Neues Screening-Verfahren deckt neurotoxische Wirkung von Chemikalien auf

Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat ein innovatives Hochdurchsatz-Screening-Verfahren entwickelt, das die neurotoxische Wirkung von Chemikalien ohne konventionelle Tierversuche prüft. Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Environmental Health Perspectives, zeigt am Beispiel der Chemikalie Chlorophen, wie solche Tests neurotoxische Effekte und deren molekulare Mechanismen aufdecken können.
Weltweit sind etwa 350.000 Chemikalien kommerziell verfügbar, doch nur etwa 200 wurden bisher auf neurotoxische Wirkungen untersucht, da herkömmliche Testverfahren zeitaufwendig, kostspielig und meist mit Tierversuchen an Ratten oder Mäusen verbunden sind. Das UFZ-Team nutzte Embryonen des Zebrabärblings (Danio rerio), deren Gene zu rund 70 Prozent mit menschlichen Genen übereinstimmen, um ein schnelles, ethisch vertretbares Testverfahren zu entwickeln. Dieses ermöglicht die Untersuchung von Chemikalien auf ihre Wirkung auf das Nervensystem, insbesondere auf Lern- und Gedächtnisprozesse.
Das Verfahren basiert auf der Beobachtung des Lernverhaltens von Zebrafischembryonen, die auf wiederkehrende akustische oder visuelle Reize reagieren. Neurotoxische Substanzen können diese Reaktionen verändern, etwa indem sie die Gewöhnung an Reize verhindern oder beschleunigen. Bei Tests mit zehn Substanzen, die das für Lernen und Gedächtnis wichtige NMDAR-Rezeptorsystem beeinflussen, zeigte Chlorophen eine besonders starke Wirkung: Es blockierte das Lernverhalten vollständig und führte zu einer sogenannten paradoxen Erregung, bei der die Embryonen auf akustische, aber nicht auf visuelle Reize reagierten.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass Chlorophen über GABAA-Rezeptoren wirkt, die eine zentrale Rolle im Nervensystem spielen. Dieser Effekt wurde durch Tests an Maus- und menschlichen Zellmodellen sowie durch Computermodelle bestätigt. Ein weiterer Wirkmechanismus, der das Lernverhalten beeinflusst, könnte über spezielle Kaliumkanäle vermittelt werden, wie Vergleiche mit dem Schmerzmittel Flupirtin nahelegen.
Das neue Screening-Verfahren ermöglicht es, Chemikalien schnell, kostengünstig und ohne Tierversuche auf neurotoxische Wirkungen zu prüfen. Es unterstützt die Ziele der EU-Chemikalienstrategie und des European Green Deal, indem es Gefährdungen frühzeitig erkennt. Die Forscher betonen, dass die Ergebnisse das Vertrauen in Zebrafisch-basierte Tests stärken könnten, um die menschliche Gesundheit vor schädlichen Chemikalien zu schützen. Weitere Studien sollen die molekularen Mechanismen vertiefen, um die Testmethodik weiter zu verfeinern.
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