wie Sensibilisierungskampagnen, klare Verfahrenswege für Beschwerden und Schulungen für Führungskräfte könnten helfen, das Problem einzudämmen und das Vertrauen der Belegschaft zu stärken.

Die Ergebnisse basieren auf zwei umfassenden Befragungen: dem Online-Panel for Labour Market Research (OPAL) und dem Linked Personnel Panel (LPP), die 2023 und 2024 durchgeführt wurden. Diese repräsentativen Erhebungen bieten Einblicke in die Erfahrungen von Beschäftigten und die Perspektive von Unternehmen. Die vollständige Studie ist online unter der Adresse https://doku.iab.de/kurzber/2025/kb2025-09.pdf abrufbar.

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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